“Es kommen riesige Klassenkonflikte.”

Über die Krise in Irland und die Gründung des neuen Linksbündnisses. Ein Interview mit Kevin McLoughlin.


 

Kevin McLoughlin ist nationaler Geschäftsführer der Socialist Party in Irland und Koordinator der ‘Vereinten Linksallianz’ (United Left Alliance – ULA)

Was steckt hinter dem so genannten Rettungsprogramm für Irland und wird es funktionieren?

Der unmittelbare Grund war die Rettung von Schlüsselbanken in den wichtigsten EU-Staaten einschließlich Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Es ging aber auch darum die Situation von Portugal und Spanien auf den Finanzmärkten zu beruhigen und damit der Instabilität des Euro entgegen zu wirken.

Angela Merkels Bemerkung, dass auch private Anleger für einen Teil der Verluste, die aus der Banken- und Schuldenkrise entstanden sind, übernehmen sollen, provozierte eine Reaktion der “Märkte”, die ein Rettungspaket erzwangen, damit sie ausgezahlt werden. Die EU hat sich dem Diktat der Märkte gebeugt.

Die irischen Banken, die faktisch insolvent und von den internationalen Geldmärkten ausgeschlossen sind, standen kurz vor einen neuen Crash, der wiederum sofort die europäischen Gläubigerbanken und auch die Europäische Zentralbank, die ihnen in der letzten Zeit 90 Milliarden Euro gegeben hatten, getroffen hätte.

Wirklich funktioniert hat das Rettungspaket bisher nicht, der Euro und auch Portugal und Spanien sind weiterhin sehr instabil. Kurz- und mittelfristig gibt es keinen Motor, der die irische Wirtschaft wieder ins Laufen bringen könnte. Das vom Parlament beschlossene Sparprogramm wird außerdem die Krise verschärfen. Das Rettungspaket hat also keine Verbesserung der Situation in Irland zur Folge, sondern wird die Schuldenkrise nur verschärfen und eine Zahlungsunfähigkeit ist unausweichlich.

Das Sparpaket ist massiv. Was wird es für die arbeitende Bevölkerung und die Jugend in Irland bedeuten?

Der am 7. Dezember beschlossene Haushalt beinhaltet Kürzungen von sechs Milliarden Euro, weitere neun Milliarden Euro sollen in den nächsten drei Jahren folgen. Bis 2017 will die Regierung die Staatsausgaben um fast 50 Prozent im Vergleich zum Jahr 2007 gekürzt haben!

Und das obwohl Irland schon jetzt in einer schlechteren Ausgangssituation hinsichtlich öffentlicher Dienstleistungen im Vergleich zu anderen Staaten der Eurozone ist. Die Kürzungen werden katastrophale Auswirkungen auf das Leben der Bevölkerung haben. Irland würde zur wirtschaftlichen Einöde werden, die Erwerbslosigkeit würde auf weit über zwanzig Prozent steigen. Die Masse der Jugend hat nur noch zwei Alternativen: auswandern oder kämpfen.

Wie sieht die Reaktion in der Arbeiterklasse bisher aus? Es gab ja eine erste große Demonstration. Werden wir in Irland eine Revolte sehen, wie es sie in Griechenland gab?

Am 27. November demonstrierten in Dublin 70.000 gegen den von der EU und IWF aufgezwungenen Sparplan. Wenn es nicht eiskalt gewesen wäre und gehagelt hätte, weswegen viele Leute nicht zur Demonstration anreisen konnten, wäre die Demo noch viel größer geworden.

Die Stimmung und das Bewusstsein der Teilnehmer war bedeutend. Obwohl es natürlich einen Wunsch nach Einheit gibt, hat ein großer Teil der Demonstranten die Gewerkschaftsführer ausgepfiffen, weil diese untätig waren. Immer wieder wurden diese mit Sprechchören “haut ab!” konfrontiert.

Die Socialist Party hat mehr als 500 Exemplare ihrer Zeitung ‘The Socialist’ verkaufen können und 5.000 Menschen nahmen an der alternativen Kundgebung teil, die stattfand nachdem die Gewerkschaftsführer die Straße wieder verlassen hatten. Unsere Forderung nach einem eintägigen Generalstreik erhielt eine enthusiastische Unterstützung bei dieser Kundgebung.

