ArbeiterInnen kämpfen um Verstaatlichung der Schlüsselindustrien
Am 13. März 1920 schwingt sich der Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp gestützt auf einflussreiche Militärs wie Lüttwitz und Ludendorf zum Diktator auf. Das ist ein erster Versuch der reaktionären Kräfte im Deutschland nach der Novemberrevolution, den revolutionären Prozess nicht nur zu stoppen, sondern offensiv gegen die Arbeiterbewegung und die Errungenschaften der Revolution vorzugehen. Auf diesen ersten, noch nicht voll entschlossenen Versuch der Konterrevolution erfolgt die geballte Antwort der Arbeiterklasse, die große Teile der Mittelschichten bis hinein in den Staatsapparat mit reißt. Eine weitere Radikalisierung der ArbeiterInnen findet statt. Diese äußert sich in der Zusammenarbeit der ArbeiterInnen von Mehrheitssozialdemokraten, Unabhängigen bis zu spartakistisch orientierten in einem gewaltigen, deutschlandweiten, tagelangen Generalstreik und vielerorts neuen Anläufen, Räte zu bilden.
Von Stephan Kimmerle
Auch heute stellt sich die Frage: Wie können Faschismus und Reaktion geschlagen werden? Wie war ein Sieg des Hitler-Faschismus möglich? Die Ereignisse um den Kapp-Putsch zeigen, wie Massen-Widerstand gegen die Konterrevolution erfolgreich sein kann – und welche Schwächen schon 1920 vorhanden waren.
Für die KPD – und die um vieles größere USPD, die aber von der KPD entscheidend beeinflusst wurde – setzt der Kapp-Putsch Fragen von Strategie und Taktik auf die Tagesordnung: Was tun angesichts des reaktionären Putsches – etwas die verhasste Ebert-Noske-Regierung, die Mörder von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, verteidigen? Wie kann eine Mehrheit der Arbeiterklasse für eine sozialistische Umwälzung gewonnen werden?
Heute stehen erneut Generalstreiks in Europa auf der Tagesordnung – bisher zum Beispiel in Griechenland, Spanien und Portugal. Einerseits steigert die Tiefe der Krise des Kapitalismus die aufgestaute Wut von ArbeiterInnen und Jugendlichen, die wenig Ausdruck findet. Andererseits fehlen sozialistische Massenorganisationen und -parteien und das Bewusstsein der Arbeiterklasse ist noch in keiner Weise mit dem der 1920er Jahre zu vergleichen. Daraus ergibt sich eine explosive Situation, die gewaltige Bewegungen – inklusive Generalstreiks – auf die Tagesordnung setzen, die aber auch drohen, zu verpuffen.
Anhand des größten Generalstreik in der deutschen Geschichte kann die innere Dynamik eines unbefristeten Generalstreiks sichtbar werden: Er beginnt als politischer Streik gegen den Putsch. Er tritt eine Welle lokaler Streiks und Generalstreiks los. Neben der allgemeinen politischen Seite des Kampfes rückt die Forderung der „Sozialisierung“ (Verstaatlichung) der Schlüsselindustrien in den Mittelpunkt. Der allgemeine Ausstand setzt die Frage auf die Tagesordnung: Wer hat die Macht in der Gesellschaft und ist in der Lage sie auch zu übernehmen?
Bürgerkrieg in Deutschland
Die Ereignisse um den Kapp-Putsch sind Teil der Phase von Revolution und Konterrevolution, die im November 1918 begann. Immer wieder bis 1923 versucht die Arbeiterklasse unmittelbar die Macht des Kapitals zu brechen und eine sozialistische Demokratie zu erreichen.
Schon am 9. November 1918 beherrschen nach vier Jahren Weltkrieg, Hunger und Elend bewaffnete Arbeiter, rebellierende Matrosen und Soldaten die Straßen. Karl Liebknecht ruft die sozialistische Republik Deutschland aus. Ein grandioser Auftakt, der von dem Willen einer Mehrheit zeugt, endlich Schluss zu machen mit Krieg, Ausbeutung und Kapitalismus. Doch vieles bleibt völlig unangetastet: Die „revolutionäre“ Regierung Eberts ist eher ein neues Aushängeschild des komplett intakt gebliebenen kapitalistischen Staatsapparats. Die Ministerien mit ihrem kaiserlichen Beamtenapparat werden von neuen Minister geleitet – oder umgekehrt. Die Reichswehr rettet mit Ach und Krach ihre alten Offiziere über die Proteste der meuternden Soldaten.
Dazu kommt eine zweite, in diesen Stunden noch wichtigere Bastion gegen die Revolution: Die Führung der Arbeiterbewegung liegt in den Händen der Mehrheits-Sozialdemokratie und der mit ihr verbundenen Gewerkschaftsapparate. An der Spitze: Der neue Reichskanzler Ebert, der nach eigenem Bekunden die Revolution hasst, wie die Sünde. Noch unterstützen ArbeiterInnen massenhaft die (M)SPD, auch wenn die Zweifel wachsen. Die für Beschäftigte und Arbeitslose katastrophale Politik der (M)SPD-Führung drückt die ArbeiterInnen nach links, ohne dass diese schon offen mit ihrer alten Partei und Führung gebrochen hätten. Einerseits versuchen diese ArbeiterInnen noch, die SPD als Instrument zur Durchsetzung ihrer Forderungen zu benutzen. Andererseits agiert die Führung mehr und mehr offen auf Seiten der Konterrevolution. Das charakterisiert zu diesem Zeitpunkt die Sozialdemokratie im Gegensatz zur heutigen SPD, einer rein die kapitalistischen Verhältnisse unterstützenden Partei, die von ArbeiterInnen nicht mehr als Werkzeug zur Durchsetzung ihrer Klasseninteressen aktiv genutzt wird.
Leo Trotzki, neben Lenin der Führer der russischen Revolution, beschrieb die Aufgaben der Arbeiterklasse in Deutschland in der Prawda am 23. April 1919 so: „Die russische Arbeiterklasse, die die Oktoberrevolution vollbrachte, bekam von der vorherigen Epoche ein unbezahlbares Erbe in Gestalt einer zentralisierten revolutionären Partei. […] Die Geschichte gab der deutschen Arbeiterklasse nichts derart. Sie ist gezwungen, nicht nur um die Macht zu kämpfen, sondern mitten im Verlauf des Kampfes ihre Organisation zu schaffen und künftige FührerInnen zu schulen. Es stimmt, dass unter den Bedingungen der revolutionären Epoche diese Schulungsarbeit in fieberhaftem Tempo abläuft, aber trotzdem braucht ihre Vollendung Zeit. Beim Fehlen einer zentralisierten revolutionären Partei mit einer Kampfführung, deren Autorität von den Arbeitermassen allgemein anerkannt wird; beim Fehlen eines führenden Kampfkerns und von Führern, die in den verschiedenen Zentren und Regionen der proletarischen Bewegung in der Aktion erprobt und durch die Erfahrung getestet sind, bekam diese Bewegung, nachdem sie auf den Straßen ausbrach, notwendig einen schubweisen, chaotischen, kriechenden Charakter.“
Es gelingt den Herrschenden zunächst, den Ansturm Ende 1918 auszuhalten, um dann Schritt für Schritt die Revolution zurück zu drängen. Im ganzen Jahr 1919 kommt es zu verschiedenen Wellen von Protesten, Streiks bis hin zu regionalen Aufständen – die immer wieder brutal von Reichswehr und Freikorps unterdrückt werden. Tausende ArbeiterInnen und die bekanntesten und klügsten Köpfe der KPD werden ermordet, unter ihnen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Die Arbeiterklasse radikalisiert sich und wehrt sich – trotz zahlreicher Verluste. Immer wieder werden Räte gebildet, die die wachsende Radikalisierung widerspiegeln. Doch es mangelt an zentraler Führung und einheitlichem Vorgehen: Viele Schlachten werden geschlagen – und verloren, weil eine Region nach der anderen von der geballten Macht der Reichswehr und der Freikorps angegriffen werden kann.
