Neuer Streik der Lokführer?

Kommentar von Lucy Redler


 

Im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern war 2010 ein streik-armes Jahr in Deutschland. Einen erfrischenden Start ins Jahr 2011 bietet die Drohung der Lokführergewerkschaft GDL, im Februar die über 26.000 Lokführer zum Streik aufzurufen. Erinnerungen an 2008 werden wach, als die Lokführer den Bahnverkehr lahm legten und elf Prozent Lohnsteigerungen durchsetzten. Ein Streik der Lokführer könnte erneut zu einer Ermutigung für Beschäftigte in anderen Branchen werden.

Zum Hintergrund: Die Führung der neu gegründeten Bahngewerkschaft EVG, der Bahn-Vorstand und die sechs Privatbahnen (Abellio, ARRIVA, Benex, HLB, Veolia und Keolis) einigten sich kürzlich auf einen Branchentarifvertrag für private und nichtbundeseigene Unternehmen im Nahverkehr, der um 6,25 Prozent unter dem Lohnniveau der Deutschen Bahn (DB) liegt.

Just nach diesem Ergebnis erklärten die Privatbahnen die Verhandlungen mit der Lokführergewerkschaft GDL für einen bundesweit einheitlichen Lokführertarifvertrag für gescheitert. Ihr Ziel: Die GDL soll mit ihrer Forderung nach einem Tarifvertrag für alle Lokführer im Nah- sowie Fern- und Güterverkehr auf DB-Niveau ausgebremst werden. Bisher wird das DB-Lohnniveau um bis zu 20 Prozent unterlaufen.

Die GDL will sich nun zu Recht mit dem Abschluss nicht zufrieden geben. GDL-Chef Claus Weselsky meint, dass dadurch das Lohnniveau von 90 Prozent aller Lokführer abgesenkt werden würde.

Es geht jedoch um mehr als die Beendigung von Lohndumping im Eisenbahnverkehr. Die Verteidigung des Streikrechts und der Tariffähigkeit von Spartengewerkschaften steht auf dem Spiel, die in einer unheiligen Allianz vom Deutschen Gewerkschaftsbund und der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände zeitgleich juristisch angegriffen wird.

Die Lokführer verdienen unsere volle Unterstützung – auch um den vielen Menschen, die angesichts eines Streiks nach dem winterlichen Bahnchaos verstimmt sein könnten, zu erklären, dass die Forderungen der Lokführer ein Schritt weg von der Privatisierung der Bahn bedeuten und in unser aller Interesse sind. Ein erfolgreicher Kampf für höhere Löhne würde zudem den Druck für Lohnsteigerungen aller Bahnarbeiter – egal welcher Gewerkschaft – erhöhen.