Vor den gewerkschaftlichen Aktionswochen

Viele Einzelaktionen oder effektiver Widerstand?


 

Es ist positiv, dass die Gewerkschaften Proteste gegen Sparpaket, kommunale Kürzungen, Gesundheitsreform und Rente mit 67 angekündigt haben. Allein die Aktionskonferenz der IG Metall in Baden-Württemberg am 22. September mit 2.500 Vertrauensleuten und Betriebsräten zeigt das Potenzial, welches die Gewerkschaften für eine machtvolle Kampagne gegen die Bundesregierung hätten. Jedoch wird aus den bisherigen Aktionsplänen nicht sichtbar, wie der Widerstand so gebündelt werden soll, dass die Regierung einlenken und ihre Kürzungspläne fallen lassen muss. Im Gegenteil, an Stelle einer Bündelung der Kräfte sieht alles nach einer Verzettelung aus.

von Angelika Teweleit, Berlin

Die IG Metall will einen „Kurswechsel für ein besseres Leben“, ver.di meint: „Gerecht geht anders.“ Und der DGB möchte mit den Herbstaktionen ein Zeichen gegen die „Schieflage“ in Deutschland setzen. Anstatt eindeutige und greifbare politische Forderungen zu stellen, wirken die Aussagen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) wie zahnlose Appelle an das soziale Gewissen der Politiker und der Bosse, zum Beispiel wenn sehr vage gemahnt wird: „Wir brauchen gute Arbeit, starke öffentliche Leistungen, gutes Auskommen im Alter, ein solidarisches Gesundheitssystem sowie qualifizierte Bildung und Ausbildung.“ Nötig wäre hingegen eine klare Kampfstrategie, wie eine Protest- und Streikbewegung aufgebaut und die Pläne der Bundesregierung zu Fall gebracht werden können.

Aktionismus oder effektiver Widerstand?

Die Kampagnen-Seite von ver.di, www.gerecht-geht-anders.de, bietet beispielsweise ein Bild von kunterbuntem Aktionismus. Natürlich ist es gut, dass AktivistInnen in vielen Städten und in einigen Betrieben die Initiative ergreifen, und Aktionen planen oder bereits durchgeführt haben. So gibt es seitens der Anti-Krisen-Bündnisse in ein paar Orten Demonstrationen am 29. September, dem europaweiten Aktionstag des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB), so findet in Frankfurt am Main am 18. Oktober eine „Bankenblockade“ statt, so soll am 26. November, dem Tag der Entscheidung über das Sparpaket, ein Protest vor dem Bundestag erfolgen. Zudem werden – sehr spät – vom 24. Oktober an bis zum 13. November drei Aktionswochen von gewerkschaftlicher Seite her durchgeführt. In mehreren Städten sollen dann am Samstag, den 13. November beziehungsweise kurz davor größere Demonstrationen organisiert werden.

Wieviel mehr Durchsetzungskraft hätte es jedoch, wenn all die Proteste nicht vereinzelt durchgeführt, sondern durch eine entschlossene Gewerkschaftsführung effektiv koordiniert würden. Angefangen mit Betriebsversammlungen an einem Tag (spätestens zu Beginn der Aktionswochen) und anschließenden Protestkundgebungen in allen größeren Städten Deutschlands. Das wäre ein allererster Schritt hin zu einem gemeinsamen Widerstand.

Politischer Streik und Generalstreik

Die Bundesregierung lässt sich weder durch Mittagspausenaktionen noch durch Samstagsdemos von ihren Vorhaben abbringen. Solche Aktionen können nur ein Anfang sein. Nötig sind gemeinsame Streikaktionen aller Beschäftigten bis hin zu einem Generalstreik – um einen größtmöglichen politischen und ökonomischen Druck auszuüben -, so wie es in Frankreich, Spanien und Griechenland gerade vorgemacht wird. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske hat erst kürzlich in der Zeitschrift „Mitbestimmung“ in einem Interview geäußert, „politische Streiks“ seien für ver.di „kein Tabu“. Diese Aussage sollten AktivistInnen bei ver.di aufgreifen und einfordern, dass statt vieler Einzelaktionen auf einen gemeinsamen Streik- und Protesttag im Öffentlichen Dienst hingearbeitet wird. Generell sollte für betriebs- und branchenübergreifende Streiks in den Aktionswochen gekämpft werden.

