Solidaritätskampagne von Gewerkschaften und linken Betriebsräten gestartet
In der Berliner IG Metall soll ein Untersuchungsverfahren gegen die Kandidaten der »Alternative« im Daimler-Werk Marienfelde eingeleitet werden. Das geht aus einem Flugblatt der IG-Metall-Vertrauenskörperleitung des Betriebs hervor. Die in der Gruppe »Alternative« zusammengeschlossenen Kritiker der Betriebsratspolitik – viele von ihnen langjährige Mitglieder und Funktionäre der IG Metall – hatten bei der Wahl zur Beschäftigtenvertretung auf einer eigenen Liste kandidiert. Ein Solidaritätskreis Berliner Gewerkschafter sowie linke Betriebsräte aus verschiedenen Daimler-Standorten wollen den drohenden Ausschluß durch öffentlichen Protest verhindern.
von Karl Neumann
Mehr als 30 Gewerkschaftsaktivisten aus verschiedenen Betrieben haben sich am Dienstag getroffen und einen Solidaritätskreis gegründet. Einer von ihnen ist Hüseyin Akyurt, Leiter des IG-Metall-Vertrauenskörpers (VK) im Berliner Bosch-Siemens-Hausgerätewerk (BSH). »Das Verfahren weckt ungute Erinnerungen an die 70er Jahre, als linke Kritiker mit Funktionsverboten und Ausschlüssen aus der Gewerkschaft ausgegrenzt wurden. Ich halte das grundsätzlich für den falschen Weg«, begründete Akyurt sein Engagement am Mittwoch auf jW-Nachfrage. »In einer Einheitsgewerkschaft muß gewährleistet sein, daß jeder seine Meinung frei äußern kann. Das beinhaltet auch das Recht, zu Betriebsratswahlen mit einer eigenen Liste anzutreten.« Die Listenwahl sei nicht Ursache, sondern lediglich Ausdruck einer Spaltung unter den Gewerkschaftern im Werk, betonte er.
Tatsächlich war der Betriebsratswahlkampf nicht der Beginn, sondern nur der vorläufige Höhepunkt einer seit Jahren schwelenden Auseinandersetzung. Immer wieder hatten die »Alternative«-Unterstützer erfolglos gegen die Politik des Komanagements protestiert, sowohl öffentlich als auch im VK und Betriebsrat. Im Zuge der Auseinandersetzung um die Einführung des neuen Entgeltsystems ERA reichte die Gruppe gar 850 Unterschriften von Beschäftigten für eine außerordentliche Betriebsversammlung ein. Doch im Widerspruch zum Betriebsverfassungsgesetz ignorierte die Betriebsratsspitze die Aufforderung. Bei der Wahl selbst bekam sie dafür die Quittung: Fünf der 21 Betriebsratsmandate gingen an die »Alternative«, ein weiteres an eine andere oppositionelle Liste.
Am kommenden Dienstag will der Berliner Ortsvorstand formell über die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens entscheiden. Noch vorher wird der Solidaritätskreis damit beginnen, Unterschriften dagegen zu sammeln und Flugblätter zu verteilen. Dabei kann er auch auf die Unterstützung von Gewerkschaftern und Betriebsräten anderer Daimler-Standorte zählen, die sich ebenfalls gegen drohende Ausschlüsse in Sindelfingen, Kassel und anderswo wehren. In einer Resolution, für die bundesweit Unterzeichner gesucht werden sollen, heißt es: »Das Ausgrenzen von Positionen und Strömungen (…) verhindert die aktive Einbeziehung der Kollegen, schwächt die Mobilisierungsfähigkeit und die Durchsetzungskraft der IG Metall. Deshalb fordern wir die sofortige Einstellung der Ausschlußverfahren!«
Die Unterschriftenliste ist hier herunterzuladen.