In Palästina, Israel und international: Gemeinsam kämpfen gegen Unterdrückung, Krieg und Kapitalismus
Flugblatt der SAV (auch als PDF)
Am Montag, den 31. Mai griff das israelische Militär den Hilfskonvoi für Gaza an. Die Regierung Israels spricht von „Selbstverteidigung“. „Verteidigung“, bewaffnet gegen ZivilistInnen, die anderen Menschen helfen wollen? Nein, das war keine „Verteidigung“, das war nichts anderes als ein kriegerischer Akt: Die Schiffe der Free-Gaza-Bewegung wurden von der israelischen Marine in internationalen Gewässern gekapert. Die Schiffe wurden nicht nur gestoppt, sondern militärisch attackiert. Mindestens zehn Menschen wurden getötet. „Verteidigt“ wurde damit nur die Blockade und Besetzung des Gaza-Streifens.
Schluss mit Blockade und Besatzung
Gaza ist das größte Gefängnis der Welt. 1,5 Millionen PalästinenserInnen sind dort inhaftiert. Am 27. Dezember 2008 wurden die Gefangenen durch ihre Wächter einem grausamen Bombenhagel ausgesetzt. Begonnen wurde diese Blockade durch die Herrschenden Israels, nachdem die Hamas in der Palästinensischen Autonomiebehörde die Wahlen gegen die Fatah gewonnen hatte. Seitdem stehen laut Weltbank 98 Prozent der Betriebe in Gaza still. Die Zahl der Armen erhöhte sich von 50 auf 80 Prozent. Die palästinensische Bevölkerung soll ausgehungert werden.
Seit Jahren und Jahrzehnten werden die Rechte der PalästinenserInnen mit Füßen getreten. Auch im Westjordanland nimmt der Unmut unter der eine Million Menschen gegen die israelische Regierung und ihre Siedlungspolitik zu. Die Rede ist dort schon von einer neuen „Intifada“.
Unabhängige Untersuchungskommission
Warum mussten bis zu 20 Menschen ihr Leben verlieren, als der Hilfskonvoi gestürmt wurde? Wie gingen die israelischen Elitetruppen und die Marine genau vor? Das muss aufgeklärt werden. Aber nicht von der israelischen Regierung. Diese hat schon ihren Angriffskrieg auf Gaza vor anderthalb Jahren in einen Verteidigungskrieg umgelogen. Und rechtfertigte das damals mit Fotos vom Beschuss der UN-Fakhura-Schule durch die Hamas – Fotos, die über ein Jahr alt waren.
Kein Vertrauen in die Merkel-Regierung und die anderen kapitalistischen Regierungen
Nötig ist eine internationale Untersuchungskommission. Diese darf sich aber nicht aus Vertretern der verschiedenen bürgerlichen Regierungen zusammensetzen. Schließlich beteiligten sich die Bundesrepublik, die USA und andere Regierungen am Embargo gegen den Gaza-Streifen! Die ägyptischen Regierenden halten ihrerseits die Grenze zum Gaza-Streifen geschlossen. Schließlich arbeiten die Militärs vieler Staaten mit der israelischen Armee zusammen. Auch die Türkei führt gemeinsame Truppenübungen durch.
Vor wenigen Tagen wurde Israel in die OECD aufgenommen. Vor wenigen Tagen wurde Israel also in die „Wirtschafts- und Handelsorganisation der Industriestaaten“ aufgenommen – und zwar einstimmig. Da war keine Rede davon, dass die israelische Regierung erst mal die Blockade im Gazastreifen aufheben muss. Ja, auch die OECD redet von Freiheit, aber nur von der Freiheit des Warenhandels, nicht von der Freiheit für die Menschen. Deshalb macht es keinen Sinn, im Kampf für die Freiheit der Menschen im Gaza und in der ganzen Region auf die Regierenden zu setzen.
Darum brauchen wir eine unabhängige Untersuchungskommission aus Gewerkschaften, Friedensorganisationen und linken Parteien. Es muss – wie durch die jetzigen Protestdemonstrationen – massenhaft Druck gemacht werden, dass eine solche Untersuchungskommission ihre Arbeit aufnehmen kann.
