Bildungsstreik 2010: Entschlossen weiter zu kämpfen, aber viele Fragen offen.

Koordinierungstreffen in Bielefeld plant Aktionen für dieses Jahr


 

Der Bildungsstreik geht 2010 in eine neue Runde. Beim bundesweiten Treffen in Bielefeld wurden vor allem Aktionen anlässlich der NRW-Landtagswahlen, der bundesweite Bildungsstreik im Juni und eine Teilnahme am Bologna-Gipfel diskutiert. Ob die Bewegung an ihren früheren Erfolgen anknüpfen kann, blieb dabei offen.

von Michael Koschitzki, Berlin

Etwa 130 TeilnehmerInnen aus vielen Städten waren angereist, um die Fortsetzung der Bildungsproteste 2010 zu besprechen. Selbst eine Woche nach der bundesweiten Demonstration in Frankfurt mit 4.000 TeilnehmerInnen gab es nur wenige Berichte von lokalen Protesten und Besetzungen und kaum inhaltliche Diskussion über den Zustand der Bewegung. Statt dessen prägten wieder einmal Verfahrensdebatten den Ablauf des Treffens.

Bildungsstreik 2010

Nichtsdestotrotz nahmen sich die TeilnehmerInnen des Treffens gemeinsam vor, mit einem Bildungsstreik im Sommer an die Proteste des letzten Jahres anzuknüpfen. So wird nun geplant, mit dezentralen Demos am 9. Juni eine unbefristete Aktionszeit einzuleiten, die Raum für Besetzungen von Schulen und Universitäten, Streiks und andere Aktionen bietet. Ebenfalls in diesem Zeitrahmen liegen die Demonstrationen des „Wir zahlen nicht für eure Krise“-Bündnisses am 12. Juni, zu denen das Bildungsstreik_Bündnis aufruft. Die genauere Ausgestaltung der Proteste, ihre Koordination und die Forderungen wurden jedoch zu keinem Thema des Treffens.

NRW-Wahl

Viele Aktivistinnen und Aktivisten befürworteten zu Recht Proteste vor den Wahlen in NRW, um die erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit und Diskussionen in Schulen und Universitäten zu nutzen. Am 22. April gibt es, angestoßen von der DGB-Jugend, der LandesschülerInnenvertretung NRW und der