Das ist die Ausgangslage des Kapp-Putsches. Die Reaktion fühlt sich ermutigt. Sie will einerseits dem Versailler Vertrag nicht Folge leisten, der Anfang 1920 in Kraft tritt und die Reduzierung der Reichswehr auf 100.000 Mann vorsieht – und andererseits die anhaltende Drohung einer weiteren Entfaltung der Revolution mit brutaler Gewalt beenden.
Kapp putscht
Unter der militärischen Führung von Reichswehrgeneral Walther Freiherr von Lüttwitz, der kurz zuvor abgesetzt worden war, marschieren in der Nacht zum 13. März bewaffnete Einheiten auf Berlin. Viele tragen weiße Hakenkreuze am Helm, Symbol einer völkisch-nationalen Gesinnung. Am morgen des 13. März besetzt die Marinebrigade Erhardt Berlin. Ihr Kampflied: „Hakenkreuz am Stahlhelm / Schwarzweißrot das Band / die Brigade Ehrhardt / werden wir genannt / Arbeiter, Arbeiter / wie mag es dir ergehn / wenn die Brigade Ehrhardt / wird einst in Waffen stehn / Die Brigade Ehrhardt / schlägt alles kurz und klein / wehe dir, wehe dir / du Arbeiterschwein!“
Der ostpreußischen Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp und Lüttwitz erklären die Regierung unter Reichspräsident Ebert (SPD) für abgesetzt.
Das Abenteuer wird durch einflussreiche Kapitalisten finanziert. Doch in den Reihen der deutschen Herrschenden gibt es die Sorge, dass ein Putsch von rechts die abgebogene Novemberrevolution erneut beleben könnte. Reichsinnenminister Erich Koch-Weser, bürgerlicher Politiker der DDP (Deutsche Demokratische Partei), schreibt schon am morgen der Flucht nach Dresden, 13. März: „Ich fürchte nichts als den Gegenstoß von links. Verbindung aller Sozialisten, dann allerdings den Zusammenstoß einer weißen und roten Armee. Wie sagte ich vor 5 Monaten in der Nationalversammlung nach rechts: ‚Ihr könnt den jungen Baum der Republik schütteln, aber die Früchte fallen nicht Euch in den Schoß.‘ […] Und wenn alles gut geht, wo bekommen wir ein neues Heer? Wer ersetzt Noske, der nach dieser Arglosigkeit nicht zu halten ist?“
Aus Sicht wachsender Teile des Kapitals hatte die (M)SPD ihre Schuldigkeit getan und den Sturz des Kapitalismus verhindert. Nun wird sie für die Ziele der Kapitalisten, das Rad der Geschichte weiter zurück zu drehen zum Hindernis. O-Ton Hauptmann Waldemar Pabst, einer der Hauptverantwortlichen für den Mord an Luxemburg und Liebknecht: „Wir wollten und mussten zunächst einmal … ein Stück mit der Sozialdemokratie zusammen marschieren, um unseren gemeinsamen Feind, den ‚Spartakismus‘, abzuwürgen. War dies geglückt, dann wollten wir unseren bisherigen Verbündeten die Rechnung vom November 1918 vorlegen und von ihnen begleichen lassen.“
General Hans von Seeckt, der Oberbefehlshaber der Reichswehr (Chef des Truppenamtes) weigert sich, die Regierung gegen Kapp-Lüttwitz zu verteidigen: „Truppe schießt nicht auf Truppe“. Die entscheidenden Militärs befürworten den Putsch. Einige Generäle verhalten sich unter dem Druck der Proteste dem Putsch gegenüber passiv und „beschränken“ sich darauf, aktiv gegen Putsch-Gegner und den Generalstreik vorzugehen. Einige wenige unterstützen die Regierung. In zahlreichen Garnisonen und Flottenstationen kommt es zur Weigerung von Mannschaften und Unteroffizieren, beim Sturz der Regierung mitzuwirken.
Die Regierung kommt in der Nacht vom 12. auf den 13. zusammen, nachdem die Nachricht eingetroffen war, dass die Brigade Erhardt im Anmarsch sei. Ein Ministerialbeamter berichtet: „Reichskanzler Bauer und Unterstaatssekretär Albert eröffneten mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit, dass der Herr Reichskanzler nach Dresden führe.“ Pflichtschuldig ergänzt er: „Die Abfahrt erfolgte um 6 ¼ Uhr.“ Doch es werden dann auch noch Maßnahmen ergriffen; derselbe Ministerialbeamte: „Zunächst wurden die amtlichen Stempel in Sicherheit gebracht, bis auf einen, der von der Geheimen Kanzlei unter Verschluss war, und der dann auch später von den Eindringlingen benutzt wurde.“
Ebert und die Reichsregierung unter Kanzler Gustav Bauer (ebenfalls SPD) fliehen zunächst nach Dresden, dann nach Stuttgart. Berlin fällt kampflos an die Putschisten.
Die Antwort der Arbeiterklasse
Sobald die Nachricht vom Putsch ArbeiterInnen und AktivistInnen erreicht, werden Zusammenkünfte organisiert und die Lage erörtert. ArbeiterInnen gehen unmittelbar dazu über, Truppen die sich auf die Seite Kapp-Lüttwitz gestellt haben, zu bekämpfen. Noch am selben Tag verbreitet sich die Aufruf der Generalkommission der Gewerkschaften zum Generalstreik. Aktionsausschüsse und Arbeiterräte übernehmen die Regelung des Lebens, Arbeitermilizen werden gebildet.
Die Brandenburger Zeitung gibt einen der Redner auf einer zentralen Demonstration am 15. März wieder: „Heute wird die Arbeiterklasse wieder zu einer gemeinsamen, klassenbewussten Organisation zusammengeschweißt. Wir wissen, welche Macht in uns wohnt. Alle Räder stehen still, wenn unser starker Arm es will. Darum werden wir den Kampf durchhalten. Wir wollen Disziplin halten und keinerlei Unvorsichtigkeiten begehen. Die Anordnungen des Aktionsausschusses sind auf jeden Fall zu beachten.“ Dieser Aktionsausschuss wurde „aus den Vorständen sämtlicher Gewerkschaften und den sozialistischen Parteien“ gebildet.
Der Märkische Stadt- und Landbote berichtet, dass 28 bewaffnete Arbeiter die Polizei abgelöst haben und den Dienst versehen.
