…oder warum Arme künftig keine Kinder kriegen sollen
„Babyflaute“, Geburtenrückgang“, „Fachkräftemangel“ – jahrelang jammerten Politiker über die mangelnde Lust junger Menschen, Kinder zu bekommen. Schließlich wurde das Elterngeld aus der Taufe gehoben. Doch schon seine Einführung bedeutete für arme Familien eine Kürzung.
von Doreen Ullrich, Aachen
Eingeführt wurde das Elterngeld 2007. Es ersetzte damals das sogenannte Erziehungsgeld. Berufstätige Frauen erhielten nun 67 Prozent ihres letzten Nettoeinkommens – statt der 300 Euro Erziehungsgeld. Väter wurden mit einem verlängerten Bezug des Elterngeldes gelockt, zwei Monate die Betreuung des Babys Vollzeit zu übernehmen. Was sich für gut verdienende Berufstätige lohnte, stellte sich für arbeitslose Eltern als Kürzung heraus. Sie erhielten künftig maximal 14 Monate 300 Euro – statt vorher 24 Monate.
Kinderboom, ja bitte – aber nur bei AkademikerInnen! So lautete bereits damals die Botschaft. Beim Arbeitgebertag 2006 sagte Kanzlerin Angela Merkel: „Bis jetzt ist Unterstützung von Familien eigentlich immer eine Unterstützung der bedürftigen Familien gewesen. (…) Wo wir heute das Problem haben, dass nämlich 40 Prozent der Akademikerinnen, im Übrigen auch der Akademiker, keine Kinder haben. Auch das ist ein Zustand, den sich ein Land, das sich als hoch entwickelt bezeichnen will, nicht leisten kann.“
Forcierte Spaltung
Die neuen Kürzungspläne beim Elterngeld sehen vor, dass Hartz-IV-EmpfängerInnen künftig gar kein Elterngeld mehr erhalten sollen. Begründung: Das Elterngeld sei eine Lohnersatzleistung, Harz-IV-Empfänger würden aber keinen Lohn erhalten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) errechnete, dass diese Argumentation Mumpitz ist. Fast ein Viertel aller erwerbsfähigen Hartz-IV-EmpfängerInnen erhält ein eigenes Einkommen – das nur nicht zum Leben reicht. Von den Alleinerziehenden gingen nach DGB-Angaben 12,5 Prozent einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nach. Viele von ihnen müssen jedoch mit Hartz IV aufstocken. Dazu der DGB: „Das heißt, es gibt zukünftig schon Säuglinge erster und zweiter Klasse.“
Um die Kürzungen beim Elterngeld durchzuboxen, malen Politiker und Medien das Bild von Hartz-IV-Familien, die im Rekordtempo Kinder zeugen, nur um das Elterngeld abzustauben. Das ist höhnisch, schon heute reicht der Regelsatz von 215 Euro für ein Kind unter sechs Jahren nicht aus, um es gut zu versorgen. Zoo-Besuche, Schwimmkurse, gesunde Ernährung – all das ist bei Arbeitslosengeld II nicht drin.
Außerdem droht GeringverdienerInnen, dass ihr „Kinderzuschlag“ sinkt – der sie ja angeblich davor bewahren soll, ins Hartz-IV-System zu rutschen.
„Generation Praktikum“
Aber soll frau sich denn nicht erst ein Kind „anschaffen“, wenn sie es auch ernähren kann? Diese Argumentation ist verlogen. Gerade die „Generation Praktikum“ – die sich trotz guter Ausbildung von einem unbezahlten Praktikum zum nächsten, von einer befristeten Stelle zur anderen hangelt – weiß: Niemand ist heute vor Hartz IV sicher. Nehmen wir Inka und Matthias, beide 32 Jahre und mit Kinderwunsch. Er hat trotz Abschluss als Maschinenbauer, unzähligen Praktika und Bewerbungen im gesamten Bundesgebiet keinen Job gefunden und lebt von Hartz IV. Sie versucht sich als studierte Sozialwirtschaftlerin im zweiten befristeten Vertrag, weit weg vom Wohnort. Da sind sie also, die Sozialschmarotzer, die nur auf das Elterngeld schielen? Wohl kaum.
Zynisch ebenso: Hartz-IV-EmpfängerInnen haben in ihrem Regelsatz keinen Anspruch auf Verhütungsmittel, entweder soll wohl auf den Sex verzichtet oder das Geld für Pille oder Kondom woanders eingespart werden. Was aber, wenn es doch passiert? Bisher werden die Kosten für einen Abbruch bei Hartz-IV-EmpfängerInnen übernommen – dämlicher geht es nicht.
Kinder statt Banker!
1,7 Millionen Kinder leben heute von Hartz IV und damit in Armut! Das ist ein Skandal – den die Bundesregierung zu verantworten hat. Statt nun gerade diesen das Geld wegzunehmen, um die Löcher im Haushalt zu stopfen, die durch milliardenschwere „Hilfen“ an Banken und Konzerne entstanden sind, muss unsere Losung sein: Her mit dem Geld! Und zwar da, wo es vorhanden ist: auf den Konten der Banken- und Konzernvorstände und als Dividende in den Taschen der Großaktionäre.