Interview von sozialismus.info mit einem gewerkschaftlich organisierten Kollegen aus dem Bereich Personennahverkehr über die Tarifauseinandersetzung bei der Bahn.
Die Tarifgemeinschaft von Transnet und GDBA hat Warnstreiks durchgeführt. Was sind die Gründe?
Die Tarifgemeinschaft (TG) will einen einheitlichen Branchentarifvertrag allgemeinverbindlich erklären (lassen). Damit will sie dem Umstand entgegentreten, dass die privaten Bahnunternehmen um bis zu 30 Prozent weniger Lohn als die Deutsche Bahn zahlen; die DB betreibt diese Lohndrückerei allerdings genauso durch Ausgliederung von Bereichen in zahlreiche Tochterfirmen, die zum Teil noch weniger als die Privaten zahlen.
Die Arbeitgeber machen ein Angebot von 2.295 Euro brutto monatlich. Im Vergleich zum laufenden Tarifvertrag liegt dieses Angebot mindestens 11 Prozent unter dem Volumen der DB Regio AG. Nimmt man die (höhere) Arbeitszeit und die fehlenden Beträge für die Sozialleistungen dazu, beträgt der Lohnverlust über 20 Prozent.
Können sich das die Bahnbeschäftigten leisten?
Nein, wir können uns das keinesfalls leisten. Mit 1400 0der 1500 Euro netto ist es jetzt schon sehr schwierig, eine Familie über die Runden zu bringen. Viele Kollegen könnten bei einer weiteren Absenkung ihre Ratenzahlungen für die notwendigen Anschaffungen nicht mehr bedienen und so in eine Situation der Überschuldung geraten. Mit uns ist das nicht zu machen. Hinzu kommt, dass die DGB Gewerkschaften (darunter die Transnet) über den Zeitraum der letzten 20 Jahre bereits Reallohnsenkungen zugestimmt haben. Wir befinden uns also bereits am unteren Ende der Fahnenstange.
Die Tarifgemeinschaft von Transnet und GDBA will sich nach eigenem Bekunden dem Absenkungstarifvertrag entgegenstellen. In der Vergangenheit haben sich diese Gewerkschaften nicht gerade als sehr kämpferisch aufgeführt. Ist es dieses Mal anders?
Die Transnet war seit jeher die Hausgewerkschaft der Deutschen Bahn. Als das Zusammenspiel von Transnet und der DB wegen der schlechten Tarifabschlüsse die Basis zum Brodeln brachte, wurde die Führungsetage umgemodelt. So ließ man die heiße Luft bei der Basis raus. Die sozialpartnerschaftliche Ausrichtung der Transnet hat sich dadurch nicht wesentlich geändert. Im Grunde genommen ist gegen das Ziel eines Branchentarifvertrages nichts zu sagen, damit das Lohndumping durch die Privatunternehmen beendet wird. Es liegt allerdings der Verdacht nahe, dass eine Lohnsteigerung bei den großen 6 Privaten am Ende doch mit einer Absenkung des Tarifs bei den DB Beschäftigten erkauft wird. Dies kann auch über veränderte Anrechnung der Arbeitszeiten oder dem Wegfall von Zulagen oder Sozialleistungen erfolgen. Generell liegt der Branchentarifvertrag auch im Interesse der DB, weil sich ihre Konkurrenzlage so bessert. Wir müssen also auf der Hut sein, dass die Transnet-Führung nicht das Spiel der DB spielt und am Ende eine Senkung unserer Löhne als hart erkämpfter Kompromiss präsentiert wird. Dagegen hilft nur, dass wir unsere Forderungen auch den Gewerkschaftsoberen gegenüber mit Entschiedenheit verfechten.
Und was ist die Position der GDL?
Die GDL hat eine andere Taktik. Einer der drei großen Arbeitgeberverbände verweigerte ihr jegliche Verhandlungen über einen Bundesrahmenlokführertarifvertrag. Deshalb führt sie mit den großen Mitgliedsunternehmen dieses Verbandes, zur Zeit relativ erfolgreich, Einzelgespräche. In der Folge sind die wesentlichen großen Privatunternehmen aus diesem Verband ausgetreten und haben signalisiert, dass sie einen Bundesrahmenlokführertarifvertrag (BuRa-LfTV) abschließen wollen. Vermutlich wollen sie sich dem durch die Subunternehmen der Bahn forcierten Unterbietungswettbewerb ihrerseits entziehen. Damit bröckelt die Front dieses Arbeitgeberverbandes ganz gewaltig. Dieser Arbeitgeberverband sieht seine Aufgabe nach eigenen Angaben, darin Wettbewerbsvorteile für seine Mitgliedsunternehmen durch niedrige Lohnabschlüsse zu generieren. 2008 hat die GDL ja bekanntlich eine anständige Lohnerhöhung für die Lokführer durchgesetzt, aber bei vielen Kollegen ist die Erhöhung über das Abschmelzen von persönlichen Zulagen teilweise oder vollständig weggefallen. Noch dazu hat die GDL den Streik zu einem Zeitpunkt abgebrochen als durch die Schwäche der Arbeitgeber wesentlich bessere Ergebnisse möglich gewesen wären. So hatten sich z.B. die Zugbegleiter am Streik beteiligt, aber man hat sie bei den Verhandlungen schlicht und einfach nicht berücksichtigt. Des weiteren fand die Urabstimmung erst dann statt, als die Basis rebellierte. Der Streik wurde schon vorher von dem damaligen Vorsitzenden Schell für beendet erklärt. Deswegen ist die einzige Garantie, dass die eigenen Interessen zum Zug kommen, die, dass man sich für seine Interessen selbst stark macht und die Gewerkschaft in ihrem Handeln kontrolliert. Die Basis wird nur bereit sein, in einen Arbeitskampf zu gehen, wenn eine Absenkung des derzeitigen Lokführertarifvertrags absolut tabu ist. Bei einem Einknicken der GDL-Führung wird die Wut groß sein und dann könnte sich diese Wut Bahn brechen. Dass Arbeiter auch kämpfen können, zeigen ja die Franzosen.
Die GDL will sich nicht an den Warnstreiks beteiligen. Was denkst du dazu?
Zunächst ist es bedauerlich, dass die Bahngewerkschaften es nicht schaffen, ein einheitliches Vorgehen zu beschließen. Das spielt den Arbeitgebern letztlich immer in die Hände. Die Gewerkschaften sollten dazu keinen Vorschub leisten. In der GDL Info wird darauf hingewiesen, dass sie bei Teilnahme an den TG Streiks keinen Rechtsschutz bietet. Das ist nicht hilfreich. Sie weist allerdings darauf hin, dass kein Arbeitnehmer verpflichtet ist, direkt einen bestreikten Arbeitsplatz zu übernehmen. Auch wenn die GDL meint, dass die Taktik der TG nicht zielführend ist, wäre es doch zu wünschen, dass die GDL ihren Mitgliedern klare Rückendeckung gibt, damit sie nicht unter Druck gesetzt werden können, als Streikbrecher eingesetzt zu werden. Denn in der Zukunft werden die Beschäftigten nur eine Chance haben, wenn sie solidarisch gemeinsam kämpfen. Als GDL-Mitglied setze ich mich an der Basis für die Zusammenarbeit von allen Beschäftigten ein, egal welcher Gewerkschaft sie angehören. Das gegenseitige Hickhack unter den Gewerkschaftsspitzen muss ein Ende haben. Insofern ist zu begrüßen, dass sich die GDL in einem offenen Brief nun grundsätzlich sich solidarisch mit dem Arbeitskampf Forderungen erklärt.
Das Interview führte Klaus Franz