Rumänien: Băsescus Unterdrücker-Regime erklärt der Arbeiterklasse den Krieg

Vor dem Hintergrund zunehmender wirtschaftlicher Turbulenzen kommt es zu Streiks und Protesten


 

von Victor Cosmin, Rumänien

Nach den Kämpfen gegen die Kürzungspolitik der EU im Sommer 2010 kam es im frühen Herbst zu einem Kampf der RentnerInnen, als die Regierung eine Rentenkürzung von 15 Prozent sowie eine Lohnsenkung von 25 Prozent in Erwägung zog. Am 27. Oktober kam es zu einer ersten großen Kundgebung rumänischer ArbeiterInnen gegen diese Angriffe. Mehr als 40.000 Menschen standen für ihre Rechte auf und blockierten den Piaţa Victoriei (Siegesplatz) in Bukarest.

Das von der Regierung eingebrachte Gesetz zur Rentenkürzung wurde verhindert, weil es die verfassungsmäßigen Rechte der Bevölkerung berührt hätte (worin sich die Angst der herrschenden Klasse widerspiegelt, die ArbeiterInnen in dieser Frage überzustrapazieren). Dennoch konnte die regierende Partei eine Erhöhung der Mehrwertsteuer um fünf Prozent auf 24 Prozent durchsetzen, Löhne um bis zu 25 Prozent senken und das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre anheben (was zugleich die durchschnittliche Lebenserwartung im Land ist!).

Die Finanzkrise hat in Rumänien, einem schon zu Beginn der Krise wirtschaftlich schwachen Land (wie die meisten in Osteuropa), zum ökonomischen Kollaps geführt. Die Maßnahmen der Regierung (die zu über 50 Prozent von der „Liberal-demokratischen Partei“ gestellt wird) sind nichts anderes als die heftige Ausbeutung der Bevölkerung in einer noch brutaleren Variante des Kapitalismus.

Wie wird die politische Elite gesehen?

Die politische Elite in Rumänien wurde nie über die Maßen unterstützt. Seit der sogenannten Einführung der „Demokratie“, die das Land durch die Überwindung des Stalinismus erlebte, wurden die Erwartungen der Menschen niemals erfüllt. Die Wirtschaftskrise hat jetzt dazu geführt, dass das Verhältnis der Menschen zu ihrer Regierung im Vergleich zu den vergangenen Jahrzehnten auf den Nullpunkt herabgefallen ist. Seit 1989 befindet sich Rumänien im Prozess nahezu kontinuierlicher Deindustrialisierung und wachsender Armut. Heute blickt eine große Anzahl an ArbeiterInnen nostalgisch auf die Ära des Stalinismus zurück. Diese sentimentale Haltung greift sogar unter jungen Leuten um sich – so enorm ist das Versagen der kapitalistischen Restauration.

Momentan liegt das durchschnittliche Einkommen in Rumänien bei 600 US-Dollar, während die Preise zum Beispiel für Lebensmittel ungefähr so hoch sind wie in Deutschland. Mit dem Versuch einer objektiven Betrachtung: In Rumänien herrschen praktisch die perfekten Bedingungen, die es für einen Arbeiteraufstand braucht; und zwar schon seit die enorme wirtschaftliche Ungleichheit, die nach dem Fall von Ceauşescus stalinistischem Regime im Jahr 1989 immer schon eine offene Wunde darstellte, ungeahnte Ausmaße annimmt. Heute befindet sich der Lebensstandard vieler ArbeiterInnen unterhalb des Existenzminimums und die ganze kapitalistische politische Klasse ist verhasst bei den Menschen, weil sie unterdrückerisch regiert. Der Präsident, Traian Băsescu, Mitglied der „Liberal-demokratischen Partei“ (PDL), hat sogar den Schneid zu erklären, dass die BürgerInnen seines Landes „mehr arbeiten und mehr produzieren“ müssen, wenn sie unter menschlichen Bedingungen leben wollen. Seine Beliebtheit sinkt und sinkt – selbst in bürgerlichen Kreisen.

Gibt es keine linke Opposition zur PDL in Rumänien?