In Chemnitz erklären SPD, KPD und USPD gemeinsam am 13. März: „Ein Aktionsausschuss, gebildet aus den drei Parteien: Sozialdemokraten, Kommunisten und Unabhängigen, hat im Bereich der Stadt Chemnitz und umgehend die politische Macht und vollziehende Gewalt übernommen. Jede andere Behörde ist diesem Aktionsausschuss unterstellt […]. Die Technische Nothilfe [Einrichtung der Regierung gegen Streiks] und der Bürgerrat werden als aufgelöst erklärt. Die Einwohnerwehr ist umgebildet worden in eine Arbeiterwehr. Diese gilt als Organ der öffentlichen Ordnung, und ihren Maßnahmen ist unbedingt Folge zu leisten. […] Am Montag [15.3.] Vormittag versammeln sich die Arbeiter in den Betrieben, um die Wahl einer neuen Körperschaft vorzunehmen, in deren Hände die gesamte Macht gelegt wird. In den Betrieben wird nur gewählt, die Arbeit ruht bis zu anderer Anweisung des Aktionsausschuss. […] Jeder Betrieb mit über 50 bis 100 Arbeitern wählt einen und für je weitere 100 Arbeiter einen weiteren Vertreter. Betriebe unter 50 Arbeitern müssen zusammengelegt werden. […] Die Gewählten versammeln sich am Montag, dem 15. März, nachmittags 3 Uhr“.
In Dresden wird das Telegraphenamt umkämpft. 46 Tote und 200 Verletzte sind die Folge. In zahlreichen Städten Sachsen bilden sich Aktionsausschüsse. Am 18. März tagt eine Versammlung der Arbeiterräte Sachsens und beschließt die Bildung von Arbeiterwehren, den Zusammenschluss der örtlichen Arbeiterräte und die Bildung eines zentralen Vollzugsausschusses.
In Halle und Dessau übernehmen Aktionsausschüsse am 14. März die Kontrolle. Der Gothaer Vollzugsrat erklärt am 14. März: „Wahrlich, nicht den Ebert, Bauer und Genossen zuliebe appellieren wir an die schon mehrfach bewiesene revolutionäre Kraft des Gothaer Proletariats in Stadt und Land. Es gilt, dem Sozialismus durch die völlige Niederwerfung der Reaktion endlich, endlich die Bahn frei zu machen!“
In Hannover wird ein Aktionsausschuss aus SPD, USPD und Gewerkschaften eingesetzt. USPD, KPD und SPD unterzeichnen in Braunschweig am 14. März gemeinsam einen Aufruf für den „Kampf für den revolutionären Sozialismus!“ In Hamburg verkünden die Gewerkschaften den Generalstreik und laden ihre Obleute (Vertrauensleute) zur Versammlung am Morgen des 15. März. Der Deutsche Metallarbeiterverband ruft am 13. März von Stuttgart aus zum Handeln, „Für den Sozialismus!“
Der Augenzeuge Karl Retzlaw fasst zusammen: „Auf Schritt und Tritt von einer feindlichen Menge umgeben, geschlossene Läden, abends kein Licht und kein Kneipenbesuch, das alles ließ das Selbstbewusstsein der Truppen schnell absinken.“
Der bürgerliche Reichsinnenminister, Erich Koch-Weser, berichtet: „Reichswehr wird mehrfach von Arbeitern überwältigt. (Hagen, Gera, Altenburg, Dresden.) Nun haben sie wieder Blut geleckt und sich an den Schießprügel gewöhnt. In Hagen haben die Unabhängigen vier Kanonen. Nun können wir den Schweinestall wieder ausmisten.“ Und seine Hauptsorge beim „Ausmisten des Schweinestalls“: „Stehen wir vor der Räterepublik? Deutschlands Untergang. Wir können uns nicht auf Soldateska stützen, die eben gemeutert hat.“ An anderer Stelle schreibt Koch-Weser: „Alle Gefahr besteht nur noch darin, dass die Kommunisten noch kommen, und das Militär sich für diese Kämpfe gänzlich ausgeschaltet hat.“
Am Montag, dem 15. März, geht in Deutschland gar nichts mehr. Der Generalstreik hat das Land im Griff.
Erst versucht Kapp sich mittels verschärfter Repression, milder, bonapartistischer Rhetorik („Jede Klassenbevorzugung, sei es nach rechts oder nach links, soll endlich aufhören“) und über Verhandlungen mit der alten Regierung zu halten. Schwer bewaffnete Sicherheitspolizei versucht, den Streik zu brechen. Die Todesstrafe gegen alle Streikenden wird angedroht. Doch die Macht der Arbeiterklasse zwingt die Diktatoren in die Knie. Am 3. Tag des Generalstreiks kollabiert der Putsch. Kapp flieht nach Schweden. Von Lüttwitz ernennt sich für wenige Stunden zum Reichskanzler, bevor er die Reichskanzlei in Begleitung von Ludendorff am 17. März verlässt.
Noch beim Abzug erschießt die Brigade Ehrhardt zwölf Menschen am Brandenburger Tor, Offiziere töten sieben Menschen in Steglitz, in Köpenick werden fünf Menschen von Soldaten ermordert.
Generalstreik geht weiter
Kapp war zurück getreten, weil die von ihm losgetretene Reaktion der Arbeiterklasse die Herrschenden in Angst und Schrecken versetzte. Er erklärt in seiner Rücktrittsmeldung, „dass die äußerste Not des Vaterlandes den einheitlichen Zusammenschluss aller gegen die vernichtende Gefahr des Bolschewismus verlangt“.
Die Sozialdemokratische Fraktion der Nationalversammlung argumentierte: „Der Generalstreik trifft bei längerer Dauer nicht nur die Hochverräter, sondern auch unsere eigene Front. Wir brauchen Kohlen und Brot zur Fortführung unseres schweren Kampfes gegen die alten Mächte. Deshalb Abbruch des Volksstreiks!“ „Die Ausrufung einer Räteregierung würde uns nur aus einer Krise in die andere stürzen“, lamentiert der Vorstand der SPD Groß-Berlin.
Die gerade gerettete Regierung versucht, so schnell wie möglich zur Tagesordnung zurück zu kehren. Sofort liegt ihr Augenmerk darauf, die weiterhin anhaltenden Proteste der ArbeiterInnen zu beenden und – wo nötig – zu unterdrücken. Sie ernennt General von Seeckt zum Oberbefehlshaber der Reichswehr – jenen General, der sich zu Beginn des Putsches geweigert hatte, die Regierung zu schützen.
Das Standrecht und zahlreiche Erschießungen unter Kapp-Lüttwitz wurden später von den Gerichten der Weimarer Republik als rechtens angesehen. Die Putschisten wurden nie zur Rechenschaft gezogen. Im Gegenteil. Die meuternden Truppen, einschließlich der Brigade Ehrhardt wurde unmittelbar eingesetzt, um die anhaltenden Proteste der ArbeiterInnen zu unterdrücken.
Denn die Arbeiterklasse ist keineswegs damit zufrieden, den Putschisten Kapp vertrieben zu haben.
