Wir lassen uns nicht spalten! Für gemeinsame, europaweite Aktionen und Solidarität!
Die Meldungen über Downratings für Griechenland, Spanien und Portugal reißen nicht ab. Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste. Nun auch Italien. Gleichzeitig nimmt die Hetze der Bürgerlichen und ihrer Medien gegen die Bevölkerung dieser Länder kein Ende. Doch die Bevölkerung in allen Ländern leidet unter den Auswirkungen einer Krise, die sie nicht verursacht haben. Statt Spaltung entlang von Nationalitäten brauchen wir jetzt umso mehr internationale Solidarität.
von René Kiesel, Berlin
Die Bundesrepublik Deutschland exportierte neben Gütern und Waffen auch die Krise. Vor allem in die von einem Staatsbankrott bedrohten Länder Griechenland, Portugal und Spanien. Durch den Export in diese Länder erzielte die deutschen Exportwirtschaft zwischen 1990 und 2000 einen Gesamtgewinn von 79 Mrd. €. Während der letzten Jahrzehnts wuchs dieser auf mehr als das 4-fache (in zehn Jahren 2000 – 2010 insgesamt 331 Mrd. €) an.
Was die Gewinne des einen sind, sind die Schulden des anderen. Da die drei Länder weniger nach Deutschland verkauften, als sie kauften, mussten sie sich Geld leihen – die Verschuldung wuchs. Doch nicht selten waren Kredite deutscher Banken an weitere Einkäufen in Deutschland gebunden.
Darunter fielen größere Waffenexporte. Neben U-Boote aus dem Hause ThyssenKrupp Marine Systems, beinhalteten diese die weltweit zum Einsatz gegen „Aufständische“ gebrauchten Leopard-Panzer des Produzenten Krauss-Maffai Wegmann und Kleinwaffenlieferungen in Millionenhöhe.
Ein Blick auf die Statistik der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich vom März 2011 zeigt deutlich, was eine Staatspleite Griechenlands für deutsche Banken bedeuten würde. Deutsche Kreditinstitute halten, neben den französischen und britischen, einen großen Anteil an den Schulden Griechenlands, Spaniens und Portugals. Insgesamt beläuft sich die Summe auf 360,3 Mrd. US-Dollar (aktuell etwa 257 Mrd. €), wobei in Spanien mit 242,4 Mrd. US-Dollar (zur Zeit ca. 173 Mrd. €) der Löwenanteil liegt.
Der Export der Krise drückt sich in diesem Fall vor allem darin aus, dass die Konzerne sich das Geld, das sie brauchen, um ihre Gewinne zu sichern, von den Beschäftigten anderer Länder holt, um hier die Angriffe möglichst gering zu halten und die Friedhofsruhe zu wahren.
Alles faule Südländer? Oder: Wer zahlt für die Krise?
Oben Genanntes macht ziemlich deutlich, welches Interesse die Bundesregierung daran hat, dass diese Staaten nicht pleite gehen. Anders ausgedrückt: da sich der deutsche Staat bei privaten Bankkonzernen Geld leihen muss, um es in den Rettungsschirm für diese Staaten zu investieren, wird klar, wessen Interesse hier vertreten wird.
Man stelle sich ein Land vor, in dem die monatliche Mindestrente 280 € beträgt, das Durchschnittseinkommen bei ca. 800 € und die Durchschnittspension bei 500 € liegen. Dazu nehme man Mieten und Preise, die zum Teil noch über deutschem Niveau liegen. Der Preis für einen Liter Benzin liegt zur Zeit bei 1,73 €. Die Rede ist von Griechenland.
Durch den Sparkurs der Regierung, der der griechischen Arbeiterklasse durch die Kredite der Troika aus Internationalem Währungsfond, der Europäischen Zentralbank und der EU selbst, aufgezwungen wird, gab es weitere erhebliche Einschnitte. Sozialhilfe empfängt in Griechenland nur eine Person ab 70 ohne Renteneinkommen und das Arbeitslosengeld in Höhe von maximal 450,00 € wird nur über 12 Monate gezahlt.
