2. Aktionskonferenz gegen Stuttgart 21

Am Mittwoch, den 10. November fand die 2. Aktionskonferenz gegen Stuttgart 21 statt.


 

Die Mobilisierung und Durchführung litt darunter, dass führenden AktivistInnen an den Protesten im Wendland teilgenommen und teils erst am Mittwoch zurück gekehrt waren. Die Beteiligung war geringer als bei der ersten Aktionskonferenz, aber mit an die 300 immer noch sehr hoch.

von Wolfram Klein

Ursel Beck verwies in ihrer Begrüßung auf die Gemeinsamkeiten zwischen den Protesten gegen Stuttgart 21 und gegen Castor und AKWs. Bei beiden gehe es um Macht und Profit. Unter großem Beifall sagte sie, dass eine jahrzehntelange Großbaustelle mitten in einer Großstadt gegen den Willen der Bevölkerung nicht möglich sein werde.

Als nächstes gab Heinz Reinboth vom Architekturforum Baden-Württemberg noch einmal einen Rückblick auf die Proteste der letzten 15 Jahre. Er erzählte unter anderem von der Bürgerbeteiligung von 1997, an der sich 400 StuttgarterInnen 12.000 Stunden ehrenamtlich beteiligten. Die Standardantwort auf die vielen damaligen Vorschläge war: "konnte nicht berücksichtigt werden". Angesichts der gebetsmühlenartig wiederholten Behauptung der Stuttgart-21-Befürworter, der Protest habe zu spät angefangen, freuten sich viele über den Beweis des Gegenteils.

Als nächstes gab Fritz Mielert von den Parkschützern seine Einschätzung von den Schlichtungsgesprächen. Er ging vor allem darauf ein, wie die letzten Treffen abgelaufen waren, welche Seite wann wie gut aufgetreten war. Hannes Rockenbauch (der einer der Vertreter des Aktionsbündnisses bei den Gesprächen ist) konnte leider diesmal nicht teilnehmen, weil er an diesem Tag in Berlin bei einer Verkehrsausschussitzung gewesen war.

In der anschließenden Diskussion machte Michael Koschitzki von der SAV einen Redebeitrag, dass wir uns nicht auf die bürgerlichen Medien verlassen können, sondern die Ergebnisse der Schlichtung selbst besser bekannt machen müssen. Das ginge vor allem durch Massenproteste. Die Demonstrationen und Kundgebungen seien das beste Sprachrohr für die Bewegung. Deshalb müssten die Samstags- und Montagsdemonstrationen weiter gehen und zur überregionalen Demonstration am 11. Dezember nach den Gesprächen eine Massenmobilisierung stattfinden. Ursel Beck ergänzte, dass ein Best-Of mit Filmausschnitten aus den Gesprächen und eine Zusammenfassung in einem Faltblatt gut wäre. Das Problem sei aber, dass man mit Leuten an einem Tisch sitzt, die eigentlich aus dem Amt gejagt gehören.

Die Geldsammlung zur Finanzierung der Raummiete von 600,- ergab 740,- in Scheinen plus Münzgeld.

Danach gab es zwei kurze Filme aus dem Wendland. Die mündlichen Berichte von Thomas Becker und Fritz Mielert waren schwach – vielleicht weil beide gerade erst von den Protesten zurück gekommen waren und ihnen die Zeit gefehlt hatte, aus der Distanz die wichtigsten Lehren herauszuarbeiten? So kam es z.B. zu der Merkwürdigkeit, dass Thomas Becker nach den Bildern über die Polizeigewalt die gute Zusammenarbeit mit der Polizei lobte.

