Interview mit Nikos Anastasiadis, Syriza Koordinierungskomittee in Thessaloniki und Mitglied von Xekinima (Schwesterorganisation der SAV in Griechenland)
Die griechische Regierung hat ein Milliardenkürzungspaket beschlossen. Was umfasst es?
Die griechische Regierung hat das schlimmste Kürzungspaket der jüngsten Geschichte beschlossen. Es beinhaltet große Lohnkürzungen von bis zu 10% im Öffentlichen Dienst und die Erhöhung des Renteneintrittsalter von 65 auf 68. Sie wollen die Renten kürzen, die jetzt schon auf einem niedrigen Level sind. Sie wollen die Mehrwertsteuer erhöhen, was die meisten hart treffen wird. Gleichzeitig machen sie nichts, um die Wirtschaft zum Laufen zu bringen. Die Arbeitslosigkeit liegt bei bis zu 20 %. Es gibt Massenentlassungen und Fabrikschließungen. Außerdem gibt es Lohnsenkung in der Privatwirtschaft, wo die Löhne zuvor schon sehr niedrig waren. Dieser Angriff kann von der griechischen Arbeiterklasse nicht toleriert werden, weil es die Zerschlagung der griechischen Gesellschaft bedeutet.
In deutschen Medien wird betont, dass die griechischen ArbeiterInnen 13 bzw. 14 Monatslöhne haben und die Lohnkürzungen zu verkraften seien.
Laut europäischer Statistik haben griechische Beschäftigte die niedrigsten Löhne der gesamten EU. Die Frage der 14 Löhne wird benutzt, um zu verdecken, was wirklich passiert: Die Löhne sind so gering, dass sie gezwungen waren Bonuszahlungen an Ostern und Weihnachten als Kompensation für einen Teil der geringen Löhne auszuzahlen. Wenn sie diese Zahlungen jetzt streichen, bedeutet es, die Löhne sogar noch weiter zu drücken. Zum Beispiel haben in der Privatwirtschaft ein Großteil der jungen Beschäftigten einen Lohn von 700 Euro. Sie werden Generation 700 Euro genannt. Und das ist mit den griechischen Preisen auf dem Armutsniveau.
Was bedeutet die Erhöhung des Renteneintrittsalters?
Laut europäischer Statistik arbeiten griechische ArbeiterInnen im Schnitt schon die meisten Stunden. Die Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 68 soll die Profite nur noch weiter steigern.
In deutschen Medien wird die griechische Schuldenkrise als eine Folge der Steuerhinterziehung und der Korruption dargestellt. Was denkst du darüber?
Natürlich gibt es wie in jedem anderen kapitalistischen Land Steuerhinterziehung und Korruption. Aber das ist nicht der Grund für die Schuldenkrise. Sie ist das Ergebnis einer allgemeinen Krise des griechischen Kapitalismus, der im kapitalistischen Sinne nicht mit dem Weltmarkt mithalten kann. Außerdem sind auch nicht die griechischen ArbeiterInnen verantwortlich. Sie sind nicht frei davon Steuern zu zahlen. Steuerhinterziehungen wird vor allem von Seite der Kapitalisten betrieben und von korrupten Politikern unterstützt.
In den deutschen Medien wird so getan, als wäre Korruption etwas sehr griechisches. Was war der größte Korruptionsskandal?
Der größte Skandal war der Siemens-Skandal, die eine eigene Abteilung betrieben haben, die verantwortlich dafür war Politiker zu bestechen, um an öffentliche Aufträge zu kommen. Man sieht daran, dass es zwei Seiten gibt, diejenigen die Geld geben und die korrupten Politiker. Letztendlich ist Korruption nichts griechisches oder deutsches sondern findet in jedem kapitalistischen System statt.
Das Kürzungspaket der griechischen Regierung war immens. Was war die Reaktion der griechischen Arbeiterklasse darauf?
Es gab schon größere Streiks und Demonstrationen. Es gab zum Beispiel drei Generalstreiks im letzten Monat sowie zwei Streiks der Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Im Moment wird unter den Beschäftigten diskutiert, wie genau die Kürzungen zurückgeschlagen werden können. Insbesondere weil die Attacken zu groß sind, um sie nur mit eins zwei Streiks oder Generalstreiks zurückschlagen zu können. Deshalb schlagen wir vor, einen Plan von Protesten aufzustellen. In jedem Bereich sollte diskutiert werden wann gestreikt werden kann. Das muss koordiniert werden und zu einem gut organisierten massiven Generalstreik führen. Außerdem müssen die Proteste mit einer politischen Antwort verbunden werden, wer für die Krise zahlen soll.
Dazu gehört aus unserer Sicht die Verstaatlichung des Banksystems, die Besteuerung der Reichen und Wohlhabenden und die Streichung der Schulden, die über die Jahre durch Profitmacherei und Korruption angesammelt wurden. Außerdem brauchen wir einen Plan für Investitionen im Öffentlichen Bereich, Gesundheit und Bildung, aber auch für Arbeitsplätze und mehr Wohlstand im nächsten Jahr.
Die Kürzungen werden von einer sozialdemokratischen Regierung durchgeführt. Das macht es deutlich, dass es eine starke linke Alternative braucht. Wie verhält sich die Koalition der Linken Syriza?
Das größte Problem ist im Moment, dass wir einen Aktionsplan und Programm gegen die Krise brauchen. Aber das hat im Moment keine Stimme in der Gesellschaft. Die beiden großen linken Parteien, die Kommunistische Partei aber auch Syriza, die Koalition der Linken, stehen nicht in der ersten Reihe der Bewegung und haben keinen Plan, der in eine sozialistische Richtung zeigt. Syriza hat nach Kämpfen der einzelnen beteiligten Gruppen Schritte nach links gemacht, aber es fehlt noch ein wirklich klarer Plan einerseits eine umfassende sozialistische Lösung der Krise aufzuzeigen und andererseits konkrete Schritte für den Widerstand vorzuschlagen. Das wird unsere Aufgabe sein.