Am 18. März ruft der ADGB (Gewerkschaftsbund, Vorläufer des heutigen DGB) und die AfA (Allgemeiner freier Angestelltenbund, Dachorganisation von Angestelltengewerkschaften) auf, weiterhin zu streiken: „Der Generalstreik hat bisher den Erfolg gezeigt, dass die Kapp und Lüttwitz beseitigt sind. Damit ist aber der Kampf noch nicht beendigt.“ Der Aufruf moniert die in Berlin immer noch die Straßen beherrschende Soldateska, hält die Rückkehr von Noske als Oberbefehlshaber der Truppen für „ausgeschlossen“ und verlangt, „alle unzuverlässigen Truppen restlos zu entfernen und zu entwaffnen.“ Doch die Forderungen gegen die Putschisten sind nicht alles. „Wir fordern entscheidende Mitwirkung bei der Neuordnung der Verhältnisse. […] Der Generalstreik ist fortzusetzen, bis unsere Forderungen erfüllt sind.“
ADGB, AfA und Beamtenbund legen ein Neun-Punkte-Programm vor, das unter anderem die Sozialisierung des Bergbaus und der „Kraftgewinnung“, eine Entwaffung konterrevolutionärer Kräfte und ein entscheidendes Mitspracherecht der Gewerkschaften bei Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik verlangt.
Eine Mitschrift der Verhandlung zwischen Regierungsmitgliedern und Gewerkschaften über dieses Neun-Punkte-Programm zeigt die Argumentation der Gewerkschaftsfunktionäre: „Vor wenigen Tagen wurde die Berliner Arbeitnehmerschaft von der alten Regierung aufgefordert, von dem äußersten Kampfmittel Gebrauch zu machen. Die alte Regierung rief die Geister!! Jetzt kann man sie nicht mehr wieder ausschalten. In den Organisationen besteht ein gewisser Mangel an Vertrauen, ob es der Regierung allein gelingen würde, die nötigen Reformen durchzuführen. […] Die Arbeiterschaft allein war die entscheidende Stelle, die uns wieder aus der Misere gebracht hat. […] Alles und jedes hängt nur von der Arbeiterschaft ab. […] Es wird den Gewerkschaften nicht leicht sein, die gesamte Arbeiterschaft zum Abbruch zu bewegen. […] In Berlin stark radikalisiert! Hinter der Aufforderung zum Abbruch muss positives Material stecken, sonst fehlt das Vertrauen.“ Legien drängt auf Zugeständnisse, denn ohne Verständigung „ist das nichts anderes als der Bürgerkrieg in Deutschland. Wir sind außerstande die Arbeiterschaft aus dem Kampf zurück zu rufen, wenn wir nichts zeigen können.“
Der Generalstreik wird entschlossen fortgesetzt.
Die KPD und der Kapp-Putsch
Am frühen Nachmittag des 13. März kamen in Berlin vierzig führende Funktionäre der KPD zusammen. Ihnen lag der Aufruf von Legien zum Generalstreik vor. Karl Retzlaw, einer der Teilnehmer, berichtet: „Friesland [Deckname für Ernst Reuter, damals linker KPDler, später SPD-Bürgermeister von West-Berlin] referierte: ‚Die Ebert-Noske-Bauer sind stumm und widerstandslos in die Grube gefahren, die sie sich selber gegraben haben … Die Arbeiterschaft darf keinen Finger rühren für die in Schmach und Schande untergegangene Regierung der Mörder Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs.‘ Budich, der am misstrauischsten war, erinnerte ironisch an einen früheren Ausspruch Legiens: ‚Generalstreik ist Generalunsinn!‘ Er riet abzuwarten und sprach die Vermutung aus, dass es sich bei diesem Militärputsch um eine abgekartete Sache zwischen Noske und der Reichswehr handeln könnte, um auch die USPD und die Gewerkschaften zerschlagen zu können. Budich hatte den stärksten Beifall, als er ausrief: ‚Die Wahl zwischen den Ebert- und Erhardtleuten ist eine Wahl zwischen Cholera und Pest, wir müssen uns zurückhalten, bis wir eine eigene Aktion durchführen können.‘ Die Auffassungen Frieslands und Budichs wurden von allen Anwesenden unterstützt.
Am späten Nachmittag war eine weitere Sitzung der in Berlin anwesenden Mitglieder der Zentrale der KPD, die einen Aufruf an die Arbeiterschaft beschloss, in dem die Formulierungen Friedlands und Budichs wörtlich übernommen wurden. Der Aufruf wurde am folgenden Tag, einem Sonntag, in der ‘Roten Fahne’ veröffentlicht. “
Im Aufruf heißt es weiter: „Die Arbeiterklasse, die gestern noch in Banden geschlagen war von den Ebert-Noske, und waffenlos, unter schärfstem Unternehmerdruck, ist in diesem Augenblick nicht aktionsfähig.“
Doch in den Betrieben und auf der Straße zeigt sich ein komplett gegenteiliges Bild: Die Arbeiterklasse ist bereits dazu übergegangen, zurück zu schlagen. Jugendliche rebellieren. Die KPD muss ihre Position revidieren. Am 14. März 1920 spricht sie sich für den Streik aus, ruft aber nicht zur Bewaffnung der ArbeiterInnen auf.
In einem Flugblatt am 15. März schreiben die Kommunisten: „Für den Generalstreik! Nieder mit der Militärdiktatur! Nieder mit der bürgerlichen Demokratie! Alle Macht den Arbeiterräten! Die Kommunisten sind gegen die Regierung Ebert-Noske-Bauer, gegen die Wiederaufrichtung einer Regierung mit bürgerlichem Unterbau, mit Parlament und Staatsbürokratie, gegen die Neuwahl der Nationalversammlung. Arbeiter in Stadt und Land! Eure nächste Aufgabe in allen Orten ist: Sofortiger Zusammentritt in allen Betrieben zur Neuwahl von Arbeiterräten. Sofortiger Zusammentritt der Räte zur Vollversammlung, die die Leitung des Kampfes zu übernehmen und die über die nächsten Maßnahmen zu beschließen haben. Sofortiger Zusammentritt der Räte zum Zentralkongress der Räte. Innerhalb der Räte werden die Kommunisten kämpfen für die Diktatur des Proletariats, für die Räterepublik. Arbeiter! Geht nicht auf die Straßen, versammelt Euch täglich in den Betrieben! Lasst Euch nicht von den Weißen Garden provozieren!“
Paul Levi, der KPD-Vorsitzende, versucht aus dem Gefängnis heraus die Politik zu korrigieren. Statt abstrakt richtige Positionen – Räterepublik und Überwindung bürgerlicher Demokratie – zu beziehen, bestand die Aufgabe einer marxistischen Führung darin, die Abwehrschlacht um die demokratischen Errungenschaften zu organisieren und davon ausgehend den Bogen zur Durchführung von Sozialisierungen, Aktionsausschüssen als tatsächliche Vorformen von Räten und Arbeiterbewaffnung zu schlagen. „Diktatur des Proletariats“ bezeichnet hier nicht eine politische Diktatur, sondern die Ersetzung der Diktatur der Großkonzerne und Banken durch die demokratische Herrschaft der Mehrheit der Bevölkerung auch und gerade in den Betrieben durch Arbeiterdemokratie. Diese Aufgabe stellt sich. Doch die allgemein richtige, marxistische Position in dieser Form zu verkünden, betont die Unterschiede genau zu den ArbeiterInnen, die zwar durchaus den Kampf gegen Kapp und für Sozialismus aufnehmen wollen, die aber noch skeptisch gegenüber dem Programm der KPD sind. Das erschwert die praktische Erprobung der Vorschläge der KPD im gemeinsamen Widerstand.