Sollten die Gewerkschaften jetzt mit einer großangelegten Informations- und Mobilisierungskampagne beginnen, also Millionen Flugblätter und Plakate gegen die Angriffe der Regierenden herausbringen und Veranstaltungen organisieren, dann könnte wirksam auf Arbeitsniederlegungen hingearbeitet werden. Hierbei wäre es nötig, auch die Verbindung zu den Großprotesten gegen die Atompolitik und gegen Stuttgart 21 (auch hier geht es um die Bereicherung einer kleinen Minderheit auf Kosten der großen Mehrheit) zu ziehen. Zudem plädieren 86 Prozent der in einer Forsa-Umfrage befragten Beschäftigten für Lohn- und Gehaltserhöhungen – das wirft die Frage nach einer Nachschlagsforderung in der Metallindustrie und anderswo auf.

Am Mittwoch, den 8. September protestierten in Braunschweig insgesamt 2.500 Beschäftigte, darunter 1.000 VW-ArbeiterInnen und KollegInnen aus mehreren Betrieben des Öffentlichen Dienstes, gemeinsam zum Auftakt der Herbstaktionen gegen Sozialabbau. Das ist ein kleines Beispiel für notwendige betriebsübergreifende Gegenwehr. Ausgehend von Vertrauensleute- und Betriebsrätekonferenzen und einer ernsthaften gewerkschaftlichen Kampagne mit konkreten Schritten zum Aufbau des Widerstands – von betriebs- und branchenübergreifenden Streiks bis hin zu massenhaften Mobilisierungen aller Gewerkschaften zu den Demonstrationen am 13. November – könnte ein eintägiger Generalstreik vorbereitet werden. Musterresolutionen und Argumentationshilfen hierzu gibt es auf der Homepage des „Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di“: www.netzwerk-verdi.de.

Wir zahlen nicht für Eure Krise!

In allen Betrieben und Gewerkschaften muss der Druck auf die Gewerkschaftsführungen verstärkt werden. Die Lohnkämpfe der Beschäftigten der Stahlindustrie, der Telekom und der Unikliniken in Baden-Württemberg und Berlin könnten Bestandteil eines heißen Herbstes werden. Auch die Tarifrunden haben einen politischen Charakter. Unternehmer wollen weitere Profitsteigerungen durch Lohnsenkungen erreichen. In den Unikliniken sollen die Kosten der Gesundheitsreform auf das Personal abgewälzt werden. Der Kampf für höhere Löhne und gegen die Kürzungspläne der Regierung könnten unter dem Motto der Anti-Krisen-Bündnisse „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ zusammengefasst und koordiniert werden.

Für kämpferische Gewerkschaften

Auch wenn es momentan schwierig erscheint, den Druck so weit auf die Gewerkschaftsoberen zu erhöhen, dass sie sich in den nächsten Wochen zu koordinierten Streikaktionen und zur Vorbereitung eines eintägigen Generalstreiks gezwungen sehen, ist es nötig, in den Belegschaften das Bewusstsein für solche nötigen Kampfschritte zu stärken. Mehr KollegInnen müssen für den Aufbau einer kämpferischen Opposition gewonnen werden; einer Opposition mit dem Ziel, eine programmatische und personelle Alternative zu schaffen.

Dafür macht es Sinn, KollegInnen zu sammeln und mit ihnen gemeinsam Druck für weitergehende Proteste bis hin zu Arbeitsniederlegungen zu machen. Wo möglich, sollten entsprechende betriebliche Aktionen organisiert werden, noch besser zeitgleich mit anderen Betrieben. Zentrales Ziel ist es, die Gewerkschaften von unten zu erneuern und wieder zu Kampforganisationen zu machen.