Kolumne von Lucy Redler
Ein Teil der bürgerlichen Klasse hat sich entschieden. Die Rückendeckung für Seehofers Äußerungen über die angeblich integrationsunwilligen Muslime und seiner Forderung nach einem Zuwanderungsstopp für Muslime machen deutlich, wohin die Reise geht.
Wie schon zu Beginn der neunziger Jahre, als CDU/CSU und SPD mit der Asyldebatte auf den Anstieg der Arbeitslosigkeit nach der Wende reagierten, soll die Neuauflage der "Integrationsdebatte" dazu dienen, von Sozialkürzungen und Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich abzulenken. Wurden in den Neunzigern noch "Asylanten" zum Sündenbock gestempelt, sind es heute die Muslime.
Die nationalistische Offensive Sarrazins wird damit zum Ausgangspunkt für staatlichen Rassismus.
Multikulti sei nun mal gescheitert, betonen Seehofer und Merkel. Dass dies nie das Anliegen der Herrschenden war, als von Ende der fünfziger bis Anfang der siebziger Jahre Hunderttausende "Gastarbeiter" nach Deutschland geholt wurden, wird geschickt durch den Vorwurf kaschiert, die MigrantInnen wären individuell für unzureichende Integration verantwortlich.
Auch heute zielt die Politik der Herrschenden nicht auf Integration, sondern auf Ausgrenzung. Wie ist es anders zu verstehen, wenn einerseits gefordert wird, dass Migranten deutsch lernen sollen, andererseits das zuständige Bundesamt im Juli dafür die Mittel gekürzt hat?
Merkel und Seehofer zeichnen ein großes Bild: Arbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung seien kein gesellschaftliches Problem, das in der Spaltung und Krisenhaftigkeit des Kapitalismus wurzelt, sondern die angeblich integrationsunwilligen Migranten sollen erstens selbst schuld an ihrer sozialen Misere und zweitens auch noch der Sündenbock für deutsche Erwerbslose und Ausgegrenzte sein.
Gegen solch eine Verdrehung der Tatsachen hilft Aufklärung, aber vor allem der gemeinsame Kampf von Beschäftigten und Erwerbslosen mit und ohne Migrationshintergrund gegen Sozialabbau und Rassismus.