Der Widerstand braucht unsere Solidarität!
Flugblatt der SAV (auch als PDF) vom 1. Oktober 2010
– Die Milliarden, die in Stuttgart auch mit Geldern vom Bund verbuddelt werden sollen, fehlen für Bildung, Soziales und Umwelt
– Wegen Stuttgart 21 legt die Bahn viele sinnvolle Schienenprojekte auf Eis
– Ein Erfolg der Proteste gegen Grube, Mappus und Merkel würde den Widerstand gegen Umweltzerstörung und Sozialkürzungen bundesweit stärken
In diesen Tagen feiern Politiker – angesichts 20 Jahre Wiedervereinigung – in schwülstigen Reden die Demonstrationen in der DDR im Herbst 1989. Welche Heuchelei! Die gleichen Politiker lassen in Stuttgart DemonstrantInnen mit Polizeigewalt niederknüppeln. Am 30. September kam es in Stuttgart auch zu ersten Einsatz von Wasserwerfern seit 30 Jahren.
Was passiert in Stuttgart?
Seit zwei Monaten demonstrieren Woche für Woche Zehntausende gegen das Projekt Stuttgart 21 (S 21). Im August und September wurde der Nordflügel, ein Seitenflügel des Hauptbahnhofs, abgerissen. Am 1. Oktober begannen die Baumfällungen im Mittleren Schlossgarten, dem an den Bahnhof grenzenden Park.
Was bedeutet Stuttgart 21?
Der bisherige Kopfbahnhof soll in einen Durchgangsbahnhof umgewandelt werden. Dafür möchten die Regierenden den Hauptbahnhof unter die Erde verlegen. Zudem soll zwischen Stuttgart-Wendlingen und Ulm eine neue Hochgeschwindigkeitstrasse geschaffen werden.
Warum die Menschen aus Stuttgart und der ganzen Region seit Monaten gegen S 21 Sturm laufen
– Der alte Hauptbahnhof wird amputiert, beide Seitenflügel sollen zerstört werden. Insgesamt will man über ein Dutzend denkmalgeschützte Gebäude vernichten
– Ein wichtiger Teil des Innenstadtparks soll plattgemacht, 282 jahrhunderte alte Bäume sollen abgeholzt werden. Damit nimmt man der Stadt die „grüne Lunge“
– Die Untertunnelung Stuttgarts in problematischen Gesteinsschichten birgt große Risiken. Die Kölner können ein Lied davon singen (Einsturz des Stadtarchivs beim U-Bahn-Bau)
– Das Projekt gefährdet die Mineralquellen (nach Budapest hat Stuttgart die größten Mineralquellen in ganz Europa)
– Nach Schätzungen belaufen sich die Gesamtkosten inzwischen auf 18 Milliarden Euro
Stuttgart 21 ist KEIN Bahnprojekt
Mit Stuttgart 21 findet kein Ausbau des Bahnverkehrs statt. So werden die bisherigen 16 Gleise des Stuttgarter Hauptbahnhofs auf acht halbiert. Hochgeschwindigkeitstrassen führen zur Reduzierung des Zugverkehrs in der Fläche. Bahnen gehören eigentlich zu den umweltfreundlichsten Verkehrsmitteln. Das gilt aber nicht für Hochgeschwindigkeitszüge. Aufgrund ihrer extrem hohen Geschwindigkeiten steigt der Energieverbrauch hier überproportional.
Ein Projekt für Immobilienhaie und die Autolobby
Mit der „Tieferlegung“ des Hauptbahnhofs sollen in bester Innenstadtlage hundert Hektar Bahnfläche genutzt werden – für Hotels, Luxusappartements, Büros, Einkaufszentren. Baufirmen und Immobilienspekulanten reiben sich die Hände.
Stuttgart 21 bedeutet auch die weitere Vorfahrt für den Autoverkehr. Der Güterverkehr wird von der Schiene auf die Straße verlagert. Der Schienennahverkehr schrumpft. In beiden Fällen steigt der private Autoverkehr.
Gelder von Bund und Bahn für S 21
Mit dem „Sparpaket“ kürzt die schwarz-gelbe Bundesregierung 80 Milliarden Euro (ob Wegfall vom Elterngeld für Erwerbslose oder die Streichung von bis zu 10.000 Stellen im Öffentlichen Dienst). Gleichzeitig sieht sie kein Problem, Stuttgart 21 mit 2,6 Milliarden Euro Steuergeldern zu subventionieren und 1,4 Milliarden plus zusätzlicher Milliarden Kostenrisiken für die Hochgeschwindigkeitsstrecke zu übernehmen.
