Jetzt den Kampf gegen „Sparpaket“, Gesundheitsreform und Entlassungen steigern.
Flugblatt der SAV [hier als PDF]
Schwarz-Gelb bleibt sich treu: das so genannte Sparpaket ist ein weiterer Angriff auf die ärmsten Schichten der Bevölkerung. Nachdem den Reichen und Unternehmern zum Jahresanfang Geld in den Hintern geblasen wurde und Milliarden an die Banken fließen, werden ihre Profite und Vermögen nun nicht angetastet. Sozial ausgewogen und gerecht geht anders!
von Sascha Stanicic, Berlin
Das ist trotz gegenteiliger Beteuerungen von Merkel und Westerwelle so offensichtlich, dass selbst aus der CDU Kritik laut wird. Bundestagspräsident Lammert (CDU) merkte an, er hätte sich gewünscht, dass „auch die Spitzeneinkünfte einen Beitrag zu leisten haben“ und der Wirtschaftsminister Sachsen-Anhalts, Reiner Haselhoff, warnte davor, dass die politische Glaubwürdigkeit in Frage gestellt wird, wenn „die zehn Prozent der Oberschicht keinen steuerlichen Beitrag zur Sanierung des Bundeshaushalts leisten.“
Tatsächlich ist dieses so genannte Sparpaket der Versuch, die Kapitalisten zu schonen, die abhängig Beschäftigten nicht gegen sich aufzubringen und die Schwächsten zu schröpfen. Es ist ein Programm gegen Langzeitarbeitslose und wird die Alters- und Kinderarmut steigern. Die Erwerbslosigkeit wird durch den Abbau von 10.000 Stellen im öffentlichen Dienst zunehmen. Es soll die Spaltung in der Gesellschaft vergrößern und die Kluft zwischen den Erwerbslosen und Beschäftigten steigern. Doch wer denkt, er komme als Beschäftigter mit einem blauen Auge davon, vertut sich.
Das ist noch nicht alles
Denn dieses Sparpaket ist erst der Anfang – und es ist nicht alles. Ganz abgesehen davon, dass die kosmetischen Besteuerungen von Unternehmen (Atomstromsteuer, Bahn-Dividende und Flugabgabe) wahrscheinlich auf die VerbraucherInnen abgewälzt werden, wird es zum Jahresende zur Erhöhung des Beitrags für die Arbeitslosenversicherung kommen, wird das Defizit der gesetzlichen Krankenversicherungen durch Erhöhung von Medikamenten-zuzahlung, Leistungskürzung oder/und Zusatzbeiträge durch die Masse der Versicherten gedeckt werden und finden in Ländern und Kommunen weitere Kürzungsorgien, Stellenabbau und Gebührenerhöhungen statt. Hinzu kommt dann noch die Ersetzung der GEZ-Gebühr durch eine Haushaltsabgabe, die dann auch die (zugegebenermaßen wenigen) trifft, die keinen Fernseher besitzen oder aus Armutsgründen (und das sind dann schon ein paar mehr) auf die Entrichtung der Gebühr verzichtet haben und den GEZ-Sheriffs bisher durch die Lappen gegangen sind.
Vor allem aber werden auch die zusammen gerechneten 80 Milliarden nicht ausreichen. Denn die Regierung geht von konstanten Arbeitslosenzahlen und einer sich fortsetzenden wirtschaftlichen Erholung aus. Doch die Weltwirtschaftskrise ist alles andere als vorbei und die sich weiter zuspitzende Euro-Krise kann auch die so genannte Realwirtschaft in eine zweite Rezession ziehen – mit allen Folgen wachsender Erwerbslosenzahlen, sinkender Steuereinnahmen und wachsender öffentlicher Haushaltsdefizite. So können aus 80 Milliarden schnell 100 und mehr Milliarden werden. Dass die Bundesregierung selber das Kürzungsvolumen hoch rechnet und die Notwendigkeit zum „Sparen“ so betont ist auch eine ideologische Vorbereitung auf die nächsten Kürzungen, bei denen dann sicher die abhängig Beschäftigten deutlicher zur Kasse gebeten werden. Ebenso ist die so genannte „Autonomiestärkung“ der Bundesagentur für Arbeit (soll heißen, dass diese künftig ohne Darlehen und Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt auskommen soll) nichts weiter als eine Vorbereitung weiterer drastischer Einsparungen bei Erwerbslosen in der Zukunft.
Welche Alternativen?
Das “Sparpaket” ist eine direkte Folge der kapitalistischen Krise und der Politik für Banken und Konzerne, die von allen etablierten Parteien betrieben wird. Es ist pure Heuchelei, wenn SPD und Grüne die Merkel-Westerwelle-Regierung als unsozial geißeln und gegen die Kürzungen opponieren. Unter der Schröder-Fischer-Regierung wurden den Reichen und Konzernen Steuergeschenke von weit über 40 Milliarden jährlich gemacht; Agenda 2010 und Hartz IV wurden eingeführt. Ohne diese Vorarbeiten wäre dieses „Sparpaket“ so gar nicht möglich.
