Aktionswoche und Generalstreik legen öffentliches Leben in Griechenland lahm

Dritte Kürzungsoffensive der griechischen PASOK-Regierung provoziert erneut Aufstände.


 

von Andreas Payiatsos, Xekinima (griechische Schwesterorganisation der SAV)

Am Mittwoch, den 15. Dezember wurde Griechenland von einem der größten Generalstreiks der letzten Jahre erschüttert. In dem Land, das mit einer dritten Kürzungsoffensive von der sozialdemokratischen PASOK-Regierung, der Europäischen Union (EU) und dem Internationalen Währungsfond (IWF) konfrontiert ist, ging – abgesehen vielleicht von den öffentlichen Verkehrsmitteln, die streikenden ArbeiterInnen zu Demonstrationen in der Athener Innenstadt brachten – an diesem Tag nichts mehr.

Dem Streikaufruf folgten 100 Prozent der Beschäftigten in den Docks und Häfen, der Stahlindustrie, bei Coca-Cola und anderen Betrieben, zu 90 Prozent im Energiesektor, bei der Telekom, der Post, den Wasserwerken und im Bankgewerbe.

Die Bahn (mit Ausnahme der Athener Metro) kam zu einem völligen Stillstand, alle Flüge des Tages wurden gestrichen und es war nirgendwo eine Fähre finden, die den Hafen verlassen wollte. Alle Bereiche aufzuzählen, die bestreikt wurden, würde hier den Rahmen sprengen. Es genügt zu erwähnen, dass sogar RichterInnen den Streik unterstützten und im Justizwesen die KollegInnen zu der Protesten aufriefen. TaxifahrerInnen ließen ihre Autos stehen, ZahnärztInnen schlossen ihre Privatpraxen und auch ChemikerInnen rührten an diesem Tag keinen Finger.

Trotz starken Regens und dem kalten Wetter demonstrierten knapp 100.000 Menschen in Athen, weitere zehntausende in anderen Städten.

Eine Woche lang Streiks

Der Generalstreik kam inmitten einer Zeit entschlossenen, sich zuspitzenden Klassenkämpfen, die ihren Höhepunkt in dieser Woche gefunden hatten. Die letzten Tage brachten das griechischen gesellschaftliche Leben zum Erliegen. Die Beschäftigten des öffentlichen Transportwesen streikten fast die ganze Woche hindurch. EisenbahnerInnen übernahmen die Hauptgeschäftsstelle der Bahnbehörden und die Bahngewerkschaft (in der bisher eine PASOK-Fraktion das Sagen hatte) distanzierte sich öffentlich von der PASOK-Regierung und allen Anderen, die diese Politik unterstützen. Das zeigt auf, welche Spaltungen in den PASOK-Gewerkschaften existieren, auch wenn diese Entwicklung noch immer weit davon entfernt ist, konkretere Formen anzunehmen.

Längere Arbeitsniederlegungen gab es auch in den Banken des Landes. Die ÄrztInnen des öffentlichen Gesundheitswesen schlossen sich die ganze Woche hindurch den Streiks an. In Athen häuften sich Berge von Müll weil auch die Müllabfuhr sich der Bewegung anschloss.

Auch im Bildungsbereich gärt es, viele Universitäten sind besetzt. Während eine landesweite Konferenz der Universitätsleitungen ihre Ablehnung gegenüber den "Bildungsreformen" des Wissenschaftsministeriums erklärte, versammelten sich ProfessorInnen und linke Studierende um – das erste Mal in der Geschichte – gemeinsame Bildungsproteste zu koordinieren.

Ebenso befinden sich die großen Medienagenturen im Aufruhr, denn auch dieser Bereich ist von der wichtigsten Streikbewegung seit 30 Jahren erfasst. Nicht nur waren am Mittwoch, den 15. Dezember JournalistInnen und andere Beschäftigte des Bereichs im Ausstand, sondern auch am Freitag und Samstag. Somit sollte dann auch das Allerheiligste der großen Medienmogule bestreikt werden – die Sonntagszeitung.

Dritte Welle der Sparmaßnahmen

Hintergrund des massiven Widerstands ist die dritte Phase der Kürzungsorgien der griechischen Regierung, der EU und dem IWF, die diese seit dem letzten Mai begann, als das Memorandum dieser "Triade" stattfand. Die Angriffe fingen an mit einem Kahlschlagsprogramm im öffentlichen Dienst, was für die Beschäftigten in den letzten eine Verschlechterung des Lebensstandards von 20 bis 30 Prozent bedeutete. Diese Sparmaßnahmen wirken sich jetzt auf die Privatwirtschaft aus und werden gefolgt mit einer Auflösung von Tarifverhandlungen und einem zunehmenden Privatisierungswahn, der weiteren Lohnabbau auslösen wird.

Die de facto Abschaffung von Tarifverhandlungen wird die gesamte Arbeiterklasse Griechenlands in allen Bereichen treffen. Tarife, die entweder von Einzelgewerkschaften oder dem Dachverband der griechischen Gewerkschaften ausgehandelt wurden – also allen Gewerkschaften des Landes – werden für die Konzernchefs nicht mehr bindend sein. Damit werden die Unternehmen das Recht haben das bisher geltende Tarifrecht zu umgehen und nur noch persönliche Verträge mit den ArbeiterInnen zu schließen.

Große Wut

Der Zorn gegen diese neuen Kahlschlag ist enorm. Das drückt sich auch in Interviews des staatlichen Fernsehen aus, das Leute auf der Straße zu zur aktuellen politische Situation befragt hatte, die in den schlimmsten Tönen über diese "300 Lügner und Diebe" wetterten (gemeint sind die 300 Mitglieder des griechischen Parlaments). Vermutlich ist es gar nicht möglich, Menschen zu finden, die dem politischen Establishment noch positiv gegenüberstehen.

Hochrangigen VertreterInnen der PASOK-Regierung und der PASOK-Parteiführung ist es nicht mehr möglich über die Straßen der größeren Städte laufen oder sich in eine der vielen traditionellen Tavernen ihrer Wahlkreise setzen. Nicht nur dass sie Gefahr laufen, angeschrieen oder bespuckt zu werden – einmal erkannt, werden diese PolitikerInnen sofort körperlich angegriffen. Als am Mittwoch eine Mitglied der Führung der rechten Oppositionspartei, Nea Dimokratia (ND), der in der vorhergehenden Regierung von 2004-2009 saß, den Fehler beging und das Parlamentsgebäude verließ um in ein Luxusrestaurant einzukehren, wurde er von ArbeiterInnen sofort als Dieb beschimpft und zusammengeschlagen. Dieser ND-Abgeordnete wurde letztenendes nur deswegen nicht schwer verletzt, weil besonnenere DemonstrantInnen die AngreiferInnen beruhigen konnten, um damit Schaden von der Bewegung abzuwenden.

Die Bewegung wird von der Führung gebremst

Das Potential für eine breite Massenbewegung, die die Kürzungen der PASOK stoppen und die Regierung des Premierminister Giorgos Papandreou zu Fall bringen kann, ist offensichtlich. Was fehlt ist eine politische Führung, die die sozialen Kämpfe weiterbringen kann.

Der Generalstreik wurde von der landesweiten Gewerkschaftsführung als rein symbolische Aktion vorbereitet, nicht mit dem Ziel, die Politik der PASOK zu kippen. Ziel war es nur Dampf abzulassen, die Regierung "einzuschüchtern" und zu einigen Zugeständnissen zu bewegen.