Europa: Krise des Euro und Klassenkämpfe

Resolution des Komitees für eine Arbeiterinternationale


 

Im April trafen sich VertreterInnen des Komitees für eine Arbeiterinternationale (internationale sozialistische Organisation, der die SAV angeschlossen ist; englische Abkürzung CWI) aus England und Wales, Nord- und Südirland, Schottland, Schweden, Island, Polen, der Tschechischen Republik, Russland, Portugal, Italien, Griechenland, Zypern, Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Israel und Pakistan zu einem Treffen des Europäischen Büros des CWI. Nach intensiven Diskussionen wurde das folgende Dokument verabschiedet:

Seit dem Treffen des IEK (Internationales Exekutivkomitee) im Dezember 2009 haben sich die generellen Analysen des CWI in Bezug auf die Weltsituation und die Entwicklungen der Weltwirtschaft bestätigt. Wir haben weiteres Material veröffentlicht in dem wir uns mit der allgemeinen Lage der Weltwirtschaft befasst haben und es ist in dieser kurzen Stellungnahme nicht notwendig, das detailliert zu wiederholen. Die Entwicklungen in der Weltwirtschaft und die politische Situation sind der Hintergrund vor dem sich die Krise abspielt, der sich die herrschende Klasse in Europa gegenübersieht. Dies ist die schlimmste Krise der Eurozone seit der Einführung des Euro. Die Weltwirtschaft erfährt eine sehr beschränkte „Erholung“ die extrem schwach und fragil ist. Die Pakete zur Wirtschaftsankurbelung, die ein enormes Ausmaß haben und vor allem in den USA, China und den europäischen Ländern geschnürt wurden, haben dazu beigetragen, einen vollständigen Zusammenbruch der Weltwirtschaft in eine „Depression“ abzuwenden. Aber diese Maßnahmen waren beschränkt und haben die tieferliegende Krise nicht beendet.

Die „Erholung“ hat nicht zu einem substantiellem Wachstum in der „Realwirtschaft“ geführt und es besteht im Gegenteil die Gefahr dass sie zu einem „double dip“, einem zweiten Eintauchen in die Rezession, führt. Die Zahlen die in letzter Zeit von ÖkonomInnen veröffentlicht wurden beziehen sich auf eine Zunahme des „Wachstums“ in den USA und Europa. Aber sie zeigen kein wirkliches Wachstum der Kapazitäten und die Produktion hat nicht einmal das Vorkrisen-Niveau erreicht. Die Welthandelsorganisation geht davon aus, dass der Welthandel dieses Jahr um 9,5 Prozent zunehmen wird. Aber selbst wenn das erreicht wird, wird diese Steigerung nicht den Rückgang des Welthandels von 12,2 Prozent im Jahr 2009 wettmachen. Die „Erholung“ die auf die Konjunkturpakete folgte hat ihre Basis in Methoden wie der Abwrackprämie für Autos oder zum Beispiel in Großbritannien der Senkung der Umsatzsteuer. Das sind einmalige und vorübergehende Maßnahmen und stellen keine Rückkehr zu wirklichem Wirtschaftswachstum und einer echten Erholung dar. Die Investitionen stagnieren nach wie vor bzw. gehen sogar zurück. Im Februar lag die Arbeitslosigkeit in der Euro-Zone offiziell bei zehn Prozent. Der Großteil des Wachstums zum gegenwärtigen Zeitpunk hat seine Wurzeln in der Auffüllung der Lager und bildet damit weitere Blasen, die dadurch entstehen, dass durch die Staaten immer mehr Geld ins System und speziell in den Finanzsektor gepumpt wird. China und Deutschland ist es zwar gelungen, ihre Exporte wieder zu steigern, aber die zentrale Frage, der sich der Kapitalismus weltweit gegenüber sieht ist der ‚Nachfrage-Mangel‘ und das Fehlen neuer Märkte. Im Fall von Deutschland hat das Exportwachstum zu Lasten seiner Rivalen stattgefunden während ein Wachstum des Inlandsmarktes fehlt. Der IWF hat nun seine Prognose für das Wirtschaftswachstum von Deutschland für 2010 von 1,5 auf 1,2 Prozent reduziert und führt als seine gößten Sorgen den schwachen Finanzsektor und den Welthandel an.

Die wenigen ‚Lichtblicke‘, die es für den Kapitalismus noch gibt, wie China, Brasilien und in geringerem Ausmaß auch Indien, können immer noch verspätet von der Krise ergriffen und in eine Rezession gezogen werden. In China, das gerade eine Immobilienblase erlebt, könnte es zu einem wirtschaftlichen Rückgang kommen, die gerade zu jener sozialen Explosion führen könnte, die das Regime verzweifelt zu verhindern versucht. Sogar wenn es der Weltwirtschaft gelingt, zu einer Periode von absolutem Wachstum zurück zu kehren, was zu einem gewissen Zeitpunkt geschehen wird, wird dieses Wachstum nicht ausreichen um den sozialen Horror und die Verluste, die durch die Krise entstanden sind und die Masse der Weltbevölkerung betreffen oder auch die politischen Konsequenzen die daraus folgen, wieder aufzuwiegen.

Was wir zur Zeit sehen ist also keine „Erholung“ im eigentlichen Sinn des Wortes sondern viele eher eine „arbeitslose Erholung“ bei der die Massenarbeitslosigkeit trotz beschränktem „Wachstum“ bestehen bleibt und international die herrschende Klasse weiterhin versucht, den Lebensstandard, die Löhne und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse abzusenken. Wir haben schon in früheren Dokumenten und Artikeln des CWI aufgezeigt, dass der Kapitalismus in den letzten 30 Jahren eine „depressive“ Periode durchlaufen ist. Das wurde teilweise verdeckt durch einen kreditfinanzierten Konsumboom und eine Serie von spekulativen Blasen. Das ist nun in sich zusammen gebrochen.