Eine wirkliche Alternative zur kapitalistischen Haushaltspolitik aller pro-kapitalistischen Parteien würde nicht nur die Einführung einer Vermögens- und einer wirksamen Erbschaftssteuer vorsehen, sondern das ganze Steuersystem so umbauen, dass es eine stark progressive Besteuerung von Gewinnen und Vermögen gäbe und gleichzeitig die Massenverbrauchssteuern, die die Armen und Lohnabhängigen besonders belasten, drastisch reduziert bzw. ganz abgeschafft würden. Dies würde zweifellos auf den erbitterten Widerstand der Kapitalisten treffen, die mit Entlassungen, Verlagerungen und Investitionsboykott drohen würden. Deshalb könnte eine solche gerechte Steuerpolitik nur von einer sozialistischen Regierung umgesetzt werden, die bereit wäre, sich mit dem Kapital tatsächlich anzulegen und Banken und Konzerne in öffentliches Eigentum zu überführen und unter demokratische Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung zu stellen. Dann könnte der gesellschaftlich erarbeitete Reichtum auch tatsächlich im Sinne der Gesellschaft eingesetzt werden. Eine sozialistische Demokratie würde die Diktatur der Märkte beenden und durch eine demokratisch geplante Wirtschaft, die Bedürfnisse von Mensch und Natur, statt den Profit, in den Mittelpunkt rückt.
Was tun?
Gewerkschaften und DIE LINKE lehnen das „Sparpaket“ ab. Aber Worte helfen hier wenig. Es müssen endlich Taten folgen – Taten des Widerstands, wie wir sie in den letzten Wochen bei den ArbeiterInnen in Spanien, Portugal und Griechenland beobachten können.
Der Regierungsbeschluss ist wahrlich keine Überraschung. Es ist deshalb eine Schande, dass die Gewerkschaftsspitzen bisher völlig untätig waren und die Demonstrationen „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ am 12. Juni in Berlin und Stuttgart nicht unterstützen bzw. wie die ver.di-Führung zwar offiziell dazu aufrufen, aber kaum mobilisieren. Die Schande der Partei DIE LINKE ist nur geringfügig kleiner. Sie ruft zwar zu diesen Demonstrationen auf, mobilisiert aber viel zu schwach dort hin. In ganz NRW stellt der Landesverband nur einen Bus zur Fahrt nach Stuttgart, in Berlin hängt kein Plakat und sieht man kein Flugblatt der LINKE für die Demonstration. Trotzdem werden sich viele Mitglieder von Gewerkschaften und LINKE an den Demos beteiligen und werden diese ein Signal des Aufbruchs zur Organisierung von ernsthaftem Widerstand sein.
Der Bundestag soll im September erstmals über das “Sparpaket” beraten, bis November soll es beschlossen sein. Gewerkschaften und LINKE müssen nun eine Massenkampagne starten: mit Vertrauensleute- und Betriebsrätekonferenzen, Betriebsversammlungen, öffentlichen Veranstaltungen und Aktionen. Aktionsgruppen in Betrieben, Schulen, Hochschulen und Stadtteilen, sowie von Erwerbslosen müssen aufgebaut und vernetzt werden. Mit Zeitungsanzeigen, Fernsehspots und Plakatkampagnen sollte um die so genannte öffentliche Meinung gekämpft werden. Der Kampf gegen das “Sparpaket” der Bundesregierung muss dabei verbunden werden mit den örtlichen Mobilisierungen gegen kommunale Kürzungen, Arbeitsplatzvernichtung, Bildungsabbau etc. Eine Bewegung der Lohnabhängigen und Erwerbslosen muss und kann aufgebaut werden – denn die Empörung ist groß, nur wissen viele Menschen nicht, was sie gegen diese Politik für Banken und Konzerne tun können.
Ziel muss als erster Höhepunkt ein eintägiger Generalstreik gegen „Sparpaket“, Gesundheitsreform, Bildungsabbau und die ganze pro-kapitalistische Politik der Regierung sein. Wenn die Gewerkschaftsführungen jetzt mit einer entschlossenen Kampagne starten, ist ein solcher im Herbst möglich. Doch von alleine werden Huber, Bsirske und Sommer kaum einen solchen, notwendigen Kampf organisieren. Deshalb brauchen sie den organisierten Druck von der Gewerkschaftsbasis und von sozialen und linken Initiativen, wie dem Bündnis „Wir zahlen nicht für Eure Krise“.
Ein wichtiger Termin kann in diesem Zusammenhang der 29. September werden. An diesem Tag wird der Europäische Gewerkschaftsbund eine internationale Demonstration in Brüssel durchführen. Es darf nicht zugelassen werden, dass dies eine der üblichen Schaufenster-Mobilisierungen zum Dampf ablassen wird, wie wir sie vom EGB leider kennen. Die Demonstration sollte zum Anlass genommen werden zeitgleich in allen Ländern einen europaweiten Aktionstag durchzuführen und – je nach den Möglichkeiten und Bedingungen vor Ort – Streiks, Generalstreiks und Großdemonstrationen durchzuführen.
Für die AktivistInnen an der Basis der Gewerkschaften, der Partei DIE LINKE und sozialen Bewegungen heißt das: sich von unten vernetzen, unabhängige Aktionen fortsetzen und den Druck in Gewerkschaften und LINKE für wirklichen Widerstand steigern.