Über Polizeigewalt und Widerstand auf Sri Lanka
Am 8. Februar drang Militär in ein Treffen ein, bei dem Sarath Fonseka, der führende Oppositionskandidat bei den Präsidentschaftswahlen vom 26. Januar, mit Oppositionspolitikern über eine Anfechtung des Wahlergebnisses beriet. Fonseka erklärte, dass eine Verhaftung nur durch die Polizei vorgenommen werden könne, und weigerte sich mitzugehen. Darauf wurde er geschlagen und herausgeschleift. Sein Aufenthalt ist noch unklar. Zwei Stunden nach der Entführung drang Militär in Fonsekas Haus ein, bedrohte seine Frau, lehnte es aber ab, für ihn Medikamente mitzunehmen, die er dringend benötigt.
von Wolfram Klein
Die Ereignisse seit den Wahlen bestätigen alle Warnungen, die die SAV-Schwesterorganisation Vereinigte Sozialistische Partei (USP) im Wahlkampf ausgesprochen hat. Dabei ist Fonseka keineswegs ein Außenseiter des Establishments. Im jahrelangen blutigen Bürgerkrieg gegen die Tamilentiger (LTTE) war er der Chef der Armee und legte dieses Amt erst nieder, als er vor wenigen Wochen seine Kandidatur bekannt gab. Er wurde im Wahlkampf von der größten Oppositionspartei UNP (Vereinigte Nationale Partei), der singhalesisch-chauvinistischen JVP (Volksbefreiungsfront) und den meisten VertreterInnen der muslimischen und tamilischen Minderheit unterstützt. Da er ein bürgerlicher Politiker ist und Hand in Hand mit Präsident Rajapakse den Bürgerkrieg gegen die LTTE geführt hat, warnte die USP im Wahlkampf, die Alternative zwischen Rajapakse und Fonseka sei „die Wahl zwischen Machete und Axt“. Trotzdem kann SozialistInnen die Entführung Fonsekas nicht gleichgültig sein. Siritunga Jayasuriya, genannt Siri, der Kandidat der USP bei den Präsidentschaftswahlen erklärte: „Wenn sie das mit Fonseka machen können, zwei Wochen nachdem er vier Millionen Stimmen bei der Präsidentschaftswahl bekam, dann ist niemand sicher!“ Offenbar ist ein Ziel Rajapakses, für die im April geplanten Parlamentswahlen eine gefügige Mehrheit herbeizuterrorisieren.
Präsidentschaftswahlkampf
Im Wahlkampf hat Rajapakse den Staatsapparat massiv als Wahlkampfmaschine für sich missbraucht. Unter anderem tauchten rund eine Million gefälschte Wahlzettel auf, auf denen den KandidatInnen falsche Parteisymbole zugeordnet waren. Wegen dem Analphabetismus sind diese Symbole für die WählerInnen sehr wichtig, um sich zu orientieren. Aber auf diesen Zetteln war Fonsekas Symbol ein Adler statt einem Schwan. Hinter Mohomad Cassim von der „Demokratischen Vereinigten Nationalen Front“ stand die Fahrradrikscha, das Symbol der USP (mehrere führende USP-Mitglieder verdienen ihren Lebensunterhalt als Fahradrikscha-Fahrer), während hinter dem USP-Kandidaten ein Schmetterling abgebildet war. Solche Verwirrungsmethoden gehörten neben der Einschüchterung von politischen GegnerInnen zu den Mitteln, mit denen Rajapakse wiedergewählt wurde.
Bereits in den vergangenen Jahren wurden mehrere (meist tamilische) Oppositionspolitiker und Journalisten ermordet oder „verschwanden“. Die Täter kamen oft in weißen Lieferwagen, die zum Symbol für den stattlichen Terror wurden, und blieben von Polizei und Justiz unbehelligt. Die USP und Siri, gegen den es in den letzten Jahren mehrere Morddrohungen gab, haben mehrere Initiativen ergriffen, um der staatlichen Einschüchterung entgegen zu treten. Sie gründete mit anderen eine Zivile Überwachungskommission (Civil Monitoring Commission), die versuchte, solche Fälle aufzuklären, und die „Plattform für Freiheit“. Für diese Initiative sprach selbst der Chef der bürgerlichen UNP Siri seine Anerkennung aus.
Die USP hat offensiv in allen Landesteilen Wahlkampf gemacht. Flugblätter wurden z.B. an Bahnhöfen an Pendler verteilt, Plakate geklebt und Veranstaltungen an Straßenkreuzungen organisiert. Siri reiste dazu im ganzen Land umher und hatte sogar im Dschungel einen Autounfall mit einem Wildschwein. Die USP war Mitorganisatorin einer Kundgebung am 22. Januar mit Hunderten TeilnehmerInnen für die Freilassung politischer Gefangener (über 200 Gefangene, die teils seit über vier Jahren auf ihren Prozess warten, sind im Hungerstreik) und einer Kundgebung von mehreren Hundert GewerkschafterInnen, KünstlerInnen und AktivistInnen gegen den Missbrauch der staatlichen Medien für Rajapakses Wahlkampf. Mit 8352 Stimmen erhielt Siri das beste Ergebnis von allen irgendwie als links zu betrachtenden KandidatInnen.
Seit den Wahlen
Am Wahlabend wurde Fonseka vom Militär faktisch in seinem Hotel festgesetzt. Rajapakse erhob die unglaublichsten Vorwürfe gegen ihn, unter anderem die Planung eines Militärputsches. Wer glaubt, dass ein Armeechef, wenn er einen Putsch machen will, dazu sein Amt niederlegt und zu Wahlen antritt??? Führende Militärs, die Fonseka nahe standen, wurden festgenommen, ebenso wie Journalisten und politische Aktivisten.
Am Tag nach der Entführung gab es eine Pressekonferenz von Oppositionsparteien, an der auch Siri teilnahm. Für den folgenden Mittag wurde eine Protestkundgebung in Colombo als Auftakt des Protestes angekündigt.
An dieser Kundgebung vor dem Obersten Gericht nahmen 5.000 Menschen teil. Eine kleine regierungstreue Gegendemo griff die Demonstrierenden an. Die Polizei nahm das zum Vorwand, die Demonstration mit Wasserwerfern und Tränengas zu zerstreuen. Siri wurde von einem Tränengasbehälter am Kopf getroffen und verlor vorübergehend das Bewusstsein, erholte sich aber schnell wieder.