Im Prinzip nicht. Die einzige Partei, die bei den letzten Wahlen für eine „staatlich kontrollierte“ Alternative zum Kapitalismus in Rumänien eintrat, war die stalinistische, Ceauşescu-treue PAS („Partei der sozialistischen Allianz“), die rund 0,5 Prozent der Stimmen gewann. Die meisten Leute wissen nicht einmal, dass es diese Partei überhaupt gibt. Wenn man sich die größeren Parteien ansieht, so gibt es nur drei große Kräfte, die zusammen stets mehr als 80 Prozent der Stimmen einheimsen: die „Liberal-demokratische Partei“ (PDL), die „National-liberale Partei“ (PNL) und die Sozialdemokratische Partei (PSD). Während man die ersten beiden auf der politischen Skala etwa bei „mitte-rechts“ verorten kann, behauptet letztere von sich selbst, „mitte-links“ zu sein. Nichtsdestotrotz wurde sie von kapitalistischen Konterrevolutionären des Jahres 1989 gegründet, und sie ist die Partei, die Rumänien in den 1990er Jahren in Richtung Deindustrialisierung und Armut vorantrieb. Politisch gesehen gibt es keine demokratische Alternative für die ArbeiterInnen, die im Sinne ihrer Interessen und gegen die des Großkapitals und die kapitalistische Ausbeutung kämpfen würde.

Die großen Parteien und die korrupten Millionäre in Rumänien, die von der gegenwärtigen Krise nicht betroffen sind, priesen im Dezember 1989 die großen Ideale „Demokratie“ und „Freiheit“ an. Sie taten dies nur, um die Bevölkerung dafür zu nutzen, die Kontrolle über das Land zu erringen und ein kapitalistisches Regime aufzubauen, das ihnen Profite aus dem Raub des Staatsbesitzes sicherte. Sie wurden somit zu wichtigen Führungsfiguren des Big Business. Die Bevölkerung Rumäniens ist unterdessen mehr und mehr angewidert von all den Demagogen, die die politische Kaste des Landes ausmachen. Es gibt nicht einen unter ihnen – weder auf der politischen Linken, noch „Demokrat“ oder „Liberaler“, der in den letzten 20 Jahren etwas für dieses Land und seine Menschen getan hätte. Ihre Politik hat die Menschen in Rumänien zu Opfern der kapitalistischen Ausbeutung werden lassen, und sie „exportieren“ fröhlich weiter junge gut ausgebildete RumänInnen nach Westeuropa, weil diese den unwürdigen Lebensbedingungen in ihrem Land entkommen wollen.

Zahllose qualifizierte AuswanderInnen sind in den letzten Jahren über die Grenzen verschwunden. Ein großer Teil derer, die im Land bleiben, berginnt die stalinistische Ära als „Goldenes Zeitalter“ zu verklären – verglichen mit der kapitalistischen Epoche. Das liegt daran, dass der Stalinismus den RumänInnen in der Tat eine Grundversorgung für das tägliche Leben sichern konnte, trotz der diktatorischen politischen Struktur, die nichts mit wirklichem Sozialismus zu tun hatte. In der stalinistischen Ära haben die RumänInnen eine breit greifende Industrialisierung erlebt und den Bau Tausender Wohnblocks jedes Jahr. Jetzt erleben wir praktisch das Gegenteil: Ein Prozent der Bevölkerung fährt Ferrari und besitzt Grundeigentum, gekauft vom Geld der Bevölkerung oder dem Geld aus der Zerlegung der Schwerindustrie.

Warum ist es in Rumänien nicht zu Widerstand wie etwa in Griechenland oder Portugal gekommen?

Wir haben keine breite und nachhaltige Bewegung gegen die Verwüstung des Landes in Rumänien. Man kann nicht von einem Massenbewusstsein darüber sprechen, dass echter, weil demokratischer, Sozialismus oder „Kommunismus“ nötige Ziele sind. Die Hauptgründe dafür sind diese:

