Portugal: Sozialkahlschlag und Gegenwehr

Zur Situation vor dem europäischen Aktionstag am 29. September 2010


 

Die portugiesische Wirtschaft steht entgegen den Beteuerungen der Herrschenden vor dem Abgrund. „Portugal ist nicht Griechenland!“ war das Mantra, dass die Regierung von Ministerpräsident José Socrates monatelang der Öffentlichkeit vorbetete. Nun ist dieses Land aber ebenfalls hart von der Krise getroffen und mit einem umfangreichen Kürzungsprogramm konfrontiert – doch es formiert sich Widerstand.

von Sebastian Förster, Essen

Das portugiesische "Sparpaket" hat es in sich: innerhalb der nächsten zwei Jahre soll das staatliche Haushaltsloch von 9,4% halbiert werden. Die Mehrwert- und Einkommenssteuer werden erhöht, was vor allem auf Kosten der Breiten Bevölkerung geht. Das Renteneintrittsalter soll bis 2013 von 65 auf 67 Jahre angehoben und bei dem sowieso schon äußerst dürftigen Erwerbslosengeld der Rotstift angesetzt werden (wobei bereits 240.000 Arbeitslose gar keine Hilfe mehr erhalten). Mit dem Verkauf von 19 staatlichen Firmen wie der Post und der Stromversorgung soll außerdem die Privatisierungsprogramm der portugiesischen Geschichte durchgedrückt werden. Die Löhne der öffentlich Beschäftigten sollen bis 2013 auf dem aktuellen Niveau bleiben, also wegen der Inflation de facto sinken. Und das, obwohl die portugiesischen Löhne mit einem Mindestgehalt von 475€ bereits jetzt die niedrigsten in der Eurozone sind. Zwei Drittel der Stellen im öffentlichen Dienst, die in den nächsten Jahren frei werden, sollen nicht neu besetzt, sondern ersatzlos gestrichen werden. 500 Grundschulen werden geschlossen und Autobahngebühren erhoben. Mit dem Appell an die Bevölkerung, ihren Urlaub nicht im Ausland zu verbringen um die Wirtschaft Portugals nicht zu schwächen, unterstrich der Staatspräsident Aníbal Cavaco Silva den dreisten Charakter der "Spar"-politik.

Gleichzeitig versucht aber die Socrates-Regierung vorzutäuschen, die Kürzungen seien gerecht verteilt – so sollen Politiker auf 5% ihrer Diäten verzichten und die Unternehmenssteuer auf symbolische 2,5% erhöht werden.

Griechenland ist das Vorbild für die portugiesischen Arbeiter, die sich gegen die Kürzungen mit Streiks und Demonstrationen wehren. Im März und April hat der Widerstand mit der höchsten Anzahl von Arbeitsniederlegungen ein historisches Hoch erreicht. Im 29. Mai gab es mit einer Demo mit 300.000 TeilnehmerInnen (bei einer Gesamtbevölkerung von 10 Millionen) die größte Arbeiterdemonstration seit der Nelkenrevolution von 1974. Im Gedächtnis vieler PortugiesInnen ist die Erinnerung an die Revolution noch immer lebendig. Die Forderung nach einem Generalstreik ist in Portugal weit verbreitet. Dementsprechend fürchten die Regierenden um ihre Macht.

Aufgrund der großen Wut der ArbeiterInnen und der Explosivität der Situation stehen auch die Funktionäre der größten Gewerkschaft Confederação Geral dos Trabalhadores Portugueses (CGTP) unter Druck. Für den 20.9. hat sie Streiks der Verwaltungsbeschäftigten angesetzt. Am 29.09. soll es einen landesweiten Streik geben. Offen ist allerdings wie die Gewerkschaftsführung, die bisher mit beiden Fuessen auf die Bremse stand, diesen Tag gestalten werden. Dass im Nachbarland Spanien an diesem Tag ein Generalstreik stattfindet, ist ein Faktor, der den Klassenkampf auch in Portugal vorantreiben könnte.

Beim Aufbau einer massenhaften Bewegung könnten der „Linksblock“ und die Kommunistische Partei, die beiden größten linken Organisationen des Landes, einen entscheidenden Beitrag leisten, wenn sie gemeinsam handeln und Vorschläge für die Bewegung machen würden, wie der Kampf gegen die Socrates-Regierung zu einem Erfolg gemacht werden könnte.