Jede Krise des Kapitalismus beinhaltet auch Perioden von Wachstum und einer teilweisen Erholung, die aber dann wieder die Grundlage für eine neue Krise, Rezession oder Stagnation legen. Wir haben die Entwicklung einer Kette von Krisen gesehen. Diese dauert noch an. Der Beginn der Krise vor drei Jahren hat einen tiefen ideologischen Rückschlag für den Kapitalismus bedeutet. Das hat die herrschende Klasse dazu gezwungen, mit Notfallmaßnahmen zu reagieren, die einen „staatskapitalistischen“ Charakter hatten. Der Staat war gezwungen in den „freien Markt“ zu intervenieren, um ihn zu retten. Das ist eine völlig andere Herangehensweise als in der Nachkriegsordnung und der Entwicklung der „gemischten Wirtschaft“ nach dem Zweiten Weltkrieg. Damals musste die Bourgeoisie für eine ganze Periode lang akzeptieren dass der Staat einen signifikanten Anteil an der Wirtschaft hielt, wenn auch einen Minderheitsanteil, und in die Wirtschaft intervenierte. Das ganze in Verbindung mit radikalen und wichtigen sozialen Reformen. Im Gegensatz dazu sind die staatlichen Interventionen und Verstaatlichungen heute von einem kurzfristigen Charakter. Sie sind unmittelbare Versuche einen drohenden Zusammenbruch zu verhindern und gefolgt von rasch darauf folgenden Vorstößen für Privatisierungen kombiniert mit brutalen Gegen-Reformen und Angriffen auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse.

Die Krise der Euro-Zone

Die wichtigste Entwicklung der Krise im Jahr 2010 in Europa war bisher das Drama, das in Folge der Schuldenkrise in Griechenland ausgebrochen ist. Internationale Folge ist eine tiefe Krise der Euro-Zone und der EU-Staaten. Die Krise hat die nationalen Widersprüche zwischen Deutschland und Griechenland bzw. auch Frankreich und anderen mächtigen Staaten der EU deutlich zum Vorschein gebracht.

Das hat die relative Schwäche des Euro ans Tageslicht gebracht und sein künftiges Überleben in Frage gestellt. Die daraus folgenden Unsicherheiten stellen einen ernsthaften Rückschlag für die herrschenden Klassen in Europa dar. Deutschland hat sich in Verteidigung der eigenen nationalen Interessen schlicht geweigert, Griechenland zu retten. Die harte Linie Merkels spiegelt die Angst des deutschen Imperialismus wieder, dass mit einer Rettung von Griechenland ein Präzedenzfall geschaffen für die Rettung von anderen Ländern würde, die von der Krise geschüttelt sind, zum BeispielSpanien, Portugal und andere. Eine neue deutsche Beharrlichkeit zum Ausdruck bringend drohte Merkel Länder, die von der Krise erfasst werden, aus der Euro-Zone werfen zu lassen. Das spiegelt die Tiefe der Krise wieder, in der sich die herrschenden Klassen in Europa befinden. Andererseits – wenn Griechenland einfach die Nichterfüllung der Vorgaben erlaubt worden wäre, hätte das nicht nur eine tiefe politische Krise auslösen können, sondern einen weiteren Sturm in der Finanzwelt.

Die Reaktion der anderen europäischen Mächte, insbesondere von Frankreich, und die Konflikte zwischen ihnen haben die griechische Krise zu einer europäischen gemacht und massiven Druck auf Deutschland ausgeübt, seine Position zu verändern. Die Entscheidung den IWF in die Rettungspläne von Griechenland mit einzubeziehen war ein Schlag für das Prestige der Bourgeoisien der Euro-Zone und der EZB. Denn eines der ursprünglichen Konzepte hinter der Etablierung des Euro und der EZB war es eine Gegengewicht zum US-Imperialismus und dem IWF zu schaffen. Die jüngsten Entwicklungen sind weit entfernt von den ruhigen Tagen des triumphierenden europäischen Kapitalismus, als der Euro ins Leben gerufen wurde. Dies ging einher mit hohen Erwartungen in wirtschaftliches Wachstum, einen starken Euro und eine gleichmäßige Entwicklung zu einer immer stärkeren europäischen Integration. Manche haben damals argumentiert, dieser Prozess würde zu einer Überwindung der nationalen Widersprüche in Europa und der bürgerlichen Nationalstaaten in der EU führen.

Wir haben damals gegen diese Luftschlösser argumentiert und diese sind nun, wie das CWI erwartet hat, durch das scharfe Anwachsen der nationalen Spannungen im Zuge der Krise eingestürzt. Damit sind die Hindernisse für eine wirkliche europäische Integration und das Scheitern der Überwindung der Grenzen der Nationalstaaten und der nationalen Interessen der herrschenden Klasse jedes Landes offensichtlich geworden. Die europäische Integration ist in dieser Periode nun wahrscheinlich an ihre Grenzen gestoßen, stagniert und wird sich sogar zurück entwickeln.

Die Krise des Euro bedeutet aber nicht, dass dieser einfach von der herrschenden Klasse abgeschafft wird. Es ist wahrscheinlicher, dass in der kommenden Krise einige Länder das enge Korsett, das der Euro den nationalen Regierungen auferlegt, verlassen. Das Ausmaß, in dem das deutsche Festhalten an der Verteidigung der eigenen Interessen die nationalen Widersprüche verstärkt hat, wurde deutlich, als Vergleiche mit der Rolle des deutschen Imperialismus in Griechenland während des Zweiten Weltkrieges laut wurden. Das wurde von Sarkozy aufgegriffen der, wie Le Monde berichtet, zu einem Freund gesagt hat, dass „er sich nicht geändert hat“ (der deutsche Imperialismus). Dieser Konflikt zwischen französischen und deutschen Interessen stellte eine Abkehr von der vergangenen Periode dar, als Frankreich und Deutschland tendenziell und vor allem in der EU als Verbündete auftraten. Der französische Imperialismus ist nun in einer heiklen Situation. Frankreich will eigentlich verhindern, sich mit dem britischen oder dem US-Imperialismus zu verbünden. Der deutsche Kapitalismus konnte die Wechselkurse zu seinem Vorteil nutzen. Der deutsche Imperialismus konnte letztlich seine Macht nutzen, um ein unwilliges Frankreich letztlich zu zwingen seine Position zu akzeptieren. Deutschland ist trotz seines Wachstums bei den Exporten, der Motor für das europäische Wachstum. Aber es versucht im Angesicht der Krise den Rest von Europa auf Diät zu setzen und fordert dass vor allem die schwächeren europäischen Ökonomien drastische Kürzungspakete umsetzen.