Im letzten Jahr wurden 200.000 Menschen entlassen, die Löhne sanken um bis zu 20% und jeder 5. Laden musste schließen.
Auch in Großbritannien stehen enorme Kürzungen an. Das Renteneintrittsalter soll von 65 auf 68 Jahre angehoben und der Beitrag zur Rentenversicherung verdoppelt, bzw. verdreifacht werden. Dennoch wird bei den Pensionen um 20-50% gekürzt. Die Armutsgrenze liegt in Großbritannien bei ca. 770 €/Monat. Die staatliche Rente beträgt bereits nur etwa 460 € im Monat. Die katastrophalen Folgen der Kürzungen liegen auf der Hand – ein gravierender Anstieg der Altersarmut.
Zur angeblichen Korruption der griechischen Bevölkerung: In der Süddeutschen Zeitung vom 26. Mai 2008 steht in einem Bericht über die schwarzen Kassen des Siemens-Konzerns, dass nach Aussage des Managers Reinhard Siekazcek pro Jahr 15 Millionen Euro Schmiergelder für griechische Politiker bereitgestellt wurden. Mit „durchschlagendem“ Erfolg: man zahlte vorsorglich für die Nea Demokratia und die PASOK, um auf jede Regierung vorbereitet zu sein. 2010, als das Land schon am Rand einer Staatspleite stand, verkündete der Verteidigungsminister Evangelos Venizelos, dass eine offene Rechnung für deutsche U-Boote über 2,85 Mrd. € bezahlt würde und noch die Order für 2 weitere U-Boote hinzu käme.
Wer lebt hier über seine Verhältnisse? Oder: Wer verdient an der Krise?
Weltweit stellten Banken fest, dass die Menschen, die Kredite für den Bau ihrer Häuser auf Grund von sinkenden Löhnen und steigender Arbeitslosigkeit weltweit nicht zurück zahlen konnten. Im Fall von Spanien wurden sogar massenweise Häuser gebaut, weil darauf spekuliert wurde, dass diese in Zeiten des Aufschwungs gekauft würden. Doch weit gefehlt, der große Aufschwung wurde zum Albtraum.
Immer mehr Kredite mussten „abgeschrieben“ werden, es wurde klar, dass Banken das Geld, das sie sich geliehen haben, nicht mehr zurückzahlen konnten. Verstärkt durch massive Überkapazitäten wie z.B. in der Automobilindustrie, geriet die gesamte Weltwirtschaft an den Rand des Zusammenbruchs. In dieser Situation verlangten die Großbanken von ihren nationalen Regierungen, gerettet zu werden. Hierzulande wurde ein Rettungsschirm von 220 Mrd. € gespannt. Trotz Milliardenverluste im Krisenjahr 2008 kaufte sich die Deutsche Bank bereits im Februar 2009 knapp ein Viertel der Anteile der Postbank.
Für die Gewinne der Banken und Konzerne musste in Deutschland die Arbeiterklasse mit einem Reallohnverlust von 4,5 % in den letzten 10 Jahren bezahlen, aber auch mit der Agenda 2010, der Gesundheitsreform, den Hartz-Gesetzen und der Mehrwertsteuererhöhung. Unter dem Denkmantel der Wettbewerbsfähigkeit wurden die Lohnstückkosten und Löhne gesenkt sowie die Arbeitszeit heraufgesetzt.
Die Banken vergaben Kredite an Länder wie Spanien, Griechenland und Portugal zu Zinssätzen, die ihnen hohe Gewinne bescherten und gleichfalls die Kasse dieser Staaten entleerte. Da nun kein Geld mehr dort ist, drängen diese Konzerne erneut auf einen „Rettungsschirm“. Und das nicht aus Nächstenliebe. Nachdem die deutsche Arbeiterklasse für die Profite ihren Kopf hinhalten musste und dadurch deutsche Unternehmen die Konkurrenz ausbooteten, sind nun die Arbeiterklassen anderer Länder an der Reihe.