Die Zentrale rechtfertigt sich auch am 15. oder 16. März noch gegenüber Levi in dieser Frage: „In der Sache selbst ist die übereinstimmende Ansicht der Zentrale, dass die am Sonnabend [13.3.] ausgegebene Parole auf einer Verkennung der Lage beruhte, dass jedoch die fernere Haltung der Zentrale diesen im Anfang gemachten Fehler sofort wieder ausglich. […] Die von Ihnen angedeuteten Parolen sind zum großen Teil von der Zentrale als zutreffend anerkannt, nur schien es uns zweckmäßig, sie nicht gleich an den ersten Tagen auszugeben. Wesentliche Teile Ihrer Kritik an den Parolen der Zentrale sind als fehlgehend bezeichnet worden. Insbesondere war die Zentrale der Ansicht, dass es unumgänglich nötig war, die Losung der Arbeiterräte und der Rätediktatur als allgemeine Losung (selbstverständlich nicht als unmittelbare Kampfziele) gleich zu Beginn in die Bewegung zu werfen, um sie über den Ausgangspunkt, den Kampf zur Verteidigung der Ebert-Republik, hinauszutreiben. “
Die Kunst von Übergangsforderungen, Forderungen die an den realen Kämpfen der ArbeiterInnen ansetzen und sie über ihren Ausgangspunkt hinaustreiben und auf die Notwendigkeit der sozialistischen Revolution hinweisen, wird hier mit ihrem Gegenteil verwechselt: Der abstrakten Proklamierung einzelner Forderungen der Ziele der KPD.
Während die KPD-Führung mehr getriebene als treibende Kraft ist, stellt sich dies vor Ort anders dar. Karl Retzlaw beschreibt dies: „Da fast alle Mitglieder der KPD gleichzeitig Gewerkschaftsmitglieder und auch Funktionäre waren, richteten sie sich nach den Parolen der Gewerkschaftsleitung, um nicht gegen die überwältigende Mehrheit der Arbeiter zu stehen. Deshalb hatte die erste abwartende Parole der Berliner KPD auf den Verlauf des Abwehrkampfes faktisch keine Bedeutung gehabt. […] In den nächsten Tagen erhielten wir Berichte, dass die KPD in anderen Gebieten, besonders im Ruhrgebiet und in Sachsen, sofort am ersten Tag zum Generalstreik aufgerufen hatte und dass ihre Vertreter fast überall in den Streikleitungen saßen.“
Brandler, ein Führer der KPD, berichtete aus Chemnitz, dass die KPD die erste Partei gewesen war, die zum Generalstreik, zur Entwaffnung der Kapitalisten, zur Bewaffnung der Arbeiter und zur Neuwahl von Arbeiterräten aufgerufen hatte. Dank der Stärke der KPD, so Brandler, war Chemnitz auch die erste Stadt, in der dies umgesetzt wurde. Auch in anderen Orten ist die KPD besser aufgestellt. Dies unterstreicht, was möglich gewesen wäre, hätte die KPD die ersten Stunden des Generalstreiks unmittelbar genutzt.
Für eine Einheitsfront
Die Haltung der KPD-Führung war ultra-links, das heißt, sie begnügte sich mit revolutionären Phrasen und zielte nicht darauf ab, die Mehrheit der Arbeiterklasse zu aktivieren und im gemeinsamen Kampf von den eigenen Positionen zu überzeugen, um die Verhältnisse wirklich zu verändern. Doch diese Einstellung der KPD-Führung drückte nicht nur ihre eigene Unerfahrenheit in der Leitung von Massenkämpfen aus. Sie widerspiegelte auch den Willen eines wichtigen Teiles der Arbeiterklasse in Deutschland, die den Mord an Luxemburg und Liebknecht, die Verfolgung und Tötung von Tausenden der aktivsten GewerkschafterInnen und SozialistInnen durchaus richtig der SPD zuordnen konnten und einen radikalen Bruch mit dem Kapitalismus verfolgten.
Aufgabe einer revolutionären Führung war es, diese Schichten des Proletariats darauf zu orientieren, eine Mehrheit – die noch nicht mit der SPD gebrochen hatte – im gemeinsamen Interesse aller ArbeiterInnen zur Verteidigung der Klasseninteressen zu aktivieren und im Kampf von der Notwendigkeit der nächsten Schritte zu überzeugen. Die KPD war zu unerfahren und zu wenig verankert in breiteren Teilen der Arbeiterklasse, um diese Rolle zu spielen. Sie drückte nur selbst diese Haltung aus – und ihre Führung behielt sie bei, als große Teile der UnterstützerInnen längst den gemeinsame Kampf gegen Kapp und Co aufgenommen hatten.
Doch hätte die KPD etwa zur Verteidigung der Mörder von Luxemburg und Liebknecht, der verhassten Ebert-Regierung, aufrufen sollen? Im Gegensatz zur KPD-Führung verstanden Millionen ArbeiterInnen, dass der Angriff von Kapp und Lüttwitz nicht in erster Linie der Regierung galt, sondern allen Errungenschaften der Novemberrevolution, inklusive Acht-Stunden-Tag und gewerkschaftlicher Rechte. Diese galt es zu verteidigen, ohne Vertrauen in die Regierung.
Die Kommunistische Internationale diskutierte die Erfahrungen und zog auf ihrem Kongress 1921 die Schlussfolgerung, dass die Strategie der „Einheitsfront“ nötig ist, um den Kommunistischen Parteien zu ermöglichen, eine Mehrheit der Arbeiterklasse zu gewinnen: Nur indem sie die konkreten Kämpfe der Arbeiterklasse führen und sie voran treiben, können Kommunisten der Masse der Arbeiterklasse, die ihr noch skeptisch gegenüber steht, von der Richtigkeit ihrer Positionen überzeugen. Auch wenn die sozialdemokratischen Führer klare Politik im Interesse des Kapitals machten, so sahen doch noch viele ArbeiterInnen die sozialdemokratischen Parteien als ihre Parteien an. Sie stellten damals die Basis dieser Organisationen. Gerade die klassenmäßige Einheit aller Arbeiterparteien – damals: SPD, USPD und KPD – im Kampf um die Interessen der Klasse sollte die Grundlage bilden, die bestmögliche Politik für die Arbeiterklasse sichtbar zu machen. Die SPD versuchte alles, um sich hinter ihren bürgerlichen Koalitionspartnern zu verstecken. Eine Politik, die offen und erklärtermaßen nur von den Parteien der ArbeiterInnen getragen wird – eine Einheitsfront aller ArbeiterInnen und ihrer Organisationen und Parteien –, bietet keine solchen Ausflüchte. Im praktischen Kampf – zum Beispiel gegen die Reaktion um Kapp – hätte sichtbar gemacht werden können, wer wirklich einen Ausweg aufzeigen kann.
