Massenproteste gegen Hochgeschwindigkeitsverkehr

Hochgeschwindigkeitszüge zu Unrecht als umweltfreundliche Alternative zu Autobahnen und Flugverkehr gepriesen


 

In Stuttgart regt sich seit Monaten Widerstand gegen das aberwitzige Projekt Stuttgart 21. Das Projekt ist offiziell mit einer neuen ICE-Trasse nach Ulm verbunden. Ursprünglich lehnte die Mehrheit der GegnerInnen die ICE-Trasse zwischen Wendlingen und Ulm nicht ab. In anderen Regionen Europas gibt es dagegen schon seit Jahren beeindruckende Proteste gegen Hochgeschwindigkeitszüge – so in Val di Susa in Piemont seit 21 Jahren gegen die Hochgeschwindigkeitstrasse Lyon-Turin.

von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart

Beim Widerstand gegen Stuttgart 21 (S 21) hat in den letzten Monaten die Ablehnung der ICE-Trasse zugenommen. Es wurde deutlich, dass hier ebenso wie bei der Vergrabung des Stuttgarter Hauptbahnhofs unter die Erde die Kosten explodieren. Statt der offiziell geplanten zwei Milliarden Euro könnte die Trasse über fünf Milliarden kosten und das Gesamtprojekt S 21 damit weit mehr als zehn Milliarden verschlingen.

Sollte die ICE-Trasse mit ihren über 30 Tunnelkilometern aus Kostengründen beerdigt werden, dann würden die Trassen von Stuttgart 21 auf der grünen Wiese enden. Dafür werden doch nicht einmal CDU-Oberbürgermeister Wolfgang Schuster oder Bahnchef Rüdiger Grube Milliarden ausgeben wollen? Oder etwa doch? Die Hoffnung, dass ein Stopp der ICE-Trasse S 21 den Todesstoß versetzen könnte, sollte Grund sein, sich grundsätzlicher mit der Problematik von Hochgeschwindigkeitszügen zu befassen.

Dazu kommt, dass die Bundesregierung das Vetorecht der Bahn gegen Fernbuslinien ab 2011 aufheben will und das Bundesverwaltungsgericht am 24. Juni billige Fernbuslinien prinzipiell für genehmigungsfähig erklärte. Somit droht der Bahn bundesweit billige Konkurrenz, die viele ICE-Strecken unrentabel machen kann.

Teuer – und nicht umweltfreundlich

Normalerweise ist die Bahn eines der umweltfreundlichsten Verkehrsmittel. Das gilt aber kaum für Hochgeschwindigkeitszüge. Bei hohen Geschwindigkeiten steigt der Energieverbrauch überproportional. Das macht überhaupt nur Sinn bei großen Abständen zwischen den Bahnhöfen (wobei diese Hochgeschwindigkeitsstrecken dann auch noch gern als Airport-Shuttle missbraucht werden). Große Abstände zwischen den Bahnhöfen führen wiederum dazu, dass sich für viele Fahrgäste die Reisezeit zu ihrem Ziel verlängert – und die Zeitersparnis oft wieder aufgehoben wird.

Da Züge (außer mit Neigetechnik) nicht schnell in Kurven fahren können und auch keine starken Steigungen bewältigen, bestehen Hochgeschwindigkeitsstrecken zu einem beträchtlichen Teil aus Tunneln, künstlichen Einschnitten und Brücken. Das macht sie extrem teuer und bringt enorme Umweltbelastungen beim Bau mit sich (Abtransport des Abraums mit Lkw, Eingriffe in den Grundwasserhaushalt und so weiter).

Einige Gebiete der Alpen und Pyrenäen sind besonders betroffen, weshalb sich die Menschen vor Ort seit Jahren gegen solche Projekte wehren. Am 23. Januar haben Initiativen aus Spanien, Frankreich und Italien gemeinsam ihre Kritik und ihre Forderungen (unter anderem die Optimierung bestehender Verkehrswege) in der „Charta von Hendaye“ formuliert. Am 18. Mai waren sie in Straßburg, um ihre Forderungen den Europaabgeordneten zu überbringen.

Val di Susa

Seit 1989 wehrt sich die Bevölkerung in Val di Susa gegen den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke Lyon-Turin. Die italienische Zentralregierung (und die Mafia, die bei Großbauprojekten meist mit von der Partie ist) versucht gerade, die Probebohrungen mit einer Militarisierung der Region durchzusetzen. Am 17. Februar wurden bei einem brutalen Polizeieinsatz DemonstrantInnen schwer verletzt. Simone Pettinati and Marinella Alotto mussten im Krankenhaus behandelt werden.

Val di Susa (westlich von Turin) ist ein bis zu zwei Kilometer breites Tal, in der es bereits eine Autobahn, zwei Bundesstraßen und eine Bahnlinie gibt. Die geplanten Tunnel sollen teils durch uran- beziehungsweise asbesthaltiges Gestein führen. Die starken Winde im Tal könnten krebserzeugenden Asbest bis Turin wehen!

Joe Higgins, der Europaabgeordnete der irischen Schwesterorganisation der SAV, hat das Susa-Tal im Februar 2010 besucht und unterstützt den Protest tatkräftig. Gleiches gilt für die MarxistInnen von Controcorrente, die sich seit Jahren in der PRC-Linken engagieren.