Von Seiten der herrschenden Klasse in Deutschland ist eine wütende Kampagne gegen „die Griechen“ losgetreten worden. Das zeigt dass, wie wir gesagt haben, im Verlauf der Krise die nationalistischen Stimmungen sich entwickeln und durch die herrschenden Klassen von Europa gefördert werden können. Es ist wichtig, dass wir dagegen halten und den Kampf für Arbeitereinheit führen. Die europäischen Sektionen sollten Kampagnen beginnen um die Idee der Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes aller europäischen ArbeiterInnen gegen Kürzungen und Angriffe zu stärken. Auch wenn die Forderung nach einem europaweiten 24-stündigen Generalstreik noch zu früh sein mag, sollten wir die Idee von europaweiten Protesten gegen Kürzungen und Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiterklasse energisch aufnehmen.

Die Krise hat auch verheerende Folgen für Osteuropa. Die hohen Erwartungen in Folge der kapitalistischen Restauration haben sich für die Massen nicht materialisiert. Der katastrophale Zusammenbruch der Ökonomien in Ländern wie Litauen, Lettland und Estland ist vergleichbar mit der Großen Depression in den 1930er Jahren. Ungarn steht nur wenig besser da. Obwohl Polen die Ausnahme zu sein scheint, wird die gesamte Verschuldung der öffentlichen Hand nächstes Jahr die Marke von 55 Prozent des BIP überschreiten und bald 60 Prozent erreichen. Das bedeutet Kürzungen und Angriffe auf die Arbeiterklasse. Dazu kommt noch die Katastrophe, die gerade in Russland beginnt. Die Arbeitslosigkeit ist heute wahrscheinlich höher als 1994, als die Produktion nach dem Zusammenbruch der UdSSR völlig kollabierte. Es treten nun Spaltungen im Regime auf und eine soziale Explosion ist nun in relativ kurzer Zeit eine mögliche Perspektive.

Das Auftreten nationaler Widersprüche innerhalb von Europa im Verlauf der Krise zeigt sich auch im Wiederaufbrechen der nationalen Frage und der nationalen Spannungen innerhalb von einigen Ländern wie Spanien und Belgien. In Nordirland zeigt sich die Unmöglichkeit, die nationale Frage im Rahmen des Kapitalismus zu lösen in einer Zunahme von religiös-sektiererischen Konflikten in den Gemeinden, während der „Friedensprozess“ an der Spitze fortgesetzt wird. Da die Krise Spanien extrem hart trifft hat sich sehr rasch eine Welle von Klassenkämpfen der Arbeiterklasse entwickelt. Gleichzeitig gab es aber auch ein Anwachsen von regionalen und im speziellen von nationalen Stimmungen vor allem im Baskenland, in Katalonien und anderen Regionen. 40 Prozent der Staatsausgaben wird von den verschiedenen Regionen und Provinzen verwaltet. Das kann auch zu einem zentralen Punkt für Konflikte mit der Bundesregierung werden. Das CWI verteidigt die nationalen Rechte der verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Spanien, aber wir kämpfen gleichzeitig für eine sozialistische Föderation und für eine geeinte Arbeiterklasse im ganzen spanischen Staat.

Griechenland, die ‘PIGS’ und ‘STUPIID’

Die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands bringt Elemente in den 1980ern in Lateinamerika bestehenden Situation nach Europa – inklusive der Forderung, die die Sektion des CWI in Griechenland nach Nicht-Bezahlung der Schulden aufstellt. Von besonderer Bedeutung und Relevanz ist die Krise in Griechenland deshalb, weil sie eine Vorwegnahme der noch viel größeren Krise ist, die in Portugal und vor allem in Spanien vor dem Ausbruch steht. Mit einer Arbeitslosigkeit von fast 20 Prozent und einer Jugendarbeitslosigkeit von bis zu 40 Prozent in Spanien steht eine soziale Revolte bevor, deren Ausmaß mindestens den Ereignissen von Griechenland entsprechen wird. Die Auswirkungen und die Tiefe der Krise waren international und in Europa nicht einheitlich. Im Allgemeinen konnte bis jetzt eine Depression vermieden werden. Aber Spanien, Portugal, Irland und Griechenland wurden von der Tiefe der Krise erschüttert. Dort gibt es manche Elemente einer Depression vergleichbar mit den 1930er Jahren. In Irland schrumpft die Wirtschaft weiter. Diese Länder – bisher zusammengefasst unter dem abschätzigen Abkürzung PIGS (englisch: Schweine, Anm.) werden nun zu „STUPIID“ – Spanien, Türkei, UK (Britannien), Portugal, Irland, Island und Dubai (stupid = englisches Wort für dumm, Anm.)!

