Jugendproteste breiten sich in Europa aus
Vorbemerkung:
Dieser Artikel erschien am 2. Juni in englischer Fassung auf der Website des CWI (Komitee für eine Arbeiterinternationale). Seitdem konnte man sehen, dass Italien sich in einer politischen Umbruchsituation befindet. Mit den erfolgreichen Volksabstimmung gegen Atomkraft, Wasserprivatisierung und gegen Sonderrechte vor Gericht hat Ministerpräsident Silvio Berlusconi eine eindeutige Niederlage erlebt. Im Grunde war es eine Abstimmung gegen die Regierung. Die Hauptfrage, die sich stellt, ist die nach einer politischen Alternative. Der Artikel beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle die jetzige Jugendbewegung, die ausgehend von Spanien auch die italienischen Jugendlichen erfasst hat, dabei spielen kann.
Rom, Turin, Neapel, Mailand, Reggio Emilia, Padova, Palermo, Brescia, Trieste, Venedig, Cagliari, Viareggio, Pavia, Florenz, Sassari, Verona, Lecce, Bologna, Pisa – dies ist eine unvollständige Liste der Städte, in denen die Bewegung der „italienischen Revolution“ zur Zeit öffentliche Treffen organisiert und koordiniert. Sie nennt sich selbst „Wahre Demokratie jetzt“, genau wie in Spanien.
von KorrespondentInnen des CWI), Italien
Die Bewegung, die in Spanien ihren Anfang nahm, hat binnen weniger Tage schon in Europa ihre Kreise gezogen. Auch in Italien folgen viele junge Menschen dem großartigen Beispiel der spanischen Jugendlichen und ArbeiterInnen und besetzen die Straßen dort ebenfalls auf friedliche Weise.
Es handelt sich dabei um eine spontan entstandene Bewegung, die seit einer Woche in Dutzenden von Städten allgemeine öffentliche Treffen organisiert. Zwar ist es eine parteilose jedoch keine unpolitische Bewegung. Das landesweite Manifest der italienischen Gruppe erklärt: „Die Bewegung ist eine Bewegung der Bürger, die die politische Klasse bekämpfen will und eine neue Gesellschaft einfordert, in der dem Leben mehr Priorität einräumt als wirtschaftlichen und politischen Interessen“.
Inspiriert von Nordafrika
Der Name der italienischen Bewegung – „Italienische Revolution“ – spiegelt das echte Verlangen nach einem radikalen Wandel wider und die Tatsache, dass eine ganze Schicht italienischer junger Menschen inspiriert sind von der revolutionären Welle in Nordafrika und dem Nahen Osten. „Berlusconi, game over“, steht auf einem Plakat auf der Piazza del Duomo in Mailand; ein unmittelbarer Bezug zum selben Spruch, der vor ein paar Monaten in Tunesien noch gegen Ben Ali gerichtet war.
Einer der interessantesten Aspekte, den diese Bewegung zu bieten hat, ist der durch und durch jugendliche Charakter des Protests. Dank dieser Treffen kommen etliche junge Leute zum ersten Mal mit Politik und dem politischen Kampf in Berührung.
Die Versammlungen, auf denen spezielle Themen wie zum Beispiel die Frage der Arbeitsplatzgarantie, Ökologie oder Bildung diskutiert werden, sollten auch dazu dienen, die Analyse der Bewegung zu vertiefen, die programmatischen Punkte und Forderungen zu schärfen sowie einen Weg auszuarbeiten, wie die Bewegung mit der Arbeiterklasse insgesamt in Verbindung treten kann. Die Bewegung muss für die Abschaffung aller Gesetze kämpfen, die zu unsicheren Beschäftigungsverhältnissen führen, für einen Mindestlohn und eine angemessene Rente für mehr als die Hälfte aller RentnerInnen in Italien, die gezwungen sind, von weniger als 500 Euro im Monat zu leben usw.
Die breite Beteiligung der jungen Leute an dieser Bewegung und ihr Enthusiasmus sind eindeutige Hinweise für das heute unter der Jugend herrschende Verlangen nach Gegenwehr und nach konkretem Handeln. Es gibt den Willen, sich zu organisieren und gegen die Krise der Ökonomie zu kämpfen, gegen die Politiker und die Konzerne und gegen die Dominanz der Banken und Industrie, die immer noch dazu führt, dass die „einfachen Leute“ für die Konsequenzen der Krise ihres Systems zahlen.
Vakuum auf der LINKEN
Gleichzeitig ist es verständlich, dass viele Jugendliche Hoffnungen, Illusionen und manchmal naive Ideen davon haben, was notwendig ist um die Bewegung voran zu bringen. In Italien zeigt dies das große politische Vakuum auf der Linken und die Desorientierung, die entstanden ist weil die aktuellen Führungen keine sozialistische Alternative zum bestehenden System vorschlagen. Ein Ergebnis dessen ist, dass die Protestierenden nicht unbedingt eine durchdachte Perspektive davon haben, was die, die eine Revolution wollen als Nächstes tun sollten und welche Teile der Gesellschaft sie zu mobilisieren versuchen sollten.
Obwohl die Jugendlichen keinen starken Organisierungsansatz haben, wollen sie kämpfen. Aber wenn ein solcher nicht entwickelt wird, könnten politische und organisatorische Schwächen die Bewegung daran hindern weiter zu gehen und dazu führen, dass sich die Wut gegen das System „in Luft auflöst“.
Die Rolle von Controcorrente (CWI in Italien)
Soweit es möglich ist, sind die GenossInnen von Controcorrente in dieser Bewegung aktiv und versuchen, aus der Empörung gegen PolitikerInnen einen echten Widerstand gegen Kürzungen und Sparpolitik, die der Kapitalismus uns aufzwingt, zu organisieren
Leider ist es auf den regelmäßigen Treffen manchmal schwer, in den größeren sozialen Fragen einen gemeinsamen politischen Nenner zu finden. Controcorrente versucht zu erklären dass eine echte Demokratie, die alle TeilnehmerInnen der Bewegung wollen, nur dann Sinn macht wenn die Mehrheit der Gesellschaft echten Einfluss darauf haben was im Land passiert: die Verstaatlichung der Banken und Großindustrien unter der Kontrolle und Verwaltung von demokratisch gewählten VertreterInnen der ArbeiterInnen und Jugendlichen würde dieser Idee eine konkrete Bedeutung geben.