Da die Gewerkschaftsführung keine Strategie für den Widerstand anbietet und es im Februar sehr wahrscheinlich zu Neuwahlen kommen wird, ist zu erwarten, dass die erste Reaktion der Bevölkerung auf das Kürzungsprogramm darin bestehen wird, die aus der bürgerlichen Fianna Fail und den Grünen bestehende Regierung bei den Wahlen abzustrafen. Aber Widerstand gegen die Kürzungen wird unausweichlich kommen und wir werden in den nächsten Monaten und Jahren riesige Klassenkonflikte erleben.

Wie wird die Linke auf die vorgezogenen Neuwahlen reagieren?

Vor einigen Monaten haben wir von der Socialist Party eine Diskussion über eine gemeinsame Kandidatur linker und sozialistischer Kräfte angestoßen. Am 29. November wurde die ‘Vereinte Linksallianz’ (ULA – United Left Alliance) auf einer überfüllten Veranstaltung mit 400 Menschen, wieder bei katastrophalem Wetter, gegründet.

Die Vereinte Linksallianz besteht aus der Socialist Party, dem Bündnis ‘Menschen vor Profite’ und der Arbeiter- und Arbeitslosen-Aktionsgruppe in Tipperary. Die ULA hat jetzt schon viel Interesse geweckt und wird sehr wahrscheinlich in mehr als der Hälfte der 42 Wahlkreise in Irland KandidatInnen und Kandidaten aufstellen.

Wir werden in den nächsten Wochen sehen, wie sich die ULA entwickeln wird, aber wir sind sicher, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für diese Initiative ist. Die ULA wird alle Formen von Sparpolitik und Kürzungen ablehnen, spricht sich für eine Nichtzahlung der Schulden an die Profiteure der Jahre des Aufschwungs und der Gläubiger aus, fordert die Verstaatlichung der Banken und ein Investitionsprogramm in den Bereichen Infrastruktur und Soziales, um die Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen und hunderttausende Arbeitsplätze zu schaffen. Die ULA fordert auch das demokratische, öffentliche Eigentum am Reichtum und den Ressourcen des Landes.

Zur Zeit gibt es im irischen Parlament keinen linken oder sozialistischen Abgeordneten. Nur ins Europaparlament ist mit Joe Higgins ein Mitglied der Socialist Party gewählt worden. Die ULA hat jetzt die Chance eine Gruppe von Abgeordneten zu bekommen und angesichts der Krise und der Aussicht darauf, dass die Labour Party in der nächsten Regierung vertreten sein wird, kann sie zu einem starken Attraktionspol zur Mobilisierung des Widerstands und zur Schaffung einer neuen Partei, die wirklich die Interessen der Arbeiterklasse vertritt. Das könnte schon in der nahen Zukunft große Auswirkungen auf die irische Gesellschaft haben.

Was sind die Forderungen der Socialist Party?

Zusätzlich zu den Forderungen der ULA sagen wir, dass die Abhängigkeit von den Märkten für Investitionen und Arbeitsplätze beendet werden muss. Die Investitionen sind um 50 Prozent zurück gegangen. Bevor die Bosse wieder ernsthaft in die irische Wirtschaft investieren werden, werden ganze Generationen in der Arbeitslosigkeit verkümmern.

Wir müssen das kapitalistische Eigentum an dem Reichtum und den Ressourcen der Gesellschaft abschaffen und brauchen eine sozialistische Politik, die die Wirtschaft nach den Bedürfnissen der Menschen statt nach den Profiterwartungen demokratisch plant. Die Finanzmärkte, Banken etc. müssen in demokratisches öffentliches Eigentum überführt werden, aber das bedarf der vereinten internationalen Aktion der Arbeiterklasse.

Wir treten ein für die koordinierte Aktion aller Arbeiter in ganz Europa gegen die Kürzungspolitik der EU und für eine sozialistische Föderation der europäischen Staaten. Das ist der einzige Ausweg aus dem Desaster.

Das Gespräch führte Sascha Stanicic.