DIE LINKE, Antisemitismus, Israel-Kritik und die Gaza-Flottille

Anmerkungen zu einer überflüssigen Diskussion


 

Die Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE hat innerhalb von zwei Wochen zwei Beschlüsse zum Thema Antisemitismus und Israel/Palästina gefällt und damit eine kontroverse und heftige Debatte innerhalb und außerhalb der Partei ausgelöst.

von Sascha Stanicic

Der Beschluss vom 7. Juni rückte israelkritische Positionen, insbesondere die Unterstützung einer Ein-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt, die Unterstützung von Boykottaufrufen gegen israelische Produkte und die Gaza-Flottille in die Nähe von Antisemitismus. Der zweite Beschluss vom 28. Juni betonte zwar, dass Kritik an der israelischen Regierungspolitik kein Antisemitismus ist und bezeichnet die inflationäre Verwendung des Begriffs „Antisemitismus“ als schädlich für den Kampf gegen denselben. Die Forderung an Fraktionsmitglieder und -mitarbeiterInnen sich weder an der Gaza-Flottille, noch an politischen Initiativen für eine Ein-Staaten-Lösung und an Boykottaufrufen zu beteiligen, wurde aber weder zurück genommen noch relativiert.

Worum geht es?

Es geht in dieser Debatte nicht tatsächlich um einen Kampf gegen antisemitische Positionen innerhalb der Partei DIE LINKE. Auch wenn verschiedene VertreterInnen der rechten Parteiflügels behaupten, es gebe ein Antisemitismusproblem in der Partei, so gibt es keine überzeugenden Beispiele für antisemitische Positionen von Gliederungen oder FunkionärInnen der Partei. Sollte es diese geben, gehören diese Personen oder Gliederungen sofort ausgeschlossen.

Tatsächlich geht es aber um etwas anderes. Als Mittel gegen Antisemitismus wird vom rechten Flügel der Partei eine unkritische Haltung gegenüber der Politik des Staates Israel gefordert. In Wirklichkeit geht es dabei nicht um den Kampf gegen Antisemitismus, sondern um die Regierungsfähigkeit der Partei auf Bundesebene. In einem imperialistischen Land wie der Bundesrepublik Deutschland kann eine Partei nur als Koalitionspartner pro-kapitalistischer Parteien (wie SPD und Grüne) auf Bundesebene akzeptiert werden, wenn sie die wesentlichen Grundfesten dieses imperialistischen Staates nicht gefährdet. Dazu gehört nicht zuletzt die Außenpolitik und hier die Mitgliedschaft in der NATO, die Beteiligung an Auslandseinsätzen der Bundeswehr und verschiedene internationale Kooperationen und Bündnisse. Der Staat Israel spielt im Nahen Osten für die Aufrechterhaltung der bestehenden Weltordnung eine zentrale Rolle, er ist der Brückenkopf des Imperialismus in einer öl- und rohstoffreichen Region. Aus historischen Gründen ist das Bekenntnis zu diesem Staat und seine Unterstützung für den deutschen Kapitalismus von großer Bedeutung und gehört, wie Gregor Gysi es nannte, zur deutschen Staatsräson. Der rechte Flügel der Partei DIE LINKE will die Partei hier auf BRD-Staatslinie bringen, um die Beteiligung an einer Bundesregierung in Zukunft möglich zu machen. Darum geht es und um nichts anderes!

Der Kampf gegen Antisemitismus

Dem Kampf gegen Antisemitismus schadet eine solche Haltung. Dieser Kampf ist wichtig und muss mit aller Entschlossenheit geführt werden, denn Antisemitismus ist kein Phänomen der Vergangenheit. Angesichts der Weltwirtschaftskrise, zunehmender Verarmung breiter Bevölkerungskreise und sozialer Zukunftsängste bei Millionen Menschen ist zu befürchten, dass antisemitische Sündenbockpropaganda, wie auch andere Formen des Rassismus, einen wachsenden Nährboden erhalten und zunehmen können, wenn diesen nicht entschlossen begegnet und überzeugende linke Alternativen entgegen gestellt werden.

