Zum Rücktritt von Horst Köhler
Als wäre der Rücktritt des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch noch nicht genug gewesen für die Bundesregierung nach der Wahlschlappe in NRW, verkündete am vergangenen Montag Horst Köhler seinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten. Während über die genauen Gründe weiter spekuliert wird, ist eins klar: Der Rücktritt Köhlers versetzt einer bereits geschwächten Regierung den nächsten Schlag.
von Lucy Redler, Berlin
Eigentlich wollte Merkel diese Woche vor allem in den Mittelpunkt stellen, wie das bereits angekündigte Sparprogramm der Bundesregierung aussehen soll. Nun muss sie sich auch noch mit der Suche nach einer/einem geeigneten KandidatIn für das Amt des Bundespräsidenten beschäftigen.
Die Nominierung Köhlers kündigte bei seiner Wahl vor fünf Jahren den Wechsel zu Schwarz-Gelb an. Dann kam erst einmal die Große Koalition. Es dauerte bis 2009, bis eine Mehrheit für Schwarz-Gelb im Bundestag gegeben war. Läutet Köhlers Rücktritt nun den Anfang vom Ende der Koalition ein?
In einem kann Man Horst Köhler dankbar sein: Immerhin hat er deutlich zum Ausdruck gebracht, was der Auftrag der deutschen Bundeswehr in Afghanistan und anderswo ist. Köhler sagte gegenüber Deutschlandradio Kultur am 22. Mai in Bezug auf Afghanistan:
„Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ, bei uns durch Handel Arbeitsplätze und Einkommen zu sichern.“
Nicht ganz so deutlich, aber ähnlich, hatte es vor ein paar Jahren Peter Struck formuliert, dem zu folge, deutsche Interessen am Hindukusch verteidigt würden. Das Freihalten von internationalen Handelswegen und die Sicherung von Rohstoffen war bereits Inhalt der Verteidigungspolitischen Richtlinien aus dem Jahr 1992. Im Weißbuch der Bundeswehr von 2006 liest man ganz ähnliches:
„ Deutschland, dessen wirtschaftlicher Reichtum vom Zugang zu Rohstoffen, Waren und Ideen abhängt, hat ein elementares Interesse an einem friedlichen Wettbewerb, an einem offenen Welthandelssystem und freien Transportwegen “ Und weiter:„Von strategischer Bedeutung für die Zukunft Deutschlands und Europas ist eine sichere nachhaltige wettbewerbsfähige Energieversorgung.“
Köhler hat also nur gesagt, was die Politik der Herrschenden seit Jahren ist. In Afghanistan geht es nicht um humanitären Aufbau oder Stabilität im Interesse der Menschen dort, sondern um die Durchsetzung imperialistischer Interessen. Nach acht Jahren Krieg gegen die afghanische Bevölkerung hat sich die soziale Lage der Afghanen und Afghaninnen verschlechtert. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes leben heute zwei Drittel unter oder am Rande der Armutsgrenze. Mehr als drei Viertel haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Lage der Frauen hat sich ebenfalls nicht verbessert sondern weiter verschlechtert.
Stimmung in der Bevölkerung
Doch sagen darf man das nicht, da ist sich die Bundesregierung einig. Sie versucht zwar durch Verteidigungsminister von Guttenberg die Bevölkerung an Auslandseinsätze zu gewöhnen und beginnt offensiv von „Krieg“ zu sprechen. Doch die Benennung der Gründe des afghanischen Einsatzes ist tabu angesichts der Stimmung in der Bevölkerung.
Einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach vom 26.05.2010 zufolge wird deutliuch, dass eine wachsende Mehrheit den Einsatz in Frage stellt. Auf die Frage „Sind Sie dafür, dass sich deutsche Soldaten auch in Zukunft an der Schutztruppe in Afghanistan beteiligen, oder sind Sie nicht dafür?“ antworten heute 65 Prozent der Befragten, sie seien nicht dafür, nur 22 Prozent sprechen sich für eine weitere Beteiligung aus.
