Größte Demo seit dem "Schlichterspruch" – letzte Großdemo vor der Landtagswahl
Am 19. März war die dritte Großdemo gegen Stuttgart 21 in diesem Jahr. Nachdem bei den beiden vorigen Demos gegen 40.000 Menschen teilgenommen hatten, waren es diesmal fast 50% mehr. Das dürfte die Erwartung so ziemlich aller Beteiligter übertroffen haben.
von Wolfram Klein
Bei der Großdemo am 19. Februar waren Parteienvertreter zu Wort gekommen. Diesmal sollte die Frage der Demokratie im Mittelpunkt stehen (unter dem Motto "Den Wechsel wählen! Demokratie statt Stuttgart 21"). Angesichts der Ereignisse in Japan wurde aber auch das Thema Atomkraft thematisiert – mit dem neuen Motto "Abschalten – Abwählen – Oben bleiben".
Der erste Redner war der bekannte Schauspieler und Stuttgart-21-Gegner Walter Sittler. Er griff Ministerpräsident Mappus und die Landesregierung wegen ihrer Unterstützung von Stuttgart 21 und der Atomkraft und ihres hektischen Wahlkampf-Aktionismus seit der Katastrophe von Japan an. Er forderte mehr direkte Demokratie und sagte u.a.: "Wie auch immer die Wahl am 27. 3. ausgehen mag – für das wirkliche Mitmachen und Mitbestimmen werden wir noch lange auf die Straße gehen müssen." Zum Schluss gratulierte er Dietrich Wagner, der am 30. September sein Augenlicht fast vollständig verloren hat, zum Geburtstag
Volker Lösch, der Regisseur am Schauspiel Stuttgart, versuchte in 10 Minuten 60 Lügen zu Stuttgart 21 aufzuzählen und zu widerlegen. Es lohnt sich, die Aufzählung auf youtube selber anzuhören. Für einige Punkte gab es besonderen Beifall z.B. für "Lüge 46: Die Polizei war am 30. 9. friedfertig. Wahr ist: die Polizei setzte Provokateure, Sonderkommandos und Wasserwerfer gegen friedliche Demonstranten ein. (…) Lüge 50: Die Planer des Kellerbahnhofs sind unabhängig. Wahr ist: Architekt Ingenhoven ist in einer Stiftung aktiv, deren Dachgesellschaft mit ECE dasjenige Unternehmen ist, welches auf dem S21-Gelände das größte Einkaufszentrum der Region bauen will. (…) Lüge 55: "Der Widerstand gegen S21 gefährdet die Demokratie", so Arbeitgeberpräsident Hundt. Wahr ist: wir haben einen Grundwiderspruch zwischen Profit und Demokratie. Hundt will Profit, wir wollen Demokratie. (…) Lüge 59: Mappus und Merkel behaupten, der 27. März sei die Volksabstimmung über S 21, wahr ist, dass der Kampf unabhängig vom Ausgang der Wahl weitergehen wird."
Als letzter Redner erklärte Egon Hopfenzitz, als Leiter des Stuttgarter Hauptbahnhofs von 1981-1994 und ehemaliger CDU-Wähler, warum die CDU für ihn nicht mehr wählbar ist, was er zu einem Wahlaufruf für die Grünen missbrauchte.
Insgesamt war bei den Reden wie bei den Reaktionen des Publikums zweierlei auffällig: erstens, dass trotz der Fokussierung auf die Wahlen am 27. März große Klarheit besteht, dass der Kampf danach auf jeden Fall weiter gehen muss, zweitens, wie präsent der 30. September weiterhin für die GegnerInnen von Stuttgart 21 ist.
Im Anschluss an die Kundgebung gab es einen Demonstrationszug. Diesmal war er so lang, dass die ersten TeilnehmerInnen sich schon wieder dem Schlossplatz näherten, als die letzten ihn verließen.