Willkommen im Mittelalter – Pflege nächstens ganz privat

Unsoziale Pflege-Pläne der Regierung erinnern an „Rentenreform“


 

August Bebel schrieb in seinem Buch „Die Frau und der Sozialismus“, die soziale Stellung der Frau sei einer der besten Indikatoren für den Entwicklungsstand einer Gesellschaft.

Anknüpfend an die aktuelle Debatte um die Pflegeversicherung müsste man wohl hinzufügen, die soziale Situation der zu Pflegenden und des Pflegepersonals beschreibt sehr anschaulich die Lebensbedingungen der deutschen Arbeiterklasse.

von Steve Kühne, Dresden

Während das Pflegepersonal in Krankenhäusern und bei mobilen Anbietern inzwischen immer schwerer die anfallenden Rechnungen bezahlen kann, holt nun die CDU/CSU/FDP-Regierung zum nächsten Schlag aus.

Ähnlich wie bei den Angriffen auf die staatliche Rente erklärte Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) mit Verweis auf den „demografischen Faktor“, es könne keine gute Pflege zum Nulltarif geben (zum Nulltarif gab’s die bislang übrigens auch nicht). Er meint damit im Klartext, es gebe immer mehr alte und immer weniger junge Menschen. Dass der Einbruch in der Geburtenrate nicht zuletzt der unsozialen Politik seiner Partei zu verdanken ist, verschweigt er ebenso wie die Tatsache, dass soziale Leistungen (ob Rente oder Pflege) nicht vom „demografischen Faktor“ abhängen. Sonst müssten „junge“ Gesellschaften wie die aller sogenannten „Dritte-Welt-Staaten“ super Sozialsysteme haben. Vielmehr kommt es auf Wirtschaftsleistung, Produktivität und vor allem Reichtumsverteilung an: Wem gehört wie viel und wofür wird das Vermögen eingesetzt?

Dennoch soll nächstens jede und jeder selbst vorsorgen und nebenbei zusätzlich privat vorsorgen. CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn setzte gleich noch einen drauf und meinte, in Zukunft solle die ambulante gegenüber der stationären Pflege gestärkt werden. Na klar, auch im Mittelalter haben schließlich drei, vier Generationen unter einem Dach gelebt – warum soll’s heute nicht auch klappen? Vielleicht ja deshalb, weil infolge der immer stärker um sich greifenden Inhumanisierung der Arbeitswelt (Überstunden, Arbeitszeitverlängerung und Lohnverlust) häusliche Pflege kaum umsetzbar ist.

Martina Bunge, die gesundheitspolitische Sprecherin der Partei DIE LINKE, kritisierte die Regierungspläne zur Einführung einer kapitalgedeckten Säule der Pflegeversicherung als Einstieg in die Kopfpauschale. Bleibt die kleine Hoffnung, dass ihre Partei in diesem Fall ihrer Verantwortung nachkommt und Widerstand gegen die „Reform“ der Pflegeversicherung organisiert.