Im Bundestag ist die Partei DIE LINKE die einzige Partei, die den sofortigen Abzug der Truppen aus Afghanistan fordert. Die Meinungsumfragen und die Haltung der LINKEN setzt die Regierung weiter unter Druck.
Fast eine Mehrheit (48 Prozent) der Bevölkerung ist für einen sofortigen und bedingungslosen Abzug der Truppen aus Afghanistan. Weitere 32 Prozent sagen, erst müsse das Land stabilisiert werden, bevor sich die Bundeswehr zurückziehen könne.
Vor dem Hintergrund einer solch ablehnenden Haltung innerhalb der Bevölkerung ist nicht weiter verwunderlich, dass Köhlers Aussagen auch aus den eigenen Reihen kritisiert werden.
Dies war dann der Auslöser für Köhlers Rücktritt, der sich laut eigenen Angaben unzureichend respektiert fühlte. Bürgerliche Medien betonen jetzt, dass sich das Zerwürfnis zwischen Köhler und der Regierung schon länger angebahnt habe. Doch was auch immer dazu geführt hat, dass Köhler das Handtuch schmiss: Die Regierung konnte seinen Rücktritt offenbar nicht verhindern und bietet ein Bild des Chaos.
Getriebene Regierung
Während die Regierung sich von einem Krisenherd zum nächsten hangelt wird deutlich, dass sie keine klare Linie vertritt und mehr getrieben wird, als selbst den Ton angibt. Und das in einer Situation, in der die Regierung noch nicht unter dem aktiven Druck von Widerstand gegen die schwarz-gelben Kürzungspläne steht. Wenn sich dieser in den kommenden Monaten weiter entwickelt, kann sich die Halbwertszeit dieser Regierung weiter verkürzen.
Es ist zu früh, den Abgesang auf die schwarz-gelbe Bundesregierung anzustimmen. Man sollte Köhlers Rücktritt auch nicht überbewerten als Anfang vom Ende von Schwarz-Gelb. Und trotzdem wirft der Rücktritt ein grelles Licht auf die Instabilität der schwarz-gelben Regierung, die einerseits weiß, dass sie Milliarden sparen muss und andererseits noch versucht, verallgemeinerte und ideologische Angriffe zu vermeiden, um den Widerstand gegen Sozialabbau nicht zu provozieren.
Nach dem Ende des neoliberalen Paradigmas (nicht der neoliberalen Angriffe) fehlt dieser Regierung offensichtlich ein neues ideologisches Leitbild, dem zu folge sie handelt. Sie bedient sich einem wilden Mix von wirtschaftspolitischen Vorschlägen, um die kapitalistischen Eigentumsverhältnisse zu schützen.
„Die Krise heißt Kapitalismus“
Bei den Demonstrationen am 12. Juni in Berlin und Stuttgart bietet sich die nächste Möglichkeit, die Regierung politisch unter Druck zu setzen. Die Berliner Demonstration findet richtigerweise unter dem Motto „Die Krise heißt Kapitalismus“ statt. Das muss der Ausgangspunkt werden, die Gewerkschaftsführungen, die bisher die Abwälzung der Krise auf unserem Rücken mitorganisieren anstatt Widerstand aufzubauen, herauszufordern und den Druck für die Organisierung von massenhafter Gegenwehr zu erhöhen.
Für DIE LINKE bietet sich jetzt die Möglichkeit, in die Offensive zu kommen und die Schwäche der Bundesregierung auszunutzen, indem sie mit eigenen Forderungen, die Teil des Programmentwurfs der Partei sind, wie beispielsweise nach Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, der Verstaatlichung aller Banken und drastischer Besteuerung der Reichen den Kampf gegen den anstehenden Sozialabbau aufnimmt und aktiv den Widerstand mit aufbaut.