„Proteste bündeln“

Gespräch mit Simon Aulepp, GEW-Vorsitzender Kassel*


 

Global haben die Regierenden den strauchelnden Banken und Konzernen laut UN mit 18 Billionen US-Dollar in der Krise unter die Arme gegriffen. Jetzt wird den arbeitenden Menschen die Rechnung präsentiert. In Deutschland heißen die Posten Sparpaket, Kopfpauschale, Kahlschlag in den Kommunen und Arbeitsplatzabbau. Was tut sich an Gegenwehr?

Am 20. März haben wir in Essen eine kämpferische Demonstration von circa 6.000 Teilnehmern gesehen. Weitere Aktionen sind geplant. So ruft das bundesweite Bündnis „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ für den 12. Juni zu Demonstrationen, darunter in Berlin, auf.

Der Termin ist super, da er in der Zeit der dritten Welle der Bildungsstreiks liegt. In der Woche vor dem 12. Juni soll es bundesweit Streiks von Studierenden und Schülern geben. Ein wichtiger Schritt zur Ausweitung dieser Bewegung ist das Kasseler Bündnis von Aktiven verschiedener Gewerkschaftsjugenden, dem Bildungsstreik und mehreren politischen Organisationen, das am 9. Juni in den Betrieben Jugendversammlungen anstrebt, um die Azubis mit auf die Straße zu holen.

Diese Streiks sollten ein Vorbild für alle Teile der arbeitenden Bevölkerung sein, gemeinsam gegen die Kahlschlagspolitik zu kämpfen. Hier sind gerade der DGB und DIE LINKE gefordert. Sie haben es in der Vergangenheit verpasst, diese Kämpfe anzuleiten und auszuweiten.

Welche Forderungen sollten aufgestellt werden?

Statt der Sparpolitik sollte das Geld dort geholt werden, wo es die letzten Jahrzehnte gelandet ist. So ist die Wiedereinführung der Vermögenssteuer notwendig. Außerdem hat die Krise einmal mehr gezeigt, dass Kreditinstitute in privater Hand eine Gefährdung für ganze Volkswirtschaften darstellen: Der Bankensektor sollte daher verstaatlicht werden. Statt Kopfpauschale brauchen wir ein öffentliches, kostenloses Gesundheitssystem für alle.

Zentral ist die Forderung nach kostenloser Bildung für alle statt unterschiedlicher Chancen abhängig vom Geldbeutel. Eine Schule für alle bei Erhöhung der Lehrerzahlen und Verkleinerung der Klassen! Nur so ist kooperatives, individualisiertes Lernen möglich. Auch ist es dringend notwendig, die Ökonomisierung der Schulen zurückzudrängen. Schulen sind keine Privatunternehmen! Daher gilt es, den Ausbau demokratischer Strukturen in den Schulen statt einer Ausweitung der Rechte der Schulleitungen zu fordern.

Im Produktionssektor müssen Arbeitsplätze gesichert werden. Erklären Betriebe – wie Siemens und Opel zum Beispiel –, dass sie dazu nicht bereit sind, so müssen diese in öffentliches Eigentum überführt werden. Es ist hier die Aufgabe des Staates, Massenentlassungen zu verhindern. Natürlich muss in vielen Fällen gleichzeitig über eine Konversion der Betriebe gesprochen werden. Die Umstellung zum Beispiel von Autos auf andere, nachhaltige Verkehrsprodukte wird bereits in den Kollegien diskutiert. Die Alternative zur Massenarbeitslosigkeit ist die massive Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Die Alternative zu Niedriglöhnen ist ein Mindestlohn von mindestens zehn Euro pro Stunde.

Welche Kampfschritte sind heute nötig?

Das Wichtigste ist, dass der DGB, DIE LINKE und alle anderen Akteure in der Anti-Krisen-Bewegung Aufklärungsarbeit leisten. Das heißt, jetzt auf Betriebsversammlungen, Personalvertretungs- und Vertrauensleutetreffen die Auswirkungen der Angriffe wie Kopfpauschale zu schildern, Resolutionen zur Unterstützung der Demos am 12. Juni einzubringen und Proteste mitzuorganisieren. Diese Proteste müssen gebündelt werden. Ähnlich wie bei der Jugend müssen die verschiedenen Bereiche zusammenkommen und zu einem gemeinsamen Kampf gegen die Kahlschlagspolitik führen.

Es darf jedoch nicht bei Demonstrationen bleiben. Zur Verhinderung der Angriffe sind gemeinsame politische Streiks bis hin zum eintägigen Generalstreik aller Betroffenen notwendig. Gemeinsam mit allen Beschäftigten, im Öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft, sind wir in der Lage, so viel Druck auf Unternehmen und Regierung auszuüben, dass Entlassungen und Kürzungspolitik zurückgeschlagen werden können. In der Organisation dieser Proteste sehe ich die besondere Verantwortung der Gewerkschaften.

*Angabe zur Funktion dient nur zur Kenntlichmachung der Person

Termine

17. April: Bundesweite Aktionskonferenz des Bündnisses „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ in Wiesbaden

9. Juni: Beginn des Bildungsstreiks

12. Juni: Bundesweite Demonstrationen des Anti-Krisen-Bündnisses

Weitere Infos unter: www.kapitalismuskrise.de und www.bildungsstreik.net