Soziale und politische Konsequenzen

Für das CWI und seine Sektionen sind die politischen und sozialen Konsequenzen und deren Auswirkungen auf den Klassenkampf entscheidende Folgen der Krise. Die Fragen von Perspektiven und Aufgaben waren niemals derartig eng miteinander verflochten. Die vollständige Wirkung der Krise auf den Klassenkampf im allgemeinen liegen noch vor uns. Und dennoch sind bereits wichtige Massenbewegungen in einigen europäischen Ländern ausgebrochen – im besonderen in Griechenland, Spanien und Portugal. Auch in anderen Ländern wären die Kämpfe der Arbeiterklasse viel weiter gegangen – aber die feige Rolle der Gewerkschaftsführung hat das verhindert. Die Politik der Gewerkschaftsführung spiegelt die Interessen und den Druck der UnternehmerInnen wieder, statt für die Verteidigung der Arbeiterklasse zu kämpfen. Hinzu kommt noch die zentrale Frage des gegenwärtig beschränkten politischen Bewusstseins der Arbeiterklasse, das in der vergangenen Periode zurückgeworfen wurde, sowie das Fehlen einer mächtigen, kämpferischen politischen sozialistischen Alternative. Die offizielle Führung der ArbeiterInnenbewegung hat dabei versagt, eine echte sozialistische Alternative anzubieten und das hat die Entwicklung des politischen Bewusstseins von ArbeiterInnen und Jugendlichen behindert. Diese Schwächen führen dazu, dass die Krise einen komplexen und langwierigen Charakter haben wird. Aber trotz all dem haben bereits in einigen Ländern massive soziale Explosionen stattgefunden und werden sich in ganz Europa entwickeln. Die Bewegungen, die es bisher gegeben hat sind nur eine Vorahnung auf das, was noch kommen wird. Streiks und politische Kämpfe werden sich entwickeln die es den Sektionen des CWI in Europa ermöglichen werden, in raschen Sprüngen die Mitgliedschaft und den Einfluss auszubauen – wenn wir mit den richtigen Slogans, der richtigen Taktik und einer allgemeinen Erklärung sozialistischer Propaganda intervenieren. Das wird kein geradliniger Prozess sein – weder automatisch, noch unkompliziert. Der Rhythmus des Kampfes und die Entwicklung des politischen Bewusstseins werden von Land zu Land unterschiedlich verlaufen.

Zu der wirtschaftlichen und politischen Krise kommt noch die Umweltkrise und die globale Erwärmung hinzu. Die Stellungnahme, die vom letzten Treffen des Internationalen Exekutivkomitee verabschiedet wurde ist nach wie vor gültig. Die Konsequenzen der globalen Erwärmung müssen in unseren wirtschaftlichen und politischen Perspektiven berücksichtigt werden. Die globale Erwärmung wird auch innerhalb der Arbeiterklasse zunehmend ein Thema weil vor allem ArbeiterInnen und arme Menschen die Folge zu spüren bekommen. Das gilt auch für Europa. Die Bewegungen in Spanien, die rund um die Frage der Wasserversorgung in Andalusien stattgefunden haben, zeigen das. Ein Teil der Bourgeoisie hat die neuen “Öko-Industrien” als vermeintliche Lösung für die Krise skizziert. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass sie einen raschen, kurzfristigen Weg zur wirtschaftlichen Erholung eröffnen oder neue Märkte schaffen werden, wo die Bourgeoisie ihre Produkte verkaufen kann.

Klassenkämpfe, Streiks und die Gewerkschaften

Obwohl das politische Bewusstsein bei großen Teilen der Arbeiterklasse und der Jugendlichen zurückgeworfen ist, wäre es falsch, die tiefe Verbitterung und Wut zu unterschätzen, die es schon jetzt gibt. Das spiegelt sich aber im wesentlichen nicht in den offiziellen Gewerkschaften bzw. ihren Strukturen wieder.

In vielen Ländern haben bereits wichtige Streiks und Klassenkämpfe als Antwort auf die Krise und die Angriffe auf die Arbeiterklasse stattgefunden. Meistens haben sie einen defensiven Charakter gehabt, waren Verteidigungskämpfe. In der ersten Hälfte des Jahres 2009 gab es in Irland eine Reihe von wichtigen Streiks und Arbeiterprotesten. Der Streik im Öffentlichen Dienst und drei riesige Generalstreiks in Griechenland haben sehr deutlich illustriert, dass die Arbeiterklasse kämpfen muss und auch dazu bereit ist, wenn sie sich derartigen dramatischen Angriffen gegenüber sieht. Der Streik im Öffentlichen Dienst in Portugal und die Drohung eines Generalstreiks zeigen die Verzweiflung, die viele ArbeiterInnen angesichts der Situation erfasst. Die Massendemonstrationen in Spanien und die von überwältigenden Teilen der ArbeiterInnen vorgebrachte Forderungen nach einem Generalstreik haben nicht nur die herrschende Klasse in Spanien, sondern in ganz Europa in Angst und Schrecken versetzt. Und obwohl die Türkei geografisch nicht vollständig ein Teil von Europa ist, so wird sie doch sozial und politisch immer mehr ein Teil der Diskussion in Europa. Der gewaltige Streik der bei Tekel stattgefunden hat zeigt eine wichtige Veränderung der Situation an.

Spanien, das eine viel größere Wirtschaft hat und eine viel mächtigere Arbeiterklasse hat als Griechenland, kann in der nächsten Periode in den Mittelpunkt der Krise in Europa gestoßen werden. Die Angst vor einer solchen Explosion hat die Regierung dazu gezwungen, einige ihrer Vorschläge, wie die Anhebung des Renteneintrittsalters, die die Massen empört haben, zurück zu ziehen. Am Höhepunkt der Krise in Griechenland gab es auch Elemente einer vorrevolutionären Situation. Die wichtigsten Hindernisse aber waren das Versagen der offiziellen Führung der ArbeiterInnen eine Alternative anzubieten, das niedrige politische Bewusstsein und die fehlenden Organisationen sowie die Schwäche von Basisstrukturen. Aber die Massen sind wesentlich radikaler und linker als ihre Führung. Solche Entwicklungen können in einer Reihe von europäischen Ländern losbrechen und können auch weiter gehen als in Griechenland zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Das gilt ganz besonders für Südeuropa. Die Ereignisse in Griechenland haben Elemente einer vorrevolutionären Situation ans Tageslicht gebracht die sich in dieser neuen Ära in einer Reihe von europäischen Ländern in den kommenden Monaten und Jahren entwickeln kann. Diese Periode wird gerade wegen des Fehlens von Massenorganisationen der Arbeiterklasse komplexer sein und sich länger hinziehen.

Nach einer Reihe von Klassenkämpfen im letzten Jahr in Großbritannien, bei Lindsey, Linamar, Vestas und bei den PostlerInnen, gab es 2010 bereits eine Serie von landesweiten Streiks von ArbeiterInnen bei British Airways, bei Bundesbediensteten und ev. auch bei den EisenbahnerInnen. Diese weisen auf eine neue Lage hin. Auch in Frankreich wurde für den 23. März zu einem landesweiten Streik aufgerufen. In Belgien haben einige von unten initiierte Streiks stattgefunden.