Es gibt keine kämpferische Führung in den Gewerkschaften und keine politischen Parteien der Arbeiterklasse, die für einen echten Kampf eintreten würden. Wenn man über Kommunismus und/oder Sozialismus spricht, dann denken die meisten Menschen an den Stalinismus. Das liegt in erster Linie an der Propaganda im Kalten Krieg. Natürlich will niemand zurück in eine Diktatur, in der die meisten im Land hergestellten Waren in andere Länder exportiert wurden und die Menschen von Kürzungen und Lohnsenkungen betroffen waren. Das gilt, obwohl – allgemein gesprochen und laut Statistiken – viele meinen, dass die stalinistische Ära mit ihrer geplanten Wirtschaft eine bessere Phase darstellte als die, in der sich das Land heute befindet. Die kapitalistische Konterrevolution von 1989 ging mit hunderten Toten und etlichen Verletzten und anders Geschädigten zu Ende. Heute wären nicht Viele dazu bereit, eine ähnlich heftige Konfrontation mit einem Regime einzugehen, das bewaffnet, repressiv und brutal ist, ohne Garantie auf ein besseres Leben danach. Das macht es umso notwendiger zu erklären, dass es eine Alternative gibt: den internationalen Kampf für Sozialismus.

Ist Rumänien bereit für eine echte Revolution?

Die Chancen für einen mächtigen Gegenschlag seitens der ArbeiterInnen werden stetig größer. Sie nehmen proportional zu den von der Regierung umgesetzten brutalen Spar- und Kürzungsmaßnahmen zu. In Rumänien konnten wir bis vor kurzem eine Phase der Geduldsamkeit auf Seiten der Arbeiterklasse beobachten. Dies war sowohl der Tatsache geschuldet, dass die Angst vor neuen Bürgerkriegen vorhanden war. Es lag aber auch daran, dass es lange Zeit eine wache Erinnerung an die Unterdrückung im Stalinismus gab. Unter den jetzigen Bedingungen wird diese Geduldsamkeit jedoch auf eine mächtige Probe gestellt. Hätte es unter den Massen ein Bewusstsein dafür gegeben, was „Kommunismus“ in Wirklichkeit bedeutet und wie ein grundlegend demokratischer Arbeiterstaat, der auf echter Demokratie und Arbeiterkontrolle basiert, mit einer demokratisch geplanten Wirtschaft ausstaffiert ist – alles in allem: Wie das exakte Gegenteil von dem aussieht, was das durch den Bürokratismus erwürgte stalinistische System immer war, dann wäre eine echte Revolution in Reichweite, mit der das Herunterwirtschaften und die Angriffe der kapitalistischen Elite beendet würden. Sie müsste Teil eines internationalen Kampfes für eine sozialistische Alternative sein. Heute besteht die entscheidende Aufgabe darin, in Rumänien für die Ideen des wirklichen Sozialismus und Marxismus zu werben und Unterstützung dafür aufzubauen.

Der Wind der Revolution nimmt immer dann an Stärke zu, wenn die kapitalistische Maschinerie an Wucht zulegt, um auf Kosten der Bevölkerungsmehrheit mehr Profite herauszuschlagen. Und dieser Wind wird in absehbarer Zukunft zu einem Sturm anwachsen, der das ganze System umstoßen und auf den Müllhaufen der Geschichte befördern wird. Die RumänInnen werden sich in zunehmendem Maße über das Desaster bewusst, zu dem die Abschaffung der Planwirtschaft und die Einführung des „freien Marktes“ geführt haben. Zudem wird man sich immer klarer über den Charakter dieses tyrannischen Regimes, das uns regiert und sich selbst „Demokratie“ nennt. Die momentane Krise und die Kämpfe, die sich in zunehmendem Maße entwickeln werden, werden dazu führen, dass ArbeiterInnen auch in zunehmendem Maße verstehen, dass wir es hierbei nicht mit einer Demokratie zu tun haben. Wir müssen deutlich machen, was Demokratie wirklich bedeutet und dass die Freiheit und die Selbstbestimmung der Menschen nur in einer demokratischen und wirklich kommunistischen Gesellschaft erreicht werden können. In diesen durch Tumult und Aufruhr gekennzeichneten Tagen werden vor unseren Augen sämtliche Fehlleistungen des Kapitalismus aufgedeckt, und das ist ein Zeichen dafür, dass die Phase der entscheidenden Auseinandersetzung bald beginnen wird.

ArbeiterInnen aller Länder, vereinigt euch!