Die Vermischung von Israel-Kritik mit Antisemitismus schadet dem Kampf gegen Antisemitismus, weil erstens dieser dadurch verharmlost wird, zweitens die Front der Antisemitismus-GegnerInnen gespalten wird und drittens gerade das Bestehen darauf, dass Kritik am Staat Israel nicht mit Antisemitismus gleichbedeutend ist, dazu dient, eine Verbreitung von Antisemitismus unter denjenigen, die aus guten gründen Israel kritisieren, zu verhindern.

Die LINKE-Bundestagsfraktion kritisiert in ihrem Beschluss vom 28.6. faktisch ihren eigenen Beschluss vom 7. Juni, wenn sie schreibt: „Die inflationäre Verwendung des Begriffs des Antisemitismus schadet dem Kampf gegen ihn.“ Es wäre angemessen gewesen, erstens dies offen zuzugeben und zweitens den Beschluss vom 7. Juni auch formell zurückzuziehen.

Ein Staat oder zwei Staaten?

Der Staat Israel spielt im Nahen Osten die Rolle einer Besatzungsmacht, die das Selbstbestimmungsrecht der PalästinenserInnen seit Jahrzehnten verhindert und eine wesentliche Rolle bei der erzwungenen Zersplitterung der arabischen Nation spielt. Er hat den Gaza-Streifen in ein Gefängnis verwandelt, in dem die Bevölkerung eingesperrt ist und unter schlechten sozialen Bedingungen und einer miesen Versorgungslage leidet. Die Solidarität von Linken muss der palästinensischen Bevölkerung gelten. Das bedeutet jedoch nicht, dass man als Linke unkritisch jede Form des palästinensischen Widerstands unterstützen sollte. Insbesondere die Politik von Terroranschlägen gegen israelische ZivilistInnen und das Abfeuern von Granaten und Kassam-Raketen auf israelische Wohnviertel sind Mittel, die abzulehnen sind. Nicht nur weil sie die Falschen treffen, sondern auch weil sie dadurch der palästinensischen Sache gar nicht dienen. Die herrschende Klasse in Israel kann ihre unterdrückerische Politik so dreist betreiben, weil sie dafür eine Basis in breiten Teilen der israelisch-jüdischen Bevölkerung hat. Dies ist der Fall, weil diese sich in ihrem Selbstbestimmungsrecht bedroht fühlen und Angst um ihre eigene Sicherheit haben. Tatsächlich ist Israel heute der für Jüdinnen und Juden wahrscheinlich unsicherste Platz, weil die Unterdrückung der PalästinenserInnen durch den Staat Israel Widerstand und auch Terroranschläge provoziert. Solche Anschläge treiben die einfachen israelisch-jüdischen ArbeiterInnen aber in die Arme ihrer Regierung und sind kein Mittel, um die nationale Spaltung zu überwinden.

Wie die Überwindung der nationalen Spaltung zu erreichen ist, ist unter Linken umstritten. Die einen, darunter auch einige jüdische Linke, treten für einen demokratischen und säkularen (also nicht religiös definierten) Staat ein, der das Gebiet des heutigen Israels und der heutigen Palästinenserbehörde umfassen soll und in dem gleiche Rechte für alle Menschen gelten sollen. Dies wird als Ein-Staaten-Lösung bezeichnet und hat nichts mit Vorstellungen rechter Islamisten zu tun, die den Staat Israel zerstören und die jüdische Bevölkerung „ins Meer treiben“ wollen. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die Bildung von zwei separaten Staaten Israel und Palästina immer die Manifestierung begangenen Unrechts, der Vertreibung von PalästinenserInnen bei der Gründung des Staats Israel, bedeuten würde. Diese Zielsetzung ist nachvollziehbar. Sie wird verstärkt unter palästinensischen Linken diskutiert, die die Hoffnung auf die Gründung eines lebensfähigen Palästinenserstaats aufgegeben haben.