Eine Staatspleite anderer Länder hätte zur Folge, dass die Kreditinstitute ihre Einlagen nie wieder sehen würden. Doch an diese „Rettungspakete“ sind harte Auflagen gebunden. Allein für die letzte Zahlung soll in Griechenland 28 Mrd. über Entlassungen und Lohnkürzungen und 50 Mrd. über Privatisierung von Unternehmen in öffentlichem Eigentum in den Haushalt fließen, um die Gläubigerbanken bedienen zu können. Nicht zufällig ist einer der größten Gläubiger die Deutsche Bank.
Nicht nur die Politik lügt wie gedruckt
Das kann man allerdings nicht so offen sagen, da den Menschen dann relativ schnell bewusst würde, dass hier nicht ihr Wohl im Vordergrund steht. Es ist daher sehr willkommen, dass die InhaberInnen großer Medienkonzerne genauso an ihren Pfründen interessiert sind, wie die KollegInnen in den Chefetagen namhafter Banken und Konzerne. Und genauso wenig, es offen zu zeigen. Statt dessen wird wild auf die griechische Arbeiterklasse und breite Bevölkerung gezeigt und behauptet, dass diese faul, korrupt und verschwenderisch wären. Und zwar, um davon abzulenken, dass die Merhheit in Deutschland selbst für die Profite der deutschen Banken, die Automobilindustrie und Baubranche bezahlen mussten.
Während die Besitzenden in Westeuropa noch mit einiger Hoffnung auf die Revolutionen in Nordafrika schauten und darauf spekulierten, ihren Einfluss geltend zu machen, erzittern sie vor den Massenprotesten in Südeuropa. Wie schnell die Flamme der Unzufriedenheit und Wut von einem Land auf das andere springt und dass der kleinste Auslöser reicht, um Massendemonstrationen und mehrtägige Generalstreiks zu Tage zu bringen, sorgt bei ihnen für Unbehagen.
Die Taktik dagegen ist so alt wie jede Herrschaftsform selbst: Spaltung.
Welcher Verleumdungskampagne begegneten wir nicht in den letzten Monaten. Die von der Krise am stärksten betroffenen Länder sind geprägt von eine faulen Arbeiterklasse, die zu viel verdient und zu früh in Rente geht. Mit Sprüchen wie „Die Griechen müssen ihre Hausaufgaben machen“ oder „Es kann nicht sein, dass die Griechen früher in Rente gehen als in Deutschland“ glänzte immer wieder die Bankenkanzlerin Merkel. Zeitungen wie „Bild“ oder „Welt“ sprangen voll in die Bresche und berichteten immer wieder, über die korrupte Mentalität und Faulheit der GriechInnen.
Dies alles nur, um zu verhindern, dass die deutsche Arbeiterklasse sich mit den Protesten in anderen Ländern solidarisiert die Blick und die Faust gegen die richtet, die vor, während und nach der Krise profitierten.
Denn nicht etwa die Mentalität einzelner Bevölkerungen ist die Ursache dafür. Das System, das dahinter steckt, heißt Kapitalismus. Als korrupt erwiesen sich jene, die an der Spitze der Pyramide stehen und die, die deren Interessen in den Regierungen und Parlamenten vertreten. Da die kapitalistische Wirtschaft einzig und allein auf Profitmaximierung ausgerichtet ist, ist das kaum verwunderlich.
Dem müssen wir Aktionen internationaler Solidarität und gemeinsamen Protestes entgegen setzen um zu zeigen: wir lassen uns nicht spalten! Wir leiden alle unter den Folgen der Gewinnmaximierung und der dadurch hervorgerufenen Krisen. Einzig und allein der gemeinsame Kampf zur Überwindung des Kapitalismus und für eine sozialistische Gesellschaft und demokratisch geplante Wirtschaft kann dem ein Ende bereiten.