Wer S 21 ablehnt
Mehr als zwei Drittel der Stuttgarter Bevölkerung lehnen das Projekt heute klar ab. Umfragen zeigen auch, dass über 50 Prozent in ganz Baden-Württemberg gegen S 21 sind, nur ein Drittel dafür. Obwohl 2007 in sechs Wochen 71.000 Unterschriften für ein Bürgerbegehren gesammelt wurden, ignorierte dies der CDU-Oberbürgermeister Wolfgang Schuster. Obwohl für den 6. Oktober noch ein Gerichtsurteil aussteht, haben die Bauarbeiten bereits begonnen. Obwohl seit Monaten Massendemonstrationen stattfinden, versucht die schwarz-gelbe Landesregierung mit der Unterstützung von CDU-Kanzlerin Angela Merkel das Projekt mit aller Gewalt durchzuboxen: Am 30. September prügelten Tausende von Polizisten mit Wasserwerfern, Pfefferspray und Schlagstöcken den Schlossgarten-Park frei. Hunderte DemonstrantInnen wurden verletzt.
Wer S 21 durchprügeln möchte
Drahtzieher sind Bau- und Autokonzerne. Es ist kein Zufall, dass drei der vier letzten Bahn-Chefs zuvor Spitzenpositionen bei Daimler hatten. Man braucht sich auch nicht wundern, dass der Lothar Späth, der S 21 als früherer CDU-Ministerpräsident mit eingefädelt hat, jetzt Aufsichtsratsvorsitzender der Tunnelbohrmaschinenfirma Herrenknecht ist.
Die Stuttgart-21-Gegner
Eigentlich hätten die Partei DIE LINKE und vor allem die Gewerkschaften (mit ihren über 800.000 Mitgliedern allein in Baden-Württemberg) die Kraft, Stuttgart 21 zu stoppen. Wenn sie ihre Apparate nutzen würden, dann könnten sie durch eine Aufklärungs- und Mobilisierungskampagne Massenblockaden und Streiks erreichen. Doch die Gewerkschaften sind immer noch so stark von der Stuttgart-21-Partei SPD kontrolliert, dass sie sogar gewerkschaftliche Beschlüsse gegen S 21 oft hintertreiben. Mitglieder und auch Mandatsträger der LINKEN beteiligen sich zwar an den Protesten, die Partei schöpft ihre Möglichkeiten aber leider nicht aus.
Eine führende Rolle nimmt das „Aktionsbündnis“ ein (zu dem „Stuttgart Ökologisch Sozial“, BUND, VCD, die Grünen und andere gehören). Zudem gibt es die „Parkschützer“, die über 25.000 UnterstützerInnen zählen. Die von Mitgliedern der SAV und Linksjugend ["solid] mitinitiierte „Jugendoffensive gegen Stuttgart 21“ spielt ebenfalls eine wichtige Rolle und organisierte am 30. September einen Schülerstreik von 2.000 TeilnehmerInnen.
Wie weiter?
Demonstrationen reichen offensichtlich nicht, das Projekt zu stoppen. Nötig ist ein massenhafter, gut organisierter Widerstand, zum Beispiel effektive Blockaden zur Verteidigung vom Südflügel und zur Verhinderung weiterer Baumfällarbeiten im Park. Dafür braucht es Versammlungen und bessere Strukturen (SAV-Mitglieder haben deshalb beispielsweise vor Monaten in Stuttgart – Bad Cannstatt eine Stadtteilinitiative gegründet). Weitere Infos zu den Vorschlägen der SAV und von „Jugendoffensive“ in Stuttgart unter: www.archiv.sozialismus.info
Der Protest gegen S 21 geht uns alle an!
Sollte die Massenbewegung gegen Stuttgart 21 Erfolg haben, dann würde das nicht nur den Politikern und Unternehmern in Baden-Württemberg, sondern auch der Merkel-Regierung und den Herrschenden bundesweit einen harten Schlag versetzen. Das würde uns Rückenwind beim Widerstand gegen Kürzungen vor Ort geben!
– Für die Unterstützung der Proteste in Stuttgart gegen S21
– Für Solidaritätsaktionen vor Ort (zum Beispiel vor Bahnhöfen oder der CDU-Zentrale)
– Druck auf Gewerkschaften und LINKE machen, eine bundesweite Solidaritätskampagne (mit Infomaterial, Veranstaltungen und Großdemos) zu starten