All diese Bewegungen und noch andere haben trotz der Rolle der Gewerkschaftsführung stattgefunden, die Angst vor der Krise hat und eher versucht, sich als Schiedsrichter aufzuspielen als die Arbeiterklasse und ihre Interessen zu verteidigen. In Frankreich, Deutschland, Italien, Irland, Spanien und Schweden haben sie – statt die Regierung zu bekämpfen – versucht, wieder einen “sozialen Dialog” und “soziale Verträge”zu etablieren anstatt zu landesweiten Aktionen aufzurufen. Sie haben sich für Lohnkürzungen eingesetzt um Arbeitslosigkeit hinaus zu schieben und haben als “Schiedsrichter” zwischen den Unternehmen und der Regierung einerseits und der Arbeiterklasse andererseits agiert. Und selbst wenn die Gewerkschaftsführung zu Protestaktionen aufgerufen hat, dann im wesentlichen mit dem Ziel, Dampf abzulassen und nicht mit dem Ziel einen wirklich Kampf zu führen. Aber die Bereitschaft vieler ArbeiterInnen zu kämpfen hat sich zum Beispiel bei einer Abstimmung bei der CPSU (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst) in Irland gezeigt, als 83 Prozent für Kampfmaßnahmen stimmten. Auch bei den Beschäftigten von British Airway waren die Abstimmungsergebnisse ähnlich hoch.

Der Generalstreik

In Italien war die CGIL trotz einer wachsenden Welle von Opposition zu Berlusconi die unter anderem zu Massendemonstrationen in Rom und Mailand geführt hat, nur bereit, einen Generalstreik in der Länge von vier Stunden auszurufen. Wie wir schon früher bemerkt haben ist die Frage des Generalstreiks nun in ganz Europa tatsächlich ein Thema. Wir müssen sicher stellen, dass diese Frage Teil unserer Propaganda ist und, wo es passt, einer unserer zentralen Slogans werden sollte. In Ländern wie Griechenland, wo es schon eine Serie von Generalstreiks gegeben hat, die aber nicht mit einem klaren Programm für Aktionen und politische Alternativen verbunden waren, müssen wir weiter gehen und für einen 24-stündigen oder 48-stündigen Generalstreik aufrufen. Und wenn das die Regierung nicht zum Rückzug zwingt, dann müssen noch bestimmtere und länger dauernde Aktionen – wie ein unbefristeter Generalstreik – in die Bewegung getragen werden.

Die Frage eines Generalstreiks ist heute eine wichtige Frage für die Arbeiterklasse und das CWI in den meisten Ländern in Europa. Die Frage eines Generalstreiks ist nun – in der einen oder anderen Form – objektiv in den meisten europäischen Ländern ein Thema. Sie ist Teil unseres Programms. Zu unterschiedlichen Zeiten, abhängig von der konkreten Situation, müssen wir den Generalstreik als einen unserer wichtigsten Slogans und Propagandapunkte nach vorne stellen. Aber die Sache ist heute, wegen des Charakters der Gewerkschaftsführung und des beschränkten politischen Bewusstseins der Arbeiterklasse komplexer. Die Generalstreiks, oder auch branchenweiten oder regionalen Generalstreiks die in der vergangenen Periode stattgefunden haben, haben vor allem die Rolle von Protestaktionen gehabt und sind eher zu vergleichen mit den Protest-Generalstreiks die in einigen europäischen Ländern vor dem Ersten Weltkrieg stattgefunden haben. Ein unbefristeter Generalstreik wird letztlich die Machtfrage stellen. Aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt hinkt das politische Bewusstsein der Arbeiterklasse hinter den anstehenden Aufgaben her. Die Forderung nach weitergehenden Aktionen, zum Beispiel von längerer Dauer als 24 oder 48 Stunden, zusammen mit dem Aufbau von gewählten Aktionskomitees und die Frage einer KKE/SYRIZA-Regierung mit einem sozialistischen Programm wurden von den GenossInnen in Griechenland aufgestellt. Das müssen wir auch in den anderen Ländern entwickeln, wo es angemessen ist.

Die spezifischen, konkreten Vorschläge, die wir in Arbeitskämpfe machen – wie sie konkret organisiert werden können, welche Aktionen gesetzt werden können – ist in dieser Periode besonders wichtig, weil die neue Generation von ArbeiterInnen keine oder kaum Erfahrung in Kämpfen hat. Die richtigen Vorschläge zum richtigen Zeitpunkt für Aktionen und Initiativen können unsere Autorität und unsere Verankerung enorm steigern und uns von manchen ultra-linken oder sektiererischen Gruppen unterscheiden.

Es ist besonders wichtig die Balance zu finden zwischen unserer Intervention in die offiziellen Gewerkschaftsstrukturen einerseits und andererseits in passenden Situationen die Bildung von inoffiziellen demokratisch gewählten Aktionskomitees außerhalb der offiziellen Strukturen vorzuschlagen. Der Rückgang in der Anzahl von Gewerkschaftsmitgliedern in ganz Europa und insbesondere unter jungen ArbeiterInnen sowie die Rolle der Gewerkschaftsbürokratie machen das besonders wichtig. Auch die Tatsache, dass immer mehr junge ArbeiterInnen nur prekäre Jobs und Zeitverträge haben ist ein Thema, dass wir ansprechen müssen.

Die wichtigen Arbeitskämpfe, die bereits stattgefunden haben stellen nur die erste Welle der Reaktion auf die Folgen der Krise dar. Es hat auch verschiedenen Phasen in der Entwicklung des politischen Bewusstseins und der Sichtweise von ArbeiterInnen gegeben. Ursprünglich ist es bei vielen zu einer gewissen Radikalisierung gekommen. Aber nach dem Ausbrechen des Ärgers, einer Stimmung gegen die Banker, die Reichen hat es in manchen Ländern – inklusive einer Zeit lang in Griechenland und Irland – auch lähmende Effekte in Folge der Härte und Tiefe der Folgen der Krise gegeben. “Was können wir tun, als zu akzeptieren, den Gürtel etwas enger zu schnallen?” Manche hatten trotz allem noch die Hoffnung, dass die Krise und ihre Konsequenzen nur kurz und vorübergehend sein würden. Das war gefolgt von Erwartungen, dass die Konjunkturpakete die Probleme lösen würden und dann “das Leben wieder zur Normalität zurückkehren” würde.

