Streit über Antikapitalismus

Stand der Programmdebatte in der LINKEN


 

Die Programmdiskussion hat nach der Veröffentlichung des Entwurfs im Frühjahr über den Sommer deutlich nachgelassen. Nun ergriff – vor den ersten Regionalkonferenzen zum Programmentwurf im September – das Forum Demokratischer Sozialismus (fds), in dem Kräfte wie der langjährige Berliner Vorsitzende und Regierungsbefürworter Stefan Liebich federführend sind, die Initiative und startete mit seinen „13 Thesen“ einen Frontalangriff auf die antikapitalistischen Aussagen des Entwurfs.

von Heino Berg, Göttingen

Die Programmkommission, die den bisherigen Entwurf erarbeitet hatte, wurde aufgelöst. Eine vierköpfige Redaktionsgruppe (Sahra Wagenknecht, Ralf Krämer, Katja Kipping und Matthias Höhn) die weniger das einstimmig verabschiedete Ergebnis der Programmkommission, als verschiedene Parteiströmungen repräsentiert, soll nun die Reaktionen aus der Partei für den Bundesvorstand aufarbeiten, der dann einen neuen Entwurf vorlegen will. Damit ist unklar, auf welches Dokument sich die Regionalkonferenzen, der Programmkonvent am 6. November in Hannover und die Gliederungen der Partei bei ihren Beratungen überhaupt beziehen sollen. Folglich gibt es bislang auch kaum Änderungsvorschläge. Diese Programmdebatte ist damit nur als unverbindlicher Meinungsaustausch und nicht als von unten nach oben organisierte Einflussnahme auf den Programmtext selbst konzipiert.

Thesen des fds

Das fds will mit seinen „13 Thesen“ die Aussage des Entwurfs kippen, den Kapitalismus als „zerstörerisch“ einzuschätzen und deshalb grundsätzlich überwinden zu wollen: „So entsteht das Bild eines Kapitalismus, der nur destruktiv ist und keinerlei Reformfähigkeit besitzt. Aber wie hat er dann die Systemauseinandersetzung mit dem real existierenden Sozialismus gewinnen können…?“ Dabei stützt sich das fds auf eine falsche Gleichsetzung des Stalinismus als „real existierender Sozialismus“ mit jeder sozialistischen Gesellschaftsordnung.

Das fds wendet sich ausdrücklich gegen das Verbot von Privatisierungen bei der Frage, was Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung sein sollen. „Die Ablehnung jeglicher Privatisierung ist nach der Interpretation mancher Linker ein kategorischer Imperativ ohne Wenn und Aber. Doch Eigentumspolitik ist nicht Dogmenvollzug“ (These 5). Das fds verteidigt in These 11 auch die NATO als Institution, mit der „Bevölkerungsmehrheiten ihr Sicherheitsbedürfnis verbinden“. UN-mandatierte Kriegseinsätze seien „nicht immer abzulehnen“.

Das fds plädiert dafür, solche (auch für eine Regierungsbeteiligung essenziellen) Punkte aus dem Parteiprogramm auszulagern und zum Gegenstand separater Bundesparteitagsbeschlüsse zu machen.

Halbheiten im Programmentwurf

Das fds stützt sich dabei immer wieder auf Defizite des Programmentwurfs. So spricht auch der Entwurf bezüglich der DDR von einem „Sozialismusversuch“, ohne zu erwähnen, dass das SED-Regime dort von Anfang an unter der Kontrolle der stalinistischen Bürokratie stand und ArbeiterInnen systematisch unterdrückt wurden. In der Eigentumsfrage lässt schon der Programmentwurf offen, auf welche Bereiche der Wirtschaft sich Verstaatlichungen beziehen sollen. Zudem strebt der Entwurf „als ersten Schritt einen grundlegenden Richtungswechsel der ökonomischen und gesellschaftlichen Entwicklung, ein sozial-ökologischer Umbau“ an. Dies unterstellt, dass ein solcher „erster Schritt“ noch innerhalb der bestehenden Eigentumsordnung möglich sei. Dem widerspricht die Erfahrung, dass die Herrschenden gegen alle Maßnahmen, die ihre Profite qualitativ einschränken würden, mit massiven Gegenangriffen reagieren.

Letztendlich trägt der Programmentwurf einen linksreformistischen Charakter. Zwar bedeutet er gegenüber den bisherigen Programmatischen Eckpunkten einen Schritt nach links. Dennoch bleibt er klar hinter den Ansprüchen für ein modernes sozialistisches Programm zum Zeitpunkt der tiefsten Krise des Kapitalismus seit 80 Jahren zurück.