Am 1.Mai 2010 wollen Nazis wieder einmal durch Berlin marschieren.
Das Berliner Bündnis „1.Mai nazifrei!“ ruft dazu auf, den Naziaufmarsch massenhaft zu blockieren. Die SAV Berlin unterstützt diesen Aufruf und wird sich an den Blockaden beteiligen.
von Ronald Luther, Berlin
Das Bündnis knüpft an die erfolgreiche Massenblockade des Naziaufmarsches in Dresden im Februar diesen Jahres an. So wie damals sollen auch in Berlin die Nazis durch Aktionen des zivilen Ungehorsams und Massenblockaden gestoppt werden. Damit wird richtigerweise deutlich gemacht, dass Faschismus keine Meinung, sondern ein Verbrechen ist. Wer wie die Nazis alle demokratischen Rechte abschaffen will, kann diese auch nicht für sich in Anspruch nehmen. So weist der Bündnisaufruf korrekt darauf hin, dass die Hitlerfaschisten nur einen Tag nach dem 1. Mai 1933 die Gewerkschaftshäuser stürmten, GewerkschafterInnen in die Gefängnisse sowie Konzentrationslager warfen und viele von ihnen ermordeten. Es ist daher besonders empörend, dass die braunen Horden wieder einmal den 1. Mai für ihren Aufmarsch missbrauchen wollen. Denn der 1. Mai war schon immer der Kampf- und Feiertag der internationalen Arbeiterbewegung gewesen. Bereits im 19. Jahrhundert wurde weltweit gemeinsam für den Acht-Stunden-Arbeitstag gestreikt und demonstriert. Konfrontiert wurden die ArbeiterInnen dabei immer wieder mit Massenentlassungen und brutaler Polizeigewalt, so wie es auch heute noch in vielen Ländern geschieht. Dabei war den ArbeiterInnen damals stets bewusst gewesen, dass die Grenzen nicht zwischen den Völkern sondern zwischen Oben und Unten verlaufen. Und auch heute wird am 1. Mai international gemeinsam gegen die Einschränkung von Rechten der Arbeiterklasse, für höhere Löhne, für soziale Sicherheit, für Ausbildungs- und Arbeitsplätze für alle auf die Straße gegangen. Die Nazis hingegen stehen für eine Spaltung der Arbeiterklasse in Deutsche und Nichtdeutsche. Sie diskriminieren Menschen und verbreiten Rassismus sowie Antisemitismus. So wie 1933 in Deutschland wollen sie wieder die Organisationen der Arbeiterklasse, die Gewerkschaften sowie die linken Parteien und Organisationen brutal zerschlagen und ihr faschistisches Terrorregime errichten.
Es ist richtig, wenn das Bündnis in seinem Aufruf davor warnt, dass die Nazis in rassistischer und antisemitischer Manier die Wirtschaftskrise und ihre Folgen für ihre Propaganda nutzen und MigrantInnen als Sündenböcke präsentieren. Korrekt ist auch, dass die Antwort der Nazis auf die Soziale Frage Ausgrenzung, Vernichtung und Krieg bedeutet. Ein Problem ist aber, dass der Aufruf verschweigt, wer in Wahrheit für Massenarbeitslosigkeit, Sozialabbau, Lohnraub, Armut und Krieg verantwortlich ist, vermutlich um die Breite des Bündnisses nicht zu gefährden. Nicht der türkische Metallarbeiter ist es, der den deutschen Kollegen entlässt, sondern es sind die Kapitalisten. Und es sind bürgerliche Parteien wie die SPD und Bündnis90/DIE Grünen, die in der Krise eben nicht die Kapitalisten, sondern die Arbeitenden mit Lohnraub und Sozialabbau für die „Rettung“ der Banken zur Kasse bitten. Es ist sogar gefährlich, im Kampf gegen die Faschisten auf diese Parteien zu setzen, da diese selber zu den geistigen Brandstiftern gehören. So hetzte die CDU Anfang der neunziger Jahre gegen eine angebliche „Asylantenflut“, was in der Folge zur Abschaffung des Asylrechts durch CDU/CSU, FDP und SPD führte. Der Innensenator von Berlin Erhardt Körting (SPD) ist bekannt dafür, rigoros gegen Flüchtlinge vorzugehen. So kritisierte im Februar 2008 der Berliner Flüchtlingsrat in einer Pressemitteilung: „Mit größtmöglicher Härte gehe die Berliner Ausländerbehörde und Innensenator Körting gegen seit Jahrzehnten in Berlin lebende kurdische Libanon-Flüchtlinge vor.