In Irland hat die feige Rolle der Gewerkschaftsführung die Probleme des politischen Bewusstseins und des Selbstvertrauens der Arbeiterklasse noch verstärkt. Nach mehr als zwanzig Jahren von Wirtschaftswachstum sieht sich die Arbeiterklasse nun einem wirtschaftlichen Tsunami gegenüber. Bisher wurde eine Bewegung von unten dadurch verhindert, dass es ein bitteres, zögerndes Akzeptieren der “Unausweichlichkeit” und “Alternativlosigkeit” von Kürzungen angesichts des wirtschaftlichen Zusammenbruchs, gegeben hat , was in Kombination mit dem Fehlen einer Massenalternative wirkt. Natürlich versuchen wir dem entgegen zu wirken, aber unsere Stimme ist noch zu schwach, um die Sichtweise der Massen zu verändern. Aber dass kann sich rasch ändern und den Weg freimachen für eine massive soziale Explosion.

Es ist wichtig dass wir solche Stimmungen verstehen, und sie in unserer Propaganda, in unseren Analysen und Perspektiven aufgreifen und ansprechen. Gleichzeitig müssen wir aber auch verstehen, dass solche Stimmungen von widerwillger Akzeptanz vorübergehend sind und sich sehr rasch und sehr radikal verändern können. Manchmal kann so eine Veränderung der Stimmung als Folge eines relativ kleinen Angriffes kommen, der einer Serie von härteren Angriffen folgt.

Das Fehlen einer starken sozialistischen Alternative und die Konsequenzen daraus

Das Fehlen einer klar umrissenen und mächtigen sozialistischen Alternative und eines solchen Bewusstseins ist in der gegenwärtigen Situation das wesentliche Hindernis zur Mobilisierung der Massen für eine sozialistische Veränderung. Die Bourgeosie kann sich glücklich schätzen, dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mit einflussreichen und in der Arbeiterklasse verankerten links-reformistischen oder zentristischen Kräften, wie es sie in der Vergangenheit gegeben hat, zusammenstößt. Das Fehlen einer sozialistischen Massenalternative findet auch in der wachsenden Wahlenthaltung in vielen europäischen Ländern ihren Niederschlag.

Kaum eine Regierung in Europa kann heute als stabil bezeichnet werden. Die Instabilität der Situation zeigt sich sogar innerhalb der Regierung von Merkel wo es offene Konflikte zwischen MinisterInnen von CDU, CSU und FDP gibt. In Italien sind – trotz der jüngsten Regionalwahlen – das Wiederaufleben der Opposition gegen Berlusconi und seine sinkenden Umfragewerte Anzeichen dafür. Das gilt auch, obwohl der erwartete Zusammenbruch der Mitte-Rechts-Kräfte bei den Regionalwahlen nicht stattgefunden hat. Die herrschende Klasse in Italien ist offensichtlich wegen Berlusconi besorgt. In den meisten Ländern hätte eine starke linke Kraft, wenn sie existieren würde, die herrschenden Regierungen und Parteien aus dem Amt gejagt. Aber vor diesem Hintergrund ist die typische Reaktion in vielen Ländern in Europa die Unterstützung des jeweiligen „kleineren Übels“. Wie haben schon im Dokument, das auf dem letzten IEK verabschiedet wurde darauf hingewiesen, dass sichdas eine Zeit lang in Griechenland abgespielt und zur Wiederwahl der PASOK geführt hat. Auch die jüngsten Wahlen in Frankreich haben das deutlich gemacht, wo die Sozialistische Partei ein relatives Stimmenwachstum verzeichnen konnte. In Irland zeigt sich das in der Stärkung der Irish Labour Party in den Umfragen. Sogar in Großbritannien könnte nach 13 Jahren Labour an der Macht die Angst vor einer neuen Tory-Regierung dazu führen, dass Brown ein besseres Ergebnis einfährt, als noch vor einigen Monaten zu erwarten war. Das könnte sogar zu einer Labour Minderheitsregierung mit einer inoffiziellen „Koalition“ bzw. Unterstützung durch die Liberalen führen. Eine Minderheitsregierung der Tories ist zwar auch eine Möglichkeit, aber die soziale Situation ist derart explosiv, dass eine solche Regierung eine sehr kurze Lebenszeit haben könnte.

Ein prozentuales Wachstum bei Wahlen für frühere sozialdemokratische Parteien in einigen Ländern finden aber auf einer gänzlich anderen Grundlage statt, als in der Vergangenheit. Sie haben weit schwächere soziale Verankerung und es gibt kaum Erwartungen in sie. Auch wenn diese Parteien auf der Wahlebene gestärkt werden, hat sich das nicht in einer Zunahme der aktiven Mitgliedschaft aus den Reihen der Arbeiterklasse wieder gespiegelt. Eine der auffälligsten Charakteristika dieser Periode ist die Unbeständigkeit. Es kann extrem rasche Veränderungen in der Stimmung geben, wo die wachsende Wahlunterstützung plötzlich verdampft und sich in bittere GegnerInnenschaft umwandelt.

Sehr deutlich hat sich das in Island gezeigt, wo zuerst eine Koalition aus sozialdemokratischer Partei und der links-grünen Allianz gewählt wurde. Aber innerhalb weniger Monate waren die Hoffnungen und Illusionen, die in diese Regierung existiert hatten – die erste sozialdemokratische Regierung in Island überhaupt – zerschlagen. Die Vorschläge der Regierung, die Auflagen der britischen Regierung zur Schuldenrückzahlung zu akzeptieren, stieß auf grimmige Opposition. Sogar der Präsident musste auf diese Stimmung reagieren und weigerte sich die vom Parlament beschlossene Vereinbarung zu unterzeichnen. Das hat den Weg geebnet für das Referendum bei dem 93 Prozent den Deal zurückgewiesen haben.