Gewerkschaften und Arbeiterregierung
Der Generalstreik vertreibt innerhalb von weniger als 100 Stunden die Putschisten. Er wird dann fortgesetzt, um die sozialen Interessen der Kämpfenden zu verwirklichen. Er verdeutlicht die Macht der Arbeiterklasse – und steigert ihr Selbstbewusstsein. Am weitesten geht in Chemnitz und im Ruhrgebiet eine neue Welle der Bildung von Räten und deren Vernetzung. Aber der Generalstreik stellt überall in Deutschland die Frage: Wer organisiert das tägliche Leben? Wer entscheidet? Wer regiert? Und die Antwort ist ein Netz von Vollzugsräten, Aktionskomitees und ähnlichen Organen, gebildet von Gewerkschaften und Arbeiterparteien. Der Kampf gegen die Putschisten durch den Generalstreik führt dazu, dass diese Organe der Arbeiterbewegung zu revolutionären Zentren werden, was auf ganz praktische Weise die Frage der Macht im allgemeinen und die Zusammensetzung der Regierung im Besonderen auf die Tagesordnung setzt. Es liegt in der Natur einer allgemeinen Arbeitsniederlegung diese Frage zuzuspitzen, erst recht bei einem unbefristeten Generalstreik.
Da die Gewerkschaftschefs zum allgemeinen Ausstand aufgerufen hatten, als Noske und Ebert davon gerannt waren, richten sich viele Blicke auf sie: Welche Lösung dieser Frage würde von ihnen kommen? Und die Erwartungen waren hoch. Carl Legien wusste, dass die Arbeiter nicht ihre Haut riskiert hatten, um am Ende wieder mit Ebert und Noske abgespeist zu werden.
Seit 1890 war Carl Legien Vorsitzender der „Generalkommission der Gewerkschaften Deutschlands“. Er war ein führender Vertreter des rechten Flügels der SPD, hatte zahlreiche Schlachten gegen die Parteilinken geführt, in der „Massenstreik-Debatte“ 1905/06 die Linken bekämpft und im November 1918 durch die Zusammenarbeit mit den Unternehmern geholfen, die Abschaffung des Kapitalismus zu verhindern. Nun auf einmal findet er sich wieder als Führer eines unbefristeten Generalstreiks, fordert die Verstaatlichung der Gruben und eine sozialistische Arbeiterregierung unter maßgeblicher Beteiligung der Gewerkschaften.
Schon seine bisher wiedergegebenen Zitate machen deutlich: Er hat seinen Standpunkt keinen Millimeter verrückt – doch er spürt durch die Gewerkschaften den Druck des Klassenkampfs. Seine Angst, die Kontrolle über die Gewerkschaftsmitglieder zu verlieren, ist größer, als seine Furcht vor radikalen Maßnahmen, die ihm im Grunde nach wie vor widerstreben. Seine Argumentation für die Einheit der „sozialistischen Parteien“ ist der Versuch, die ArbeiterInnen über diese Einheit zurück zu halten und zu bremsen.
Am 17. März macht Legien daher der USPD den Vorschlag, eine Arbeiterregierung aus Gewerkschaften, USPD und (M)SPD zu bilden. Er begründet dies auch damit, dass von nun an niemand mehr in Deutschland gegen die Gewerkschaften regieren könne.
Crispien, Führer des rechten Flügels der USPD, weist diesen Vorschlag zurück, da er nicht mit Leuten an einem Tisch sitzen könne, die Arbeiter ermordet haben – bezogen auf die MSPD -, und mit Betrügern der Arbeiterklasse – bezogen auf die Generalkommission des ADGB, von der ihm gerade dieser Vorschlag unterbreitet worden war. Däumig, ein Führer des linken Flügels, unterstützt ihn in dieser Haltung. Eine Mehrheit der Führung der USPD bestätigt diese Haltung, trotz einiger gegenteiliger Stimmen, die fürchten, von den Millionen Streikenden nicht verstanden zu werden.
Damit scheitert Legiens Vorstoß für eine Arbeiterregierung am 17. März zunächst vor allem an der Haltung des linken Flügels der USPD unter Führung von Däuming (der bereits für den Anschluss der USPD an die Komintern argumentierte). Dies geschieht auch unter den Slogans der KPD, die am 17. März die Parole in der „Roten Fahne“ verbreitet: „Keine rein sozialistische Regierung mit dem Parlament als Grundlage“.
Als der Streik nach Verhandlungen am 21. und 22. März abgesagt werden sollte, kommt die Debatte zum ersten Mal vor größerem Publikum, dem Streik-Komitee von Groß-Berlin, zur Sprache. Die ArbeiterInnen an der Ruhr werden von der Reichswehr angegriffen. Ein Bote bittet um Hilfe. Der Generalstreik solle beendet werden – ohne dass die Forderungen real erfüllt worden wären. Wie soll es weiter gehen?
Däumig erläutert hier nun seine Haltung gegen eine Arbeiterregierung. Die Anwesenden Mitglieder der KPD erklären, zum ersten Mal von Legiens Vorschlag zu hören. Sie könnten nur als Individuen darauf antworten. Jacob Walcher (KPD) erörterte dann aber, dass eine solche Regierung, wie von den Gewerkschaften vorgeschlagen, eine „sozialistische Regierung gegen Ebert und Haase“ wäre, die sich nicht formal für die Diktatur des Proletariats erklären müsse, um – allein durch ihre Existenz – einen Schritt nach Vorne darzustellen, ein Sieg für die Arbeiterbewegung. An die Gewerkschaftsvertreter gewandt erklärt er, wenn sie wirklich gewillt seien, die Arbeiter zu be- und die Konterrevolution zu entwaffnen, die Verwaltungen von Reaktionären zu säubern, dann bedeute das Bürgerkrieg. In diesem Falle sei es nicht nur selbstverständlich, dass die KPD eine solche Regierung unterstützt, sondern sie stünde in der vordersten Reihe des Kampfes. Sollte diese Regierung aber das von den Gewerkschaften aufgestellte Programm verraten und die Arbeiter betrügen, dann werde die KPD – mit der Unterstützung aus den Reihen der Gewerkschaften selbst – mit allen Mitteln gegen sie kämpfen.
Die (M)SPD versucht alles, um die USPD von der KPD fern zu halten. Hätte die KPD entschlossen agiert, könnte sie enormen Einfluss auf die USPD ausüben. Auch die Frage des Streik-Abbruchs hängt entscheidend an der USPD. Doch die Interventionen – wie hier von Walcher – blieben die Ausnahme. Die KPD-Zentrale befindet sich im Zustand von Verwirrung und Lähmung: Am 22. März ringt sie sich zu einer Stellungnahme zur Frage der Arbeiterregierung durch – und weist sie zurück. Die Zentrale erklärt, dass sie die Bildung einer Koalition aus Gewerkschaften und USPD nicht unterstütze.
Streik-Ende und Blutbad an der Ruhr
Für die Masse der Streikenden ist dies ein fatales Signal: Da keine Regierung im Interesse der ArbeiterInnen in Reichweite scheint – was bleibt übrig, als sich mit der existierenden Regierung zu einigen? Die Führung der Arbeiterklasse liegt zu diesem Zeitpunkt am ehesten bei der USPD, die aber stark von der KPD beeinflusst ist. Das Schwanken von USPD und KPD gibt der Regierung die nötige Zeit und sorgt für Konfusion bei den ArbeiterInnen.