“ Im Februar diesen Jahres blockierte der SPD-Innensenator erneut die Aufhebung der Residenzpflicht (Reiseverbot) für Flüchtlinge. Bekannt ist er außerdem dafür, gegen Linke zu hetzen. So wird auch in diesem Jahr wieder vom Innensenator versucht, Teile der antifaschistischen Bewegung zu kriminalisieren und gegeneinander auszuspielen. In Bezug auf den 1.Mai drohte er wieder einmal: „Wenn zu erkennen ist, dass sich unter friedliche Gegendemonstranten andere mischen, denen es darum geht, Gewalt auszuüben, wird die Polizei für einen gehörigen Abstand (zum Naziaufmarsch, d. A.) sorgen“. Nicht also die braunen Schlägerbanden sondern die antifaschistischen BlockiererInnen stellen die Gefahr dar. Dabei hatte es allein im Jahr 2008 mehrere gewalttätige rechtsextreme Überfälle auf Linke und Menschen nichtdeutscher Herkunft gegeben. So wurden zwei Iraner im Wedding schwer verletzt und ein Student in Friedrichshain fast ermordet. Weiterhin gab es in den letzten Monaten vermehrt Angriffe auf linke Läden und Büros. Auch der SPD-Politiker und Ex-Finanzsenator von Berlin Thilo Sarrazin ist bekannt für seine rassistischen Sprüche. Es ist also pure Heuchelei, wenn SPD und Bündnis90/Die Grünen zu den Blockaden aufrufen.
Ignoriert wird dabei, dass die Kapitalisten selber ein Interesse daran haben, wenn die Arbeiterklasse gespalten ist. Denn die Arbeitenden können ihre Interessen im Konflikt mit den Kapitalisten nur dann durchsetzen, wenn sie gemeinsam handeln. Deshalb sind es immer wieder bürgerliche Politiker, die für die Interessen der Kapitalisten Ausländerfeindlichkeit schüren oder eine ausländerfeindliche Politik betreiben. Ihnen ist bewusst, dass eine einig handelnde Arbeiterklasse den Kapitalisten gefährlich werden kann, denn „Einigkeit macht stark!“. Und diese Einigkeit wird gerade jetzt gebraucht, wo die Folgen der kapitalistischen Weltwirtschaftskrise für die arbeitenden Massen immer spürbarer werden. Daher ist es schade, dass in dem Aufruf nicht auf die Anti-Krisen-Demos am 12. Juni diesen Jahres hingewiesen wird, von denen unter anderem auch eine in Berlin stattfindet. Dabei könnte damit den Nazis das Wasser abgegraben werden, die gerne von sich behaupten, als Einzige den Widerstand gegen die kapitalistische Krise zu organisieren.
Die Nazis dreschen in ihrem Aufruf für den Aufmarsch am 1. Mai antikapitalistische Phrasen, stellen sich als revolutionär dar und propagieren einen nationalen Sozialismus als die Alternative. Sie mobilisieren nicht ohne Grund unter dem Motto „Unserem Volk eine Zukunft – Den bestehenden Verhältnissen den Kampf ansagen – Nationaler Sozialismus jetzt“. Damit versuchen sie, die immer größer werdende Offenheit in der Bevölkerung für Sozialismus für sich zu nutzen und in rechtsextreme Bahnen zu lenken. So konnten sich in einer Emnid-Umfrage vom März diesen Jahres 80 Prozent der Ost- und 72 Prozent der Westdeutschen vorstellen, in einem sozialistischen Staat zu leben, sofern darin für Arbeit, Sicherheit und Solidarität gesorgt wäre. Der US-amerikanische, schwarze Revolutionär Malcolm X wies zu seinen Lebzeiten darauf hin: „Es gibt keinen Kapitalismus ohne Rassismus!“. Ihm war klar geworden, dass Rassismus nur abgeschafft werden kann, wenn es keinen Kapitalismus mehr gibt. Allerdings gab er keine Antwort darauf, was denn die Alternative zu diesem System ist. Unserer Meinung nach muss der Kampf gegen Faschismus und Rassismus verbunden werden mit dem Kampf gegen Massenarbeitslosigkeit, Sozialabbau, Armut, Krieg und für eine sozialistische Gesellschaft. Denn nur im Sozialismus werden die Ursachen für das alles abgeschafft werden können.