Neue linke Parteien und Bündnisse

Allgemein kann gesagt werden, dass die existierenden neuen linken Bündnisse/Parteien nicht in der Lage sind, das Vakuum zu füllen und dass ihre Zukunft unsicher und unklar ist. Angesichts der historischen Krise des Kapitalismus sind sie im allgemeinen weiter nach rechts gegangen und der ideologische Zusammenbruch hat sich fortgesetzt. Das ist zweifellos einer der wesentlichen Gründe dafür, dass diese neuen Parteien/Bündnisse sich in der letzten Periode nicht weiter entwickelt haben. Sowohl in Frankreich als auch in Griechenland sind die NPA und SYRIZA von hohen Umfragewerten zurückgefallen, als die Krise sich verschärft hat. Die jüngsten Wahlergebnisse der NPA (2,5 Prozent) und der niederländischen Sozialistischen Partei stehen in scharfen Gegensatz zum enormen Wahlsieg in Irland, den Joe Higgins in den Europäischen Wahlen einfuhr.

Obwohl Die Linke in Deutschland in ihrem jüngsten Programmentwurf einen verbalen Linksruck vollzogen hat, stagniert sie in den Umfragen bei ca. elf Prozent. Die letzten Umfragen deuten aber darauf hin, dass es ihr gelingen könnte, in Nordrhein-Westfalen, dem größten deutschen Bundesland, erstmals in den Landtag einzuziehen. Das wird als Erfolg gesehen werden. Bis jetzt haben die neuen linken Parteien/Bündnisse es nicht geschafft, eine größere Anzahl von ArbeiterInnen als Mitglieder und AktivistInnen zu gewinnen. Das spiegelt einige ihrer Fehler wieder: sie bieten keine klare, konsequente sozialistische Alternative zur Krise und die Führung ist nicht in der Lage die Wahlkampfarbeit mit der Beteiligung an den stattfindenden Kämpfen von ArbeiterInnen und Jugendlichen zu kombinieren. Es spiegelt aber auch eine allgemeine „Anti-Parteien“ Stimmung wieder, die es bei vielen ArbeiterInnen und Jugendlichen gibt, die noch nicht sehen, warum sie aktiv werden und einer politischen Partei beitreten sollten.

Diese Situation wird sich ändern, wenn ArbeiterInnen – durch ihre eigenen Erfahrungen im Kampf, weil sich die Krise fortsetzt und mit der Hilfe von SozialistInnen, insbesondere des CWIs – zum Schluss kommen, dass es keine Alternative zum Aufbau ihrer eigenen politischen Vertretung gibt. Das wird kein leichter oder geradliniger Prozess sein. Es wird eine Serie von Kämpfen brauchen bevor eine solche machtvolle linke Kraft mit einer substantiellen Beteiligung von ArbeiterInnen in irgendeinem europäischen Land aufgebaut wird. Es ist noch offen, ob die bereits existierenden Formationen sich in diese Richtung entwickeln werden oder ob neue Organisationen entstehen. Doch es ist nach wie vor wichtig, dass wir weiterhin in den Organisationen, die es gibt, mitarbeiten und versuchen, ihnen ein politisch schärferes Profil zu geben, wie wir es in SYRIZA in Griechenland tun. Das Entstehen von verschiedenen linken Gruppen innerhalb von SYRIZA stellt einen wichtigen Schritt vorwärts dar und könnte die Entwicklung von SYRIZA und einer linken sozialistischen Massenpartei der griechischen Arbeiterklasse zuspitzen. Wir müssen in diesem Prozess mit vielen Drehungen und Wendungen rechnen und darauf vorbereitet sein, unsere Taktik rasch darauf auszurichten.

Es wäre ein Fehler unseren Einfluss auf solche Entwicklungen, wie wir ihn bereits in SYRIZA und der P-SOL (Brasilien) erreichen konnten, zu unterschätzen,. Auch die gemeinsame Plattform die die Sektion in England und Wales innerhalb der TUSC (linkes Wahlbündnis für die Wahlen 2010) gemeinsam mit der RMT (Transportarbeitergewerkschaft) aufbaut ist von großer Bedeutung. Diese Zusammenarbeit ist unter anderem das Ergebnis der konkreten Intervention der Sektion in verschiedene Arbeitskämpfe.

Die Formation von neuen Parteien ist nicht das Ziel an sich, sondern ein Instrument um die Rechte, Arbeitsbedingungen und den Lebensstandard der Arbeiterklasse zu schützen und zu verbessern. Die Entwicklung der PRC in Italien hat gezeigt: wenn es keine starken marxistischen Kräfte in solchen Formationen gibt, die helfen, ihr Programm und ihre Taktik zu schärfen, kann es geschehen, dass die reformistischen oder sogar zentristischen Elemente in ihnen durch ein falsches Programm, falsche Taktik und falsche Methoden deren Basis untergraben und sie zerstören. Das gilt selbst, wenn sie starke Parteien mit der Beteiligung von wichtigen Teilen der Arbeiterklasse und der Jugend sind. Wenn das geschieht, kann die folgende Enttäuschung den Aufbau einer neuen Kraft noch weiter erschweren. Das zeigt sich sehr deutlich in Italien wo bei den letzten Regionalwahlen die Stimmen des „Linken Bündnisses“ von PRC, PDCI (italienische KommunistInnen) und anderen Linken durchschnittlich bei gerade mal 3 Prozent lagen. Die Fehler der PRC in Kombination mit der Wirkungslosigkeit der Demokratischen Partei hat dazu geführt, dass Phänomene wie die „Lila“ Bewegung entstehen können. Wenn keine starken sozialistischen linken ArbeiterInnenparteien aufgebaut werden, können auch in anderen Ländern ähnlich verwirrte und konzeptionslose Entwicklungen stattfinden.