Sie zeigt aber keinen Weg auf, die tiefe Spaltung zwischen jüdischen Israelis und PalästinenserInnen zu überwinden. Dazu ist die gegenseitige Anerkennung des Rechts auf nationale Selbstbestimmung nötig, was das Recht auf die Bildung eigener Staaten beinhalten muss. Dies auf demokratischem Weg umzusetzen, die sozialen Rechte der Menschen dabei auszuweiten, komplizierte Fragen, wie den Status der Stadt Jerusalem (die Israelis und PalästinenserInnen als Hauptstadt beanspruchen), die Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge aus dem Libanon und anderen Ländern zu ermöglichen, wird auf Basis kapitalistischer Klassengesellschaften in Israel und in den Palästinensergebieten unmöglich sein. Nicht zuletzt, weil die herrschende israelische Klasse den nationalen Konflikt zur Rechtfertigung ihrer Existenz, ihres aufgeblähten Staatsapparates etc braucht, aber auch weil die palästinensischen Eliten ebenfalls ihre soziale Basis aus der nationalen Unterdrückung ihres Volkes ableiten.

Deshalb tritt die SAV und das Komitee für eine Arbeiterinternationale für eine sozialistische Zwei-Staaten-Lösung ein. Wir erkennen einerseits das Selbstbestimmungsrecht beider in der Region lebenden Nationen an (und damit das Recht auf einen eigenen Staat) und erklären gleichzeitig, dass eine Voraussetzung dafür – und damit für Frieden in der Region – der Sturz der bestehenden kapitalistischen Regierungen ist.

Im Zusammenhang mit dem Beschluss der Bundestagsfraktion heißt das aber, anzuerkennen, dass die Diskussion um eine demokratische Ein-Staaten-Lösung eine Realität innerhalb der linken Bewegungen ist und es für Mitglieder einer pluralen Partei auch das Recht geben muss, diese zu vertreten, auch wenn die Partei insgesamt eine andere Beschlusslage hat.

Boykott israelischer Waren?

Es gibt eine internationale Kampagne, die sich zum Ziel gesetzt hat, die israelische Regierung durch den Boykott israelischer Waren, eine Weigerung in Israel zu investieren und die Forderung nach Sanktionen gegen Israel aufgrund der dort begangenen Menschenrechtsverletzungen unter Druck zu setzen. Diese Kampagne läuft unter dem Namen „BDS – Boykott, Deinvestitionen, Sanktionen“. Sie bezieht sich auf ähnliche Kampagnen, die gegen den südafrikanischen Apartheidsstaat durchgeführt wurden und als ein Beitrag zur Beendigung der Apartheid betrachtet werden.

Paul Murphy, der Europaabgeordnete der irischen Schwesterorganisation der SAV, Socialist Party, und Teilnehmer der Gaza-Flottille hat dazu in einem Interview gesagt: „Ich verstehe, warum diese Kampagne von Vielen unterstützt wird, aber ich denke nicht, dass ein genereller Boykott die beste Taktik für eine Kampagne für die Rechte der PalästinenserInnen und für einen palästinensischen Staat ist. Bestimmte Formen von Boykotts – zum Beispiel gegen Waffen, die in den besetzten Gebieten verwendet werden oder gegen von Siedlern hergestellte Produkte können sinnvoll sein, vor allem, wenn sie von den Gewerkschaften organisiert werden. Aber ich denke, dass das israelische Establishment die Entwicklung einer allgemeinen BDS-Kampagne nutzen würde, um die israelische Arbeiterklasse von den palästinensischen Massen weiter zu entfremden. Es würde dem israelischen Staat eine Möglichkeit bieten, seine Propaganda weiter zu betreiben, dass die israelischen Jüdinnen und Juden alleine in der Welt sind und dass sie zusammen rücken müssen, um sich zu verteidigen.“

In Deutschland wird zurecht die Frage des Boykotts israelischer Waren mit besonderer Sensibilität betrachtet, weil die Nazis zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen haben. Eine Gleichsetzung der Nazi-Parole „Kauft nicht bei Juden“ und der BDS-Kampagne geht aber an der Realität vorbei. Denn die BDS-Kampagne argumentiert nicht rassistisch, sondern richtet sich gegen die Politik eines Staates, der ein ganzes Volk unterdrückt. Sie wird von nicht wenigen Jüdinnen und Juden unterstützt. Aber eine solche Kampagne kann nur erfolgreich und ein Beitrag zur Überwindung der nationalen Spaltung im Nahen Osten sein, wenn sie sich auf die Unterstützung relevanter Teile der von einem solchen Boykott betroffenen Bevölkerung stützen kann. Das ist auch der wesentliche Unterschied zur Boykottkampagne gegen das Apartheidsregime in Südafrika. Dort war die schwarze Arbeiterklasse die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung und unterstützte Boykottaufrufe gegen Südafrika. Im Fall von Israel trifft das auf die Mehrheit der israelisch-jüdischen Arbeiterklasse nicht zu. Deshalb ist die Gefahr groß, dass die BDS-Kampagne den Effekt hat, die israelisch-jüdische Bevölkerung in die Arme der rechten israelischen Regierung zu treiben und kein Beitrag ist, diese von der Regierung zu lösen.

