Südafrika: Streikwelle im Öffentlichen Dienst

Gewerkschaftsführung wagt nicht Bruch mit Zuma-Regierung


 

Ein Vierteljahr nach Ende der Fußball-WM ist die südafrikanische Gesellschaft wieder in der Realität angekommen. Nicht in die kostspielig erbauten Stadien, sondern auf die Straßen gingen zehntausende Menschen, um dem am 18. August begonnenen Streik im Öffentlichen Dienst Nachdruck zu verleihen.

von Jens Meyer, Kassel

Allein in Johannesburg demonstrierten am 26. August 40.000 LehrerInnen, Krankenschwestern und Behördenmitarbeiter – trotz des Versuchs der Kriminalisierung und Denunziation des Streikes seitens der Behörden und Medien. Entlang des Demonstrationszuges stürmten ArbeiterInnen aus ihren Büros und klatschten Beifall.

Cosatu und ANC-Regierung

Für die in diesem Sektor arbeitenden 1,3 Millionen Menschen ist der Ausstand nun jedoch nach drei Wochen des entschlossenen Kampfes vorerst unterbrochen. Die Führung des südafrikanischen Dachgewerkschaftsverbandes Congress of South African Trade Unions (Cosatu) hat offiziell noch nicht das Angebot von der Regierung unter Führung des African National Congress (ANC) angenommen. Dieses sieht eine 7,5 prozentige Lohnerhöhung und die Zahlung von 800 Rand (85 Euro) Wohngeld für die Beschäftigten vor. Trotzdem scheint die Gewerkschaftsführung bereits jetzt gegen den breiten Willen der Mitglieder vor der Arbeitgeberseite kapituliert zu haben.

Nur ein Viertel aller Erwachsenen in Südafrika verfügt über ein regelmäßiges Einkommen. Von diesem wiederum erhalten 70 Prozent weniger als 2.500 Rand (270 EUR) monatlich. Der durchschnittliche Verdiener versorgt weitere acht bis zehn Menschen mit seinem Einkommen. Die Inflationsrate liegt in Südafrika bei fast vier Prozent. Seit Januar 2010 haben außerdem mehr als eine Million SüdafrikanerInnen ihren Job verloren.

Vor diesem Hintergrund von „Maßlosigkeit“ der Streikenden zu sprechen, wie es die ANC-Regierung unter Präsident Jacob Zuma macht, spottet den objektiven Umständen der Bevölkerungsmehrheit.

Generalstreik abgeblasen

Das energische Auftreten der Streikenden spielte eine entscheidende Rolle bei den Verhandlungen. Die Regierungsseite wurde mehrfach durch die anhaltenden Proteste genötigt, ihr Angebot zu korrigieren. Ein besseres Ergebnis für die Beschäftigten wurde jedoch durch das Abwenden eines Generalstreiks durch die Cosatu-Führung vertan. Dies ist um so bedauerlicher, da parallel zum Öffentlichen Dienst auch die angeschlossenen Einzelgewerkschaften der Metall- und Minenarbeiter im Ausstand um höhere Löhne sind. Cosatu fällt damit den berechtigten Forderungen ihrer eigenen Mitglieder in den Rücken.

Seit dem Ende der Apartheid 1994 ist Cosatu in der „Tripartite-Allianz“ mit dem seitdem regierenden ANC sowie der South African Communist Party (SACP) verbunden. Offiziell eigenständig, sind alle drei Organisationen eng miteinander verzahnt. Die gemeinsamen Aktivitäten reichen von der gemeinsamen Organisierung politischer Aktivitäten bis zur Aufstellung gemeinsamer Listen für Wahlen.

Dies geschieht scheinbar ungeachtet des neoliberalen Kurses, den der ANC seit Mitte der neunziger Jahre fährt. Dieser führte zu einem Wachstum ohne neue Arbeitsplätze und einer verschärften Kluft zwischen Arm und Reich.

Auch wenn der Streik nunmehr beendet scheint: Die Tatsache, dass sich die Wut der Beschäftigten nicht nur gegen den Präsidenten Zuma, sondern auch gegen die mit dem ANC kungelnde Gewerkschaftsbürokratie richtet, zeigt, dass ein tiefer Riss im Verhältnis der Bevölkerung zu den sie angeblich repräsentierenden Eliten besteht.