Konflikt um den Park

Danach wurde aus dem Publikum eine Diskussion über die Konflikte zwischen der Parkwache und anderen Teilen der Bewegung eingefordert. Es wurde abgestimmt, dass es darüber 30 Minuten Diskussion geben solle, tatsächlich waren es dann über anderthalb Stunden, was die Tagesordnung der Konferenz völlig über den Haufen warf. Der Hintergrund ist, dass seit Monaten AktivistInnen Tag und Nacht im Park präsent sind, um das Fällen von Bäumen zu verhindern ("Parkwache"). In der letzten Zeit haben die Stuttgart-21-Befürworter die "Zustände im Park" in ihrer Propaganda aufgegriffen. Wenn Leute, deren Ziel die Zerstörung des Parks ist, sich darüber beschweren, dass die Sauberkeit dort nicht immer auf schwäbischem Kehrwochen-Niveau ist, ist das völlig verlogen. Wenn man den Stuttgart-21-GegnerInnen vorwirft, dass Obdachlose im Park sind, ist das lächerlich. Dieses Thema ist so alt, dass es schon vor 15 Jahren den Hintergrund für einen ARD-Tatort-Krimi abgab ("Bienzle und der Mord im Park"). In der Diskussion wurde zu recht darauf hingewiesen, dass Obdachlosigkeit eine Schande für die Stadt Stuttgart ist, aber nicht für die Anti-S21-Bewegung. Man kann von uns nicht verlangen, dass wir uns neben dem Kampf gegen Stuttgart 21 auch noch als Sozialarbeiter für die Probleme der Stadt Stuttgart betätigen. Wir sollten es aber auch nicht von uns selber verlangen, sondern statt dessen von der Stadt Stuttgart fordern, dass sie für menschenwürdige Wohnungen für Obdachlose sorgt. Wenn daher die "Versorger" (AktivistInnen, die Infrastruktur – Ernährung etc. – für die Parkwache bereit gestellt hatten) sich überfordert fühlten und aus dem Park zurückzogen, dann war das kein böser Wille. Die Diskussion auf der Aktionskonferenz litt darunter, dass einige Beiträge diese realen Probleme ignorierten.

Zugleich hatte die Diskussion auch sehr positive Seiten. Auch die Emotionalität und Blauäugigkeit mancher Beiträge war nur die Kehrseite der Entschlossenheit, den Stuttgart-21-Befürwortern keine Zugeständnisse zu machen und der Sorge, Sprecher der Anti-Stuttgart-21-Bewegung könnten genau das tun. Immer wieder wurde betont, man dürfe sich nicht spalten lassen, interne Konflikte selbst lösen und nicht in den bürgerlichen Medien austragen. Ein Rückzug aus dem Park jetzt würde als Niederlage gesehen werden. Es war unstrittig, dass man die Zelte im Park verteidigen müsse, wenn versucht werde, sie mit Gewalt zu räumen.

Wenig Zeit übrig

Der Hauptnachteil der Park-Diskussion war, dass danach kaum mehr Zeit übrig war, die weitere Strategie im Kampf gegen Stuttgart 21 zu besprechen, insbesondere für die Zeit nach der "Schlichtung".

In wenigen Minuten wurden die Überlegungen bezüglich einer neuen Organisationsstruktur vorgestellt. Danach soll es alle drei bis vier Wochen Aktionskonferenzen geben und dazwischen ein Widerstandsrat aus VertreterInnen der verschiedenen Organisationen tagen. Unklar blieb aber, welche Funktion diese Struktur haben solle (insbesondere im Verhältnis zum bestehenden Aktionsbündnis).

Wegen der knappen Zeit wurden am Schluss noch bevorstehende Aktionen vorgestellt. Dabei wurden aber eigentlich nur Termine aufgezählt, sie aber nicht in eine Kampfstrategie gegen S21 eingebettet. Für ein Treffen, das sich "Aktionskonferenz" nennt, war das wirklich ein großes Manko.

Schlussfolgerungen

Bei der ersten Aktionskonferenz hatte es keine wirkliche Plenumsdiskussion gegeben, sondern nur Gruppenarbeit. Die SAV hat das damals kritisiert. Es besteht jetzt die Gefahr, dass Gegner von Plenumsdiskussionen und Fans von Gruppenarbeit den Ablauf der zweiten Aktionskonferenz als Bestätigung werten werden. Tatsächlich zeigte der Ablauf der Diskussion um den Park, was für einen großen Bedarf es gerade bei unorganisierten AktivistInnen für ein solches Diskussionsforum gab. Trotzdem war es bedauerlich, dass die Park-Diskussion so aus dem Ruder lief und die bevorstehenden Aufgaben zu wenig in den Blickpunkt kamen. Aus Sicht der SAV sind dies: Wir müssen davon ausgehen, dass die Bahn zwischen dem Ende der "Schlichtung" und der Landtagswahl im März möglichst viele Fakten schaffen will und ihre Bauarbeiten verstärkt wieder aufnehmen wird. Dem sollten wir mit neuen Blockaden und anderen Aktionen des zivilen Ungehorsams (Besetzungen, Streiks etc.) begegnen, angefangen mit einer Schwerpunktblockade am 30. November. Zweitens müssen die Massendemonstrationen weiter gehen. Wir sollten dafür sorgen, dass die überregionale Großdemo am 11. Dezember ein großer Erfolg wird. Und drittens muss der aufbau von Strukturen weiter gehen.

Bei allen Schwierigkeiten dieser Aktionskonferenz zeigten sich aber auch hier die Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit der Bewegung. Faszinierend war, dass der Raum nach vier Stunden noch recht voll war. Es sollte aber klar sein, dass weitere Aktionskonferenzen besser laufen müssen.