Zunächst wird in Verhandlungen zwischen ADGB, AfA, Berliner Gewerkschaftskommission, der USPD und der SPD am 22. März der Generalstreik im Gegenzug für vage Versprechungen der Unterstützung der Positionen der Gewerkschaften für beendet erklärt.
Die KPD schlägt noch einige Pirouetten: Am 23. März ändert die Zentrale der KPD ihre Haltung wieder und akzeptiert nun den von Walcher vorgetragenen Standpunkt, den auch Pieck unterstützt. Sie erklärt, dass der Kapp-Putsch das Ende der Koalition zwischen Bürgerlichen und Sozialdemokratie bedeute und der Kampf gegen die Militärdiktatur das Ziel verfolge, die politische Macht und Handlungsfähigkeit des Proletariats zu erweitern bis zu dem Punkt, an dem die Macht der Bourgeoisie gebrochen werden könne. Doch zu spät. Die Chance ist verpasst.
Am 26. bietet Ebert Legien den Posten als Reichskanzler an, mit der Aufgabe eine Regierung zu bilden – und führt ihn damit nur noch vor. Die Generalkommission der Gewerkschaften lehnt dies ab. Sie erklärt, dass sie nicht auf sich allein gestellt die Regierungsverantwortung übernehmen könne, speziell da jetzt das Feuer der bürgerlichen Presse – die seit Streikabbruch wieder erscheint – auf sie und ihren Status als Gegen-Regierung gerichtet sei.
Die Gelegenheit ist vorüber. Ebert akzeptiert als Bauernopfer die Absetzung Noskes. Dann ernennt er seinen Parteigenossen Herbert Müller zum Kanzler.
Das Zögern bei der Regierungsfrage hatte den Spielraum für die Stabilisierung der Regierung eröffnet. Und diese Stärkung nutzen Ebert und Reichswehr sofort, um gegen die noch kämpfenden ArbeiterInnen vorzugehen. In vielen Städten Deutschlands gibt es Arbeitermilizen unter der Kontrolle von Räten und Aktionskomitees. Aber besonders im Ruhrgebiet breiten sich Räte rasant aus und die militärische Konfrontation mit der Konterrevolution wird entschlossen angegangen. Unmittelbar als Reaktion auf den Putsch bildet sich eine „Rote Ruhr-Armee“. Die ArbeiterInnen im Ruhrgebiet sind ihren Kollegen im Rest Deutschlands so weit voraus, dass nun ihre Isolierung droht. Am 23. März wird in Bielefeld zwischen Regierung und Arbeiterräten verhandelt. Ein Tag später wird das „Bielefelder Abkommen“ geschlossen. Dort wird festgehalten, dass die Putschisten den Gerichten übergeben werden, die Arbeiter durch ihre Gewerkschaften entscheidenden Einfluss auf die Wirtschafts- und Sozialpolitik erhalten – wenn der Generalstreik abgebrochen und die Arbeiter entwaffnet werden. Doch die Verhandlungen dienen für die Regierung nur dem Ziel, die rebelllierenden Arbeiter zu spalten und die eigenen Kräfte zu sammeln. Bereits am 25. März brechen Truppen der Reichswehr das Abkommen. In Richtung Lünen/Dortmund erfolgt ein erster Vormarsch. Am 28. März stellt die Reichsregierung ein Ultimatum bis zum 30. März zur vollständigen Entwaffnung der Arbeiter und Auflösung der Roten Armee. Fallls diese Bedingungen angenommen werden, „wird die Reichsregierung von einem Angriff absehen. Andernfalls erhält der Inhaber der vollziehenden Gewalt [General von Watter] Freiheit des Handelns“.
Die ADGB-Führung gibt der Reichswehr – keine zwei Wochen nach der Debatte um eine Arbeiterregierung – freie Hand: Zwischen dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbund und der Reichsregierung wird am 31. März eine Vereinbarung zum Einmarsch der Reichswehr ins Ruhrgebiet getroffen, die es der Reichswehr erlaubt, gegen alle waffentragenden Arbeiter vorzugehen, und Standgerichte nur dort ablehnt, wo die Waffenniederlegung erfolgt sei. „Zwischen der Reichsregierung und den Gewerkschaften besteht vollkommene Übereinstimmung“, endet die Übereinkunft.
Da das „Bielefelder Abkommen“ auch von der Reichswehr und den Freikorps nicht beachtet wird, lösen sich auch die Arbeiterwehren nicht auf. Sie werden daraufhin brutal zerschlagen. „Und wie im deutschen Bürgerkrieg üblich, wurden nach der Niederlage der Arbeiterwehren mehr als doppelt so viele Arbeiter nachträglich ermordet, als im Kampf gefallen waren.“ (Karl Retzlaw, “Spartakus – Aufstieg und Niedergang – Erinnerungen eines Parteiarbeiters”)
„Dass die Rote Ruhrarmee geschlagen werden konnte, lag daran, dass sie von den anderen Arbeitern isoliert kämpfte und Reichswehrverbände und Polizeitruppen auf das Ruhrgebiet konzentriert worden waren“ (Oskar Hippe, „… und unsere Fahn‘ ist rot“). Es liegt aber auch am Mangel an Koordination und Führung. Ein Teil der Räte erkennt das Bielefelder Abkommen an – ein Teil nicht. Es entstehen unzählige verschiedene revolutionäre Militärleitungen, die unabhängig voneinander oder gegeneinander agieren.
Die Komintern und die Arbeiterregierung
Auch aufgrund der Erfahrungen in Deutschland wurde die „Arbeiterregierung“ auf Kongressen der Kommunistischen Internationale immer wieder diskutiert. Leo Trotzki fasst die Diskussionen auf dem vierten Kongress der Komintern, 1922, zur Frage der Arbeiterregierung zusammen: „Aus der Einheitsfront ergibt sich die Parole der Arbeiterregierung. […] Wir KommunistInnen wissen natürlich, dass eine wirkliche Arbeiterregierung in Europa errichtet werden wird, nachdem das Proletariat die Bourgeoisie zusammen mit ihrer demokratischen Maschinerie stürzt und die proletarische Diktatur unter der Führung der Kommunistischen Partei errichtet. Aber um dies herbeizuführen, ist es notwendig, dass das europäische Proletariat mehrheitlich die kommunistische Partei unterstützt.
Das ist noch nicht so und so sagen unsere kommunistischen Parteien bei jeder passenden Gelegenheit: ‚Sozialdemokratische ArbeiterInnen, syndikalistische, anarchistische und parteilose ArbeiterInnen! Löhne werden gekürzt; immer weniger bleibt vom Achtstundentag; die Lebenshaltungskosten schnellen empor. Solche Sachen würde es nicht geben, wenn sich alle ArbeiterInnen trotz ihrer Differenzen vereinigen und ihre eigene Arbeiterregierung einsetzen würden.‘
Und so wird die Parole der Arbeiterregierung ein Keil, der von den KommunistInnen zwischen die Arbeiterklasse und alle anderen Klassen getrieben wird; und insoweit die führenden Kreise der Sozialdemokratie, die Reformisten, mit der Bourgeoisie verbunden sind, wird dieser Keil immer mehr bewirken, dass die linken sozialdemokratischen ArbeiterInnen von ihren Führern weggezogen werden, und er bewirkt das bereits.“
Die KPD leitet Anfang 1923 aus ihren Erfahrungen ab: „Die Arbeiterregierung ist weder die Diktatur des Proletariats noch ein friedlicher, parlamentarischer Aufstieg zu ihr. Sie ist ein Versuch der Arbeiterklasse im Rahmen und vorerst mit den Mitteln der bürgerlichen Demokratie, gestützt auf proletarische Organe und proletarische Massenbewegungen, Arbeiterpolitik zu treiben, während die proletarische Diktatur bewusst den Rahmen der Demokratie sprengt, den demokratischen Staatsapparat zerschlägt, um ihn durch proletarische Klassenorgane zu ersetzen.
