Ein „wilder Streik“ der spanischen Fluglotsen wird durch das Militär gebrochen.
Am Wochenende hat die Regierung Zapatero Geschichte geschrieben. Zum ersten mal seit dem Ende der Franco-Diktatur hat sie Militär eingesetzt um das Ende eines Arbeitskampfs zu erzwingen. Damit wird ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen, der eine Warnung an die Arbeiterbewegung, über die Grenzen Spaniens hinaus, darstellt.
von Torsten Sting, Rostock
Wer die bürgerlichen Medien und deren Berichterstattung verfolgte, hatte Schwierigkeiten zu erfahren, was überhaupt der Auslöser der Fluglotsen-Aktion war. Im Vordergrund stand das Bestreben, den Streik zu diskreditieren und die Akteure als Privilegierte zu brandmarken. Die „Tagesschau“ zeigte Bilder von aufgebrachten Menschen, die gerade erst erfahren hatten, dass sie infolge des Streiks nicht in den Urlaub fliegen konnten. Die FAZ warf den spanischen KollegInnen vor „ein Land als Geisel“ zu nehmen.
Hintergrund des Streiks
Spanien befindet sich seit zwei Jahren in einer tiefen Krise. Der Immobilienboom endete in Überkapazitäten und viele Baufirmen gingen pleite. Die Arbeitslosigkeit stieg rasant auf etwa 20 Prozent, Jugendliche sind überproportional betroffen. Im Zuge der Euro-Krise kommt auch das iberische Land immer mehr unter Druck der Finanzmärkte. Vor diesem Hintergrund, versucht derzeit die von den Sozialdemokraten geführte Regierung drastische Sozialkürzungen und Privatisierungen durchzusetzen. Im Herbst wurde ein Bündel von Maßnahmen verabschiedet, welches der Dimension der Agenda 2010 in Deutschland nahe kommt. Das spanische Kapital will den Durchbruch. Von Lohnkürzungen für Beamte über Lockerung des Kündigungsschutzes bis hin zu Privatisierung der Flughäfen Madrid und Barcelona. Zudem sollen Massensteuern angehoben werden. Auf der anderen Seite gibt es Steuererleichterungen für die Kapitalisten. Auf Druck der Basis riefen die Gewerkschaften Ende September zum Generalstreik auf, der von über zehn Millionen Beschäftigten befolgt wurde. Ähnlich wie in Deutschland, war es aber seitens der Führung nicht das Ziel, die Politik der Regierung zu stoppen oder diese gar zu Fall zu bringen. Der Ausstand sollte nur Dampf ablassen und brachte deshalb auch die Regierung nicht in Bedrängnis.
Auslöser
Die Regierung verfügte im Rahmen ihres Sozialkahlschlags, die Kürzung der Gehälter der Lotsen von 350.000 Euro im Jahr auf 200.000 Euro. Als dann noch die Arbeitszeit verlängert werden sollte, war bei den KollegInnen das Maß voll. Nachdem sich die Gewerkschaftsführung geweigert hatte, Kampfmaßnahmen zu ergreifen ging der Großteil der Spätschicht am Freitag zum Arzt und lies sich krank schreiben. Die Folge waren Chaos an den spanischen Flughäfen und wütende Urlauber.
Militäreinsatz
Die Regierung Zapatero verfügte den Alarmzustand, als erste Stufe des Notstands. Dieser wird im Regelfall nur bei Naturkatastrophen oder Terroranschlägen verhängt. Mit dieser Maßnahme wurden die Fluglotsen an ihren Arbeitsplatz gezwungen und der Luftwaffe unterstellt. Zuwiderhandlungen hätten zur Folge gehabt, dass die Beschäftigten vor ein Militärgericht gestellt und zu Haftstrafen verurteilt worden wären.
Gefahren
Mit diesem Vorgehen zeigt die spanische Spitze, dass sie fest entschlossen ist, ihren Kurs durchzusetzen. Dabei kommen Einsätze der staatlichen Repressionsorgane europaweit immer mehr in „Mode“. Im Frühjahr zerschlug die Armee einen Arbeitskampf der Lastwagenfahrer in Griechenland. Im Zuge der großen Streikbewegung in Frankreich wurde mittels der Polizei die Blockade der Raffinerien beendet. Über viele Jahre waren solche Vorgänge in Westeuropa undenkbar. Die tiefe Krise des Kapitalismus zwingt die herrschende Klasse in immer mehr Ländern zu brutalen Kürzungen um ihre Profitinteressen zu wahren. Um den größer werdenden Widerstand brechen zu können, werden auch grundlegende demokratische Freiheiten, wie etwa das Streikrecht angegriffen.
Konsequenzen
Die Kapitalisten haben dann leichtes Spiel, wenn es ihnen gelingt, eine Gruppe der Beschäftigten zu isolieren. Die Fluglotsen sind in vielen Ländern ein besonders gut organisierter und selbstbewusster Teil der Lohnabhängigen. Und das aus gutem Grund: Sie sind hoch qualifiziert und sind an einer sensiblen Stelle der Wirtschaft angesiedelt. Wenige Hundert von ihnen können – wie am Wochenende in Spanien geschehen – den Flugverkehr eines ganzen Landes lahm legen. Aufgrund ihres – im Verhältnis zu den Durchschnittsverdienern – hohen Gehaltes, können sie als Privilegierte dargestellt werden. Es wurde schon früher praktiziert, dass bei den besser gestellten Schichten der Arbeitnehmer der Lohnabbau begann und dann auf den Rest ausgeweitet wurde. Einer nach dem anderen, um gemeinsamen Widerstand zu verhindern. Die kollektive Krankmeldung als Mittel des Streiks, war von den Lotsen eine Art Verzweiflungstat um die deutlichen Einbußen noch zu verhindern. Sie steht im Zusammenhang mit dem Unwillen der Gewerkschaftsbürokratie ernsthaft gegen die Regierung und ihre reichen Hintermänner zu kämpfen. Aufgabe von linken Gewerkschaftern sollte es daher in solchen Kämpfen sein, Argumente gegen die Spaltung zu liefern und Druck von unten zu organisieren, um einen gemeinsamen Kampf von möglichst Vielen zu ermöglichen. Dann gibt es die Chance, Vorurteile zwischen den KollegInnen zu überwinden und zusammen erfolgreich gegen die wirklich Privilegierten zu kämpfen.