Obwohl der Aufbau von neuen breiten ArbeiterInnenparteien eine wichtige Aufgabe für die Arbeiterklasse und auch uns selbst darstellt so ist das Fehlen solcher Formationen kein Hindernis dafür, unsere eigenen Parteien und Sektionen signifikant zu Stärken. Natürlich würde sich eine größere Schicht von ArbeiterInnen solchen neuen breiten Parteien anschließen, aber eine wichtige Schicht von ArbeiterInnen und Jugendlichen kann auch direkt für unsere Sektionen gewonnen werden, wenn wir korrekt arbeiten.

Eine der Fragen, die in Die Linke, SYRIZA, PRC, PSOL und der NPA aufgekommen, ist ist jene von Koalitionen bzw. Allianzen mit ehemaligen Sozialdemokratischen Parteien. Das ist eine wichtige Frage für die Arbeiterklasse und unsere Sektionen. Wir müssen uns an diesen Debatten beteiligen. Wir müssen eine klare und grundsätzliche Position dazu vertreten, aber unsere Position genau und feinfühlig erklären, da wir die Illusionen, die in solche Koalitionen existieren, berücksichtigen müssen. In der Vergangenheit wurde diese Frage von linken AktivistInnen klarer verstanden als heute; das ist ein weiteres Anzeichen dafür, wie das Bewusstsein in den 1990er Jahren nach dem Zusammenbruch der stalinistischen Staaten zurückgeworfen worden ist.

Die extreme Rechte und Rassismus

Das Fehlen einer linken Alternative hat in einigen Ländern zum Anwachsen der extremen Rechten geführt. Das ist eine zentrale Frage für die Arbeiterklasse und das CWI. Das neuerliche Wachstum der FPÖ in Österreich, die Möglichkeit eines guten Abschneidens der BNP bei den kommenden Wahlen in Großbritannien, die Wiederauferstehung von Le Pen bei den Regionalwahlen in Frankreich (er erhielt in den Regionen wo er antrat durchschnittlich 17 Prozent) sowie die Erfolge der extremen Rechten in den Niederlanden und Ungarn und das Wachstum der Lega Nord bei den italienischen Wahlen zeigen die Gefahr deutlich auf. Eines der Charakteristika der extremen Rechten in manchen Ländern ist eine populistische „anti-kapitalistische“ oder gegen die Reichen gerichteten Propaganda. Dass muss von der ArbeiterInnenbewegung gekontert werden. Das Wachstum der extremen Rechten spiegelt das Vakuum wieder, das existiert. Die Auswirkungen der Krise führen in einer negativen reaktionären Art zum Anwachsen von rassistischen, anti-migrantischen, anti-islamischen Stimmungen bei manchen Schichten. Die Kräfte der extremen Rechten und der Rechten setzen auf populistische rechte Rhetorik um Wahlen zu gewinnen. Wir müssen an der Spitze der anti-rassistischen Aktivitäten sein, insbesondere in unserer Jugendarbeit. Wir müssen unser Programm und unsere Forderungen in Bezug auf diese Frage entwickeln um Rassismus entgegen zu treten und für die Einheit der ArbeiterInnenklassse in einer solchen Art einzutreten, dass wir in einen Dialog mit allen Teilen und Schichten der ArbeiterInnenkasse treten können.

Radikalisierte Jugend

Wenn wir verschiedene Teile der Arbeiterklasse ansprechen müssen wir auch immer die Stimmung berücksichtigen, die sich in wichtigen Teilen der Jugend in manchen europäischen Ländern entwickelt. Die Angriffe auf das Bildungswesen und das dramatische Ansteigen der Jugendarbeitslosigkeit (lt. OECD sind 21 Prozent der Jugendlichen, die arbeiten wollen, in der Eurozone arbeitslos) bilden eine explosive Mischung. Die Bildungs-Bewegungen in Deutschland, Österreich und Spanien sind eine Vorschau auf die Kämpfe, die sich in der Mehrheit der europäischen Länder oder sogar europaweit entwickeln können. Die Angriffe in Folge des Bologna-Vertrages haben verheerende Folgen für das Bildungswesen und können Proteste provozieren, die die bisherigen noch in den Schatten stellen. In diesen Kämpfen müssen wir aufzeigen wie wichtig es ist, dass diese und andere Mobilisierungen von Jugendlichen sich an die Arbeiterklasse richten und wir müssen die Notwendigkeit des gemeinsamen Kampfes von ArbeiterInnen, Studierenden und Jugendlichen im Allgemeinen betonen. Die Jugend ist die „leichte Kavallerie“, die erste Welle der Proteste und eine Vorschau auf die viel mächtigeren Bewegungen der Arbeiterklasse die ihnen oftmals folgen. Dennoch sind sie sehr wichtig für uns. Ein wichtiger Teil der Jugend lehnt die existierenden Parteien, und in manchen Ländern das Establishment und das System als ganzes, ab. Manche sind in einem ständigen Kampf mit der Polizei und dem Staatsapparat. Manche sind mehr und mehr von der Gesellschaft entfremdet.

Eine Schicht orientiert sich an anarchistischen Gruppen und Ideen. Wir müssen sicherstellen, dass wir einen Weg zu den Besten dieser Jugendlichen finden und dass wir die Wut und Bitterkeit, die sie gegen das System verspüren, aufgreifen. Wir übernehmen nicht einfach ultra-linke Ideen und Methoden, aber wir müssen sicherstellen, dass unsere politische Herangehensweise an Jugendliche nicht zu vorsichtig ist. Das Ausmaß, in dem Jugendliche angewidert und abgestoßen vom System sind, zeigt sich zum Beispiel in Griechenland in der Entstehung einiger terroristischer Gruppen. Diese negative Reaktion mit allen ihren Konsequenzen kann sich auch in anderen Ländern, auch in Nordeuropa, entwickeln.

Die neue, durchaus günstige Situation in Europa bedeutet neue Möglichkeiten für unsere Interventionen und das Wachstum an Einfluss und Mitgliedschaft. Das öffnet die Perspektive, unsere Kräfte zu stärken so dass bedeutendere marxistische Organisationen im Rahmen des CWI und um das CWI herum aufgebaut werden können.