Beschäftigte bleiben auf der Strecke
Daimler-Chef Dieter Zetsche freut sich seit Mitte des Jahres über gewaltige Absatz- und Gewinnsteigerungen. Gute Nachrichten – für die Großaktionäre und Manager. Die Daimler-Beschäftigten sind weltweit mit mehr Flexibilität und Lohndrückerei konfrontiert.
von Angelika Teweleit, Berlin
Auf einem Treffen der Daimler-Koordination Ende Oktober, bei dem kritische IG-Metall-KollegInnen aus den Werken Untertürkheim, Hamburg, Berlin, Rastatt, Mannheim anwesend waren, wurde berichtet, dass die Werksleitungen weiterhin von Personalüberhang sprechen. Gleichzeitig werden KollegInnen angehalten, zusätzliche Sonderschichten an Wochenenden zu fahren. Außerdem soll dank der Allianz mit Renault durch „Synergieeffekte“ besonders in Planung und Verwaltung gespart werden.
Bis März 2011 läuft ein weiteres Abfindungsprogramm. Der Anteil der Festbeschäftigten soll verringert werden. Deswegen hat Daimler mit dem Gesamtbetriebsrat vereinbart, die Zahl der LeiharbeiterInnen in Zukunft erhöhen zu können.
Betriebsverlagerungen
Im Zuge des Konkurrenzkampfs versucht Daimler, sich strategisch die so genannten „neuen Märkte“ zu erschließen. Die Verlagerungspläne haben eine neue Dimension: „Daimler hat in China ein Gelände gekauft, das so groß ist wie das in Sindelfingen.“ So der IG-Metall-Betriebsrat Michael Claus von der „Alternative“ in Untertürkheim. In wenigen Jahren soll ein Großteil der Motoren und Aggregate in China produziert werden. Die Verlagerung der C-Klasse weg von Sindelfingen war nur ein Vorbote.
Standortkonkurrenz
Während dessen halten Gesamtbetriebsrat und IGM-Spitze an ihrer Politik des Co-Managements fest. Sie ordnen sich der Standortlogik unter und verkaufen so jede Verschlechterung als notwendiges Zugeständnis zur Sicherung der Arbeitsplätze. Das ist jedoch völlig widersinnig. Wie soll die Zustimmung zu Sonderschichten und Betriebsvereinbarungen – in denen auch noch (wie in Berlin und Rastatt) der Samstag zum Regelarbeitstag gemacht wird – Arbeitsplätze sichern? Im Gegenteil. Es hilft dem Daimler-Konzern, über eine maximale Auslastung der Maschinen weitere Stellen einzusparen. Auch jeder Wegfall von Pausen, jede Taktzeitverkürzung dient der Leistungsverdichtung und damit dem Stellenabbau.
Keine Überkapazitäten mehr?
Absatzsteigerungen und „neue Märkte“ können den Eindruck erwecken, das Problem der Überkapazitäten sei Vergangenheit. Diese wurden in der Krise jedoch kaum abgebaut. Die Kürzungsprogramme der Regierungen in Europa verringern die Massenkaufkraft, was zu einem weiteren Absatzrückgang bei den kleinen und mittleren Pkw führen wird. Dazu kommt, dass der Aufschwung in China wegen der Abhängigkeit vom globalen Markt gefährdet ist.
Neue Techonologien als Rettung?
Häufig wird der Eindruck vermittelt, als könnten die einzelnen Autounternehmen überleben, wenn sie auf Elektro- und Hybridantrieb umstellen. Doch Stefan Bratzel (Leiter des Center of Automotive an der Fachhochschule in Bergisch Gladbach) schätzt, dass „bis 2020 die konventionellen Motoren das Rückgrat der Umsätze bleiben“. Wenn Daimler die Produktion des E-Motors im Berliner Werk als großen Fortschritt feiert, geht es vor allem um das Image. Für das Berliner Werk bringt der E-Motor ganze 50 Arbeitsplätze. Ökologisch ist das Elektroauto ebenfalls keine Alternative, denn die CO2-Emissionen werden wegen dem erhöhten Strombedarf nicht geringer.
Alternative zum Co-Management
Der Standortlogik der IG-Metall-Oberen muss eine kämpferische, auf internationaler Solidarität basierende Gewerkschaftspolitik entgegengesetzt werden. Es gilt, die Verzichtspolitik, die für alle ArbeiterInnen nur die Spirale nach unten beschleunigt, zu beenden. Notwendig ist es, Sonderschichten und den vermehrten Einsatz von Leiharbeit abzulehnen und stattdessen Neueinstellungen zu fordern.
Ende 2011 läuft der „Zukunftssicherungsvertrag“ aus, mit dem Daimler 2004 durch die Zustimmung des Gesamtbetriebsrats der Belegschaft immense Zugeständnisse abgerungen hat. Jetzt sollten Forderungen entwickelt werden, um weitere Verzichtsvereinbarungen zu blockieren.
Darüber hinaus ist ein Programm zum Erhalt aller und der Schaffung neuer Arbeitsplätze nötig. Dazu gehört die Umstellung der Autoproduktion auf gesellschaftlich und ökologisch sinnvolle Produkte. In den Händen der Bosse, die nur auf den Profit schielen, wird das jedoch nicht umsetzbar sein. Deshalb ist es unausweichlich, die Forderung nach Überführung der großen Autokonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung offensiv in die Diskussion zu bringen.