LINKE-Programmkonvent und Regierungsfrage
Was die grundsätzlichen Ziele angeht, die beim bundesweiten Programmkonvent am 7. November in Hannover zur Debatte stehen, bleibt der Programmentwurf der LINKEN zwar hinter den Ansprüchen an ein konsequentes sozialistisches Programm in der tiefsten Krise des Kapitalismus seit 80 Jahren zurück und verharrt, wenn er konkret wird, im Rahmen des bürgerlichen Systems (so wird ein Bekenntnis zur EU abgegeben). Dennoch hat sich DIE LINKE in ihrem Programmentwurf als einzige Bundestagspartei auf die Seite der Lohnabhängigen gestellt und sich zur Überwindung des Kapitalismus bekannt.
von Heino Berg, Göttingen
Die Linkspartei tritt im Programmentwurf für die Vergesellschaftung der "strukturbestimmenden Großbetriebe" ein, will sie demokratischer Kontrolle unterordnen und damit die Voraussetzungen für eine neue, sozialistische Gesellschaftsordnung schaffen.
Um von der politischen Krise zu profitieren, muss die Partei sich allerdings viel stärker als bislang in die realen Proteste – ob gegen Stuttgart 21, AKW-Politik oder Kürzungen – einbringen und diese vorantreiben. Zudem machen aber auch programmatische Aussagen, denen zu Folge die DDR ein "Sozialismusversuch" gewesen sei, DIE LINKE angreifbar. Sie müsste unmissverständlich klarstellen, dass ohne demokratische Rechte – wie in der DDR – eine wirkliche Kontrolle der Produzenten über das öffentliche Eigentum und damit eine sozialistische Gesellschaft unmöglich war – und ist.
Glaubwürdigkeit
Das rechte "Forum Demokratischer Sozialismus" (fds) stellt den antikapitalistischen Kern des Programmentwurfs radikal in Frage und verteidigt die Marktwirtschaft. Richtschnur für die Vorstöße des fds sind ausschließlich taktische Rücksichten auf die Bündnispartner der LINKEN in bestehenden oder angestrebten Regierungskoalitionen. Das gilt für antimilitaristische Grundsätze, die bedenkenlos zur Disposition gestellt werden, wenn sie der SPD nicht gefallen. Das gilt zum Beispiel auch für den Mindestlohn. DIE LINKE in Sachsen-Anhalt tritt in ihrem Wahlprogramm nicht mehr – wie die Gesamtpartei – für zehn Euro, sondern – wie die SPD – für 8,50 Euro ein. Rücksichten auf eine Partei, die jahrelang zum Lohn- und Sozialabbau aktiv beigetragen hat, sind für manche bereits in ihren Wahlzielen also wichtiger als das, was DIE LINKE beschlossen hat. Was nach diesem vorauseilenden Gehorsam in Koalitionsverhandlungen vom Programm der LINKEN übrig bleibt, kann man in Berlin oder Brandenburg besichtigen. Die unsoziale Regierungspraxis ist die Hauptquelle für die Glaubwürdigkeitsdefizite der LINKEN.
Natürlich ist es wichtig, die Frontalangriffe des fds auf den antikapitalistischen Kern des Programmentwurfs abzuwehren. Wenn eine Regierungskoalition mit den Parteien, die den sozialen Kahlschlag organisiert haben, aber das zentrale Ziel der LINKEN für 2013 sein sollte, wie es das neue "Strategiepapier" von den Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst sowie Fraktionschef Gregor Gysi vorsieht, untergräbt das zusätzlich die Glaubwürdigkeit dieser programmatischen Ziele. Oder will jemand ernsthaft behaupten, dass DIE LINKE in einer von SPD und Grünen dominierten Bundesregierung der Vergesellschaftung der Großkonzerne auch nur einen Schritt näher kommen kann? Das gilt für die programmatischen, aber auch für die aktuellen Tagesforderungen. Wie will DIE LINKE zum Beispiel glaubwürdig gegen Stuttgart 21 kämpfen, wenn sie gleichzeitig zum "Motor" von Regierungsbündnissen mit der SPD werden möchte, die ausdrücklich an diesem Projekt festhält?
Keine Beteiligung an Regierungen mit Hartz-IV-Parteien
In dem Programmentwurf werden als Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung aufgeführt: keine Privatisierungen, kein Sozial- und Arbeitsplatzabbau, keine Kampfeinsätze der Bundeswehr. Leider wird diese Frage jedoch in keinen Zusammenhang zur sozialistischen Veränderung gesetzt. Es fehlt eine eindeutige Absage an den Gedanken, mit pro-kapitalistischen Parteien das Profitsystem zu verwalten. Und es wird nicht herausgestellt, dass der Platz einer sozialistischen Partei in erster Linie an der Seite derjenigen sein muss, die sich gegen die Herrschenden aktiv zur Wehr setzen. Sozialistische Politik auf Regierungsebene ist nur denkbar, wenn DIE LINKE eine machtvolle Kraft mit Massenbasis aufgebaut hat, wie das für die SPD Ende des 19. Jahrhunderts zutraf.