Die Arbeiterregierung ist eine Regierung von Arbeiterparteien, die den Versuch macht, gegenüber der Bourgeoisie eine proletarische Politik zu treiben durch Abwälzung der Lasten auf die besitzende Klasse, während die bisherige Koalitionspolitik der SPD zur Abwälzung aller Lasten auf die Arbeiterklasse geführt hat. Eine solche Arbeiterregierung kann aber nur proletarische Politik treiben und das Programm der proletarischen Einheitsfront verwirklichen, wenn sie sich auf die breiten Massen der Arbeiterschaft und ihre Organe stützt, die aus der Einheitsfrontbewegung entstehen (Betriebsräte, Kontrollausschüsse, Arbeiterräte und so weiter) sowie auf die bewaffnete Arbeiterschaft.“
Linksverschiebung geht weiter
Der Kapp-Putsch zeigte die geballte Macht der Arbeiterklasse. Allein die Führung von USPD und dahinter der KPD waren nicht in der Lage, eine reichsweite Strategie zur Gewinnung der Mehrheit der Arbeiterklasse anzubieten. Das wäre nötig gewesen, um mit der Quelle der Konterrevolution, der Herrschaft der Konzernherren, Schluss zu machen.
So verloren erneut Tausende ihr Leben. Die konterrevolutionären Freikorps pflügten durchs Ruhrgebiet. Antisemitische Pogrome wurden inszeniert, um die aufgestaute Wut und Unzufriedenheit zu kanalisieren und der Raserei der Reaktion freien Lauf zu lassen.
Doch noch blieb Zeit für die Führung der Arbeiterbewegung, die nötigen Lehren zu ziehen.
Die Arbeiterklasse orientiert sich weiter nach links. Bei den Reichstagswahlen am 6. Juni 1920 fällt die SPD um 18 Prozentpunkte gegenüber der Wahl im Januar 1919 und erhält noch 21,7 Prozent. Die USPD wächst von 7,6 auf 17,9 Prozent und erhält 4,9 Millionen Stimmen. Die KPD tritt zum ersten mal an und erreicht 2,1 Prozent.
Eine Mehrheit der USPD akzeptiert im Oktober die 21 Bedingungen zur Aufnahme in die Kommunistische Internationale, das macht den Weg frei zur Fusion mit der KPD.
So folgt im November der Vereinigungsparteitag, auf dem sich eine deutliche Mehrheit der USPD mit der KPD zusammenschloss. Aus der KPD von 3.000 bis 4.000 Mitgliedern und 78.000 Mitglieder nach dem Kapp-Putsch wird die Vereinigte KPD (VKPD), eine Massenpartei mit rund 375.000 Mitgliedern.
Neue Wellen von revolutionärem Ansturm folgen.
Warum gelang 1933 gegen Hitler kein ähnlicher Kampf?
Karl Retzlaw, Aktivist der KPD, nennt den Kapp-Putsch „die voreilige Generals-Machtprobe“: „Im ganzen gesehen, war der Kapp-Lüttwitz-Putsch eine voreilige Machtprobe gewesen, ein vorzeitiges Vorprellen der Reaktion, die noch keine Massenbasis in der Bevölkerung hatte. Alles was die Kapp-Lüttwitz-Putschisten forderten und noch mehr, sollte erst 13 Jahre später in Erfüllung gehen: Zerschlagung der gesamten Arbeiterbewegung, Wiederaufrüstung, Vernichtung der europäischen Juden und Revanchekrieg.“
1933 setzte das deutsche Kapital alles auf eine Karte, um sich der ständig zuvor drohenden Gefahr der Revolution zu entledigen: Eine faschistische, kleinbürgerliche Massenbewegung wurde genutzt, um alle Formen von Demokratie und Selbstorganisation der Arbeiterbewegung zu zerschlagen. Bedroht in die Masse der Arbeiterklasse abzusinken und von der großbürgerlichen Konkurrenz an die Wand gedrückt, suchte das Kleinbürgertum einen radikalen Ausweg. Erst die Enttäuschung über die ausbleibende Revolution der Arbeiterklasse ließ Massen aus den Zwischenschichten verstärkt auf Hitler setzen. Verarmte Schichten am unteren Rand der Arbeiterklasse halfen, die Reihen der Faschisten zu füllen.
Kapp und Konsorten verfügten noch nicht über eine solche soziale Basis in Form einer Massenbewegung. Daher kann der Kapp-Putsch auch nicht als faschistisch bezeichnet werden, auch wenn im Falle eines Erfolgs zweifelsohne ein brutales Vorgehen gegen ArbeiterInnen und ihre Organisationen drohten.
Auch 1933 gab es Widerstand aus der Arbeiterklasse, bewaffnete Formationen aus KPD, Gewerkschaften und SPD gegen die Nazis und – bei Hitlers Machtergreifung – auch vereinzelte regionale Streiks. Doch 1920, im Aufschwung der Revolution, führten Enttäuschungen über die Politik der SPD zu einer Suche nach radikalen Antworten von Links, in der Richtung des Beispieles der Russischen Revolution. Die Enttäuschung über die Fehler der KPD 1923 und ihr Versagen nach ihrer Stalinisierung führten zu einer Demoralisierung in den Reihen der Arbeiterklasse. Die KPD betrieb 1933 eine ultra-linke Politik, die ihre Fehler 1920 noch in den Schatten stellte: die SPD wurde den Nazis gleichgesetzt, Stalin erklärte Faschismus und Sozialdemokratie zu Zwillingen. Das schnitt jeglichen Zugang zu einer Arbeitereinheitsfront ab. Nur mit ihr hätte es der KPD gelingen können, um die Mehrheit in der Arbeiterklasse zu kämpfen und die SPD-Unterstützer in den Kampf einzubeziehen. Das hätte gegen den massiven Widerstand der SPD-Führung geschehen müssen, die die KPD als „rotlackierte Nazis“ beschimpfte und alles tat, um die Klasseneinheit zu verhindern.
Eine entschlossene, marxistische Führung hätte die Arbeiterklasse im Kampf gegen Hitler vereinen und die schwankenden Zwischenschichten erneut anziehen können. Doch ohne eine solche Politik der Arbeiterbewegung, nach Jahren revolutionärer Anspannung und immer wieder erneuten Schlägen der Konterrevolution, war nicht nur die Chance zur Revolution verpasst. Die deutsche Arbeiterbewegung wurde geschlagen und der Weg zur physischen Liquidierung von Kommunisten, Gewerkschaftern, Sozialdemokraten, Jüdinnen und Juden, Homosexuellen, Sinti und Roma sowie zur Entfesselung des 2. Weltkriegs für den Hitlerfaschismus war frei.