Den Widerstand in Israel gegen Krieg und Krise stärken
Nicht nur arabische, auch jüdische Jugendliche und Beschäftigte protestieren in Israel gegen den Angriff auf die Gaza-Helfer. Während des Gaza-Kriegs im Winter 2008/2009 lehnte immerhin eine Mehrheit der Israelis eine Bodenoffensive ab. So wichtig international Massenproteste gegen die Kriegs- und Besatzungspolitik der Herrschenden in Israel sind, so wichtig ist auch der Protest dagegen in Israel selber. Denn der israelische Staat verfügt über die viertstärkste Armee auf dem Planeten. Wir unterstützen den Widerstand der palästinensischen Massen im Kampf gegen die Besatzung. Um diese zu beenden, reicht aber die Selbstverteidigung der PalästinenserInnen nicht aus. Nötig ist deshalb die Stärkung des Widerstands in der israelischen Bevölkerung und in der Armee! So war zum Beispiel für ein Ende des Vietnam-Krieges vor 35 Jahren auch entscheidend, dass die damalige US-Regierung im eigenen Land auf massive Opposition stieß.
Und es gibt Ansatzpunkte für Gegenwehr in Israel selber. Denn – im Gegensatz zu den Generälen, Kapitaleignern und Politikern – sind ArbeiterInnen, Erwerbslose und Jugendliche selber Opfer des Kriegskurses von Regierungschef Netanjahu und Co. Während, wie in Deutschland, Türkei und anderswo, in der Wirtschaftskrise die Arbeitslosigkeit zunimmt und bei Sozialem der Rotstift angesetzt wird, werden Unsummen in die Rüstung gesteckt.
Auch in Israel gibt es Armut und Reichtum, oben und unten – und Kämpfe gegen Unternehmer und Establishment. Jüdische und arabische Beschäftigte und Erwerbslose haben hier gemeinsame Interessen. Aber genau deshalb werden die da oben in Israel wie anderswo an ihrer Teile- und Herrsche-Politik festhalten, um zu spalten, um gemeinsame Gegenwehr zu erschweren. Soll die Spaltung zwischen AraberInnen und JüdInnen dauerhaft überwunden werden, muss der Nährboden dafür entzogen werden. Wenn die Konzerne nicht mehr einer kleinen Minderheit gehören, wenn Profitstreben und Konkurrenz beseitigt sind, dann kann der gesellschaftliche Reichtum, dann können die Bodenschätze im Interesse aller genutzt werden.
Für ein sozialistisches Palästina und ein sozialistisches Israel als Teil einer freiwilligen, demokratischen und sozialistischen Föderation im Nahen Osten
Heute existiert eine Mauer von Angst und Misstrauen in Israel und Palästina. Diese Mauer muss eingerissen werden. Der einzige Weg aus der Katastrophe und dem Horror des israelisch-palästinensischen Konflikts ist der Aufbau einer breiten sozialen Bewegung, die Israelis und PalästinenserInnen vereint. Es braucht einen Zusammenschluss von JüdInnen und AraberInnen gegen die „Teile und Herrsche“ Politik, gegen Blockade und Besetzung, gegen Unterdrückung und Diskriminierung.
Da Misstrauen und Angst jedoch tief sitzen, muss dem Rechnung getragen werden. Die SAV und Maavak Sozialisti, die Schwesterorganisation der SAV in Israel und Palästina, schlagen weiterhin vor, für eine sozialistische Föderation zu kämpfen, für ein sozialistisches Palästina und ein sozialistisches Israel. Wenn die Kriegstreiber und Kapitalisten gestürzt sind, dann könnte solidarisch diskutiert werden, wie das genau aussehen soll. Sinnvoll wäre eine sozialistische Föderation auf freiwilliger Basis, mit vollen Autonomierechten für die jeweiligen Minderheiten. Jerusalem könnte den Status einer offenen Stadt erhalten.
Eine solche Vorstellung erscheint heute vielen Menschen weit weg und manchen utopisch. Utopisch ist jedoch die Vorstellung, dass es auf kapitalistischer Grundlage in der Region jemals Frieden, Freiheit und soziale Gerechtigkeit geben kann.