Was die Regierung nach dem „Aussetzen“ des Wehrdienstes vorhat
Die Bundeswehr wird zur Interventionsarmee umgerüstet. Während die Wehrpflicht aus Sicht der Herrschenden so keinen Sinn mehr macht, soll Lohndumping durch Zivildienstleistende und Freiwilligendienste beibehalten und ausgebaut werden.
von Michael Koschitzki, Berlin
Die Bundesregierung plant, die Wehrpflicht abzuschaffen. Der Sinn des sechsmonatigen Zwangsdienstes bestand zuletzt nur noch in der Rekrutierung von Nachwuchs für die Berufsarmee. In völliger Offenheit sagt der ehemalige SPD-Verteidigungsminister Rudolf Scharping: „Die Reichweite unserer Interessen (und Ideale) ist größer als die Reichweite unserer Mittel – schon gar der militärischen. (…) Das alles erfordert sehr flexible, über große Distanzen einsetzbare Streitkräfte und rückt vieles in neue Prioritäten, darunter Bewaffnung und Aufklärung, Kommunikation, Führungs- und Durchhaltefähigkeit.“
Während Scharping an der Wehrpflicht festhält, will Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) aus dem gleichen Grund die Einziehung von Wehrpflichtigen „aussetzen“ und die finanziellen Mittel auf die Berufsarmee und die imperialistischen Interessen, zum Beispiel in Afghanistan, konzentrieren.
Zivildienst
Etwa 90.000 junge Männer leisten zur Zeit pro Jahr ihren Zivildienst ab. Die Dauer wurde soeben von neun auf sechs Monate verkürzt. Zwei Drittel arbeiten am Menschen, das heißt im Pflegebereich, Behindertenbetreuung und so weiter. Ein erheblicher Teil arbeitet bei privaten Sozialeinrichtungen.
Ein großer Teil der Kosten für Zivildienstleistende wird vom Bund übernommen, wodurch sie für ihre Einrichtungen billige Arbeitskräfte sind. Besonders beliebt sind ausgebildete Fachkräfte, wie Köche, EDV-Kräfte und Berufskraftfahrer. Jeder weiß, dass Zivildienstleistende Arbeiten übernehmen, die sonst durch Fachkräfte erledigt werden müssten.
Bisherige Freiwilligendienste
Zusätzlich zu den Zivildienstleistenden gibt es circa 35.000 besetzte Stellen im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und im Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ). Achtzig Prozent dieser Freiwilligendienste werden von jungen Frauen absolviert. Rechtlich und mit 150 bis 200 Euro Taschengeld finanziell sind FSJler schlechter gestellt als Zivildienstleistende. Mit vierzig und mehr Stunden Arbeitszeit in der Woche sind FSJler billige Arbeitskräfte.
Für die Träger sind sie etwas teurer als die Zivildienstleistenden, aber sie sind länger an den Träger gebunden und es wird ausgenutzt, dass sie sich „freiwillig“ den Rücken krumm schuften. Junge Männer und Frauen werden missbraucht, um ausgebildete Arbeitskräfte billig zu ersetzen.
Neuer Freiwilligendienst geplant
Die Bundesregierung plant nach „Aussetzung“ der Wehrpflicht einen neuen Freiwilligendienst für Männer und Frauen. Die Dauer soll zwölf bis 18 Monate betragen und damit noch länger als der bisherige Zivildienst sein. Die Vergütung und Förderung ist noch nicht beschlossen, jedoch soll die bisherige Ausbeutung junger Menschen fortgesetzt werden.
Das muss abgelehnt werden! Stattdessen gehören die Freiwilligendienste in tariflich bezahlte Arbeitsplätze umgewandelt. Ein massives Investitionsprogramm in Gesundheit und Soziales muss Personal und Mittel zu einer Versorgung von PatientInnen nach ihren Bedürfnissen zur Verfügung stellen. Jedem jungen Erwachsenen muss ein Studien-, betrieblicher Ausbildungs- beziehungsweise Arbeitsplatz im gewünschten Beruf zur Verfügung gestellt werden.
Aus der Gewerkschaft ver.di kam Kritik an der geplanten Ausweitung des Zivil- und Freiwilligendienstes. Gerade die ver.di-Jugend sollte die Verlängerung der Zivil- und Freiwilligendienste in den gewerkschaftlichen Aktionswochen ab Ende Oktober aufgreifen und die Demonstrationen am 13. November nutzen, um dagegen und gegen die gesamten Angriffe der Bundesregierung mobil zu machen