Bezüglich des Beschlusses der Bundestagsfraktion bedeutet das aber auch im Fall von BDS, dass eine Vermischung dieser Kampagne mit Antisemitismus ungerechtfertigt ist und sie Teil der Debatten über eine wirkungsvolle Solidarität mit der palästinensischen Bevölkerung ist. Auch wenn die Partei sich nicht an der BDS-Kampagne beteiligt, müssen einzelne Mitglieder und Funktionäre trotzdem das Recht dazu haben, dies zu tun.

Die Gaza-Flottille

Die Ablehnung einer Unterstützung der Gaza-Flottille durch die Bundestagsfraktion und das faktische Verbot zur Teilnahme an dieser für Abgeordnete und FraktionsmitarbeiterInnen sind eine direkte Entsolidarisierung mit der Solidaritätsbewegung für die PalästinenserInnen und vor allem die Bevölkerung in Gaza. Gerade nach dem brutalen Angriff der israelischen Armee auf die Flottille im letzten Jahr und die Tötung von neun türkischen TeilnehmerInnen, ist dieser Beschluss skandalös.

Die Flottille wird in der Linken im wesentlichen aus zwei Gründen hinterfragt: erstens aufgrund der Zusammensetzung des Flottillenbündnisses und zweitens aufgrund der konfrontativen Taktik.

Die Free-Gaza-Bewegung, die die Flottille organisiert, ist eine internationale, sehr breit angelegte Bewegung, die einen demokratischen Charakter hat. Zu ihr gehört auch die türkische islamische Hilfsorganisation IHH. Dieser wird vorgeworfen, eine rechte islamistische Organisation zu sein. Dafür gibt es jedoch keine überzeugenden Beweise. Tatsächlich ist die IHH wohl eher mit der Caritas vergleichbar. Sie ist eine islamische Hilfsorganisation, die aber ihre Hilfe nicht konfessionsgebunden vergibt. So hat sie unter anderem Hilfsprojekte für die Erdbebenopfer in Haiti organisiert. Ihre Verbindungen zur Hamas gehen nicht über die Verbindungen anderer Institutionen und Nichtregierungsorganisationen hinaus, die im Gaza-Streifen operieren. Zwangsläufig ist die Hamas-Regierung für eine Hilfsorganisation wie die IHH der Ansprechpartner in Gaza, so wie alle institutionellen Hilfsorganisationen mit den Regierungen der Länder, in denen sie Hilfsprojekte durchführen, Kontakte unterhalten.

Als sozialistische Organisation tritt die SAV grundsätzlich für durch die Arbeiterbewegung organisierte, unabhängige Hilfsprojekte ein. Diese bieten eher eine Garantie, dass Gelder nicht im Korruptionssumpf versiegen und tatsächlich die am schlimmsten Betroffenen unterstützt werden. Vor allem aber können gewerkschaftliche und sozialistische Hilfsprojekte dazu dienen, in den betroffenen Ländern eine unabhängige Arbeiterbewegung aufzubauen. Das würden wir auch für Hilfsprojekte für Gaza vorschlagen. Daraus ergibt sich aber nicht, dass SozialistInnen andere Hilfsprojekte ablehnen oder sich unter keinen Umständen daran beteiligen würden.

Die Gaza-Flottille ist aber mehr als ein humanitäres Hilfsprojekt. Es ist eine politische Aktion, um international die israelische Blockade gegen die Bevölkerung von Gaza auf die Tagesordnung zu bringen und den Druck auf die israelische Regierung zu maximieren. Sie hat keinen sozialistischen Charakter und ist auch keine Aktion der Arbeiterbewegung. Aber sie hat einen demokratischen und antiimperialistischen Charakter und vertritt progressive Inhalte, die sich auch nicht gegen die israelisch-jüdische Bevölkerung richten oder in irgend einer Art und Weise eine Nationalität oder Religion diskriminieren. An ihr nehmen Hunderte AktivistInnen und viele Prominente, wie der schwedische Autor Henning Mankell und die US-amerikanische Schriftstellerin Alice Walker teil. Auf dem irischen Boot, an dem Paul Murphy teilnimmt, sind vor allem AktivistInnen der Partei Sinn Fein, von anderen linken Gruppen und von Gewerkschaften.

MarxistInnen treten für die politische Unabhängigkeit der Arbeiterbewegung ein und tragen in alle Widerstandsbewegungen eine antikapitalistische Perspektive. Die Ablehnung von politischen Bündnissen mit bürgerlichen, pro-kapitalistischen Kräften, die zur Unterordnung unter deren Inhalte und die Zurückstellung des Kampfes für Arbeiterrechte und Sozialismus führen, bedeutet nicht, Aktionsbündnisse auf demokratischer Basis abzulehnen, an der sich auch bürgerlich-demokratische Kräfte oder eben bürgerliche oder religiöse Hilfsorganisationen beteiligen, solange man die eigene politische Unabhängigkeit und Handlungsfähigkeit bewahrt. Das gilt umso mehr für die Bedingungen, die in der neokolonialen Welt, im Falle von nationaler Unterdrückung oder militärischer Besatzung herrschen.

Die Gaza-Flottille ist außerdem zu unterstützen, gerade weil sie den israelischen Staat und seine in jeder Hinsicht unrechtmäßige Blockade von Gaza direkt und offensiv herausfordert. Es geht eben nicht nur um die Lieferung von Hilfsgütern, sondern darum, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Blockade beendet wird. Deshalb sind alle Vorschläge, die Flottille solle doch, anstatt zu versuchen Gaza direkt auf dem Seeweg zu erreichen, die Hilfsgüter über Ägypten anliefern oder die scheinheiligen Angebote Israels annehmen, die Schiffe von der israelischen Armee kontrollieren zu lassen und die Lieferung dann den israelischen Behörden zu überlassen, falsch. Denn sie bedeuten politisch eine faktische Akzeptanz der Blockade und gerade diese soll ja delegitimiert werden. Und ganz abgesehen davon ist kein Verlass auf die israelischen Behörden, dass sie tatsächlich alle Hilfsgüter nach Gaza transportieren würden. Im letzten Jahr wurden zum Beispiel nicht alle Güter, die nach der Kaperung der Flottille in die Hände der israelischen Behörden gelangten, weiter geleitet und wurden die Rollstühle funktionsunfähig geliefert.

Wie weiter?

In der Partei DIE LINKE sollte eine offene und breite Debatte über die in den letzten Wochen aufgeworfenen Fragen geführt werden. Diejenigen, die pauschal den Vorwurf erheben, es gebe in der Partei Antisemiten, sollen das konkret darlegen oder diesen Vorwurf zurück nehmen. Denn wie der Verein „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost“ sagt: „Der Antisemitismusvorwurf ist angesichts der Auswirkungen dieser katastrophalsten und widerlichsten Weltanschauung in der Menschheitsgeschichte eine der schwerwiegendsten Bezichtigungen, die man heute in Deutschland und auch sonst überall auf der Welt hervorheben kann. Es unterstellt dem Angeschuldigten eine hasserfüllte innere Welt mit auf Juden verschobener Aggressivität. Sie beschuldigt ihn, ihr Verschwinden als religiöse, kulturelle, ethnische und angeblich rassische Einheit aus der Welt zu wünschen und dafür einzutreten bis hin zum Völkermord..“

Gleichzeitig gilt zweifellos auch, dass die historische Singularität des nazistischen Vernichtungsfeldzugs gegen die Jüdinnen und Juden nicht relativiert werden sollte und immer wieder vorkommende Vergleiche der Politik des Staats Israels mit den Nazis Fehl am Platze sind. Unterdrückerisch, imperialistisch und rassistisch ist die Politik des Staates Israel aber trotzdem. Das muss ausgesprochen und bekämpft werden. Auch von der Partei DIE LINKE.

Sascha Stanicic ist Bundessprecher der SAV und Mitglied der Partei DIE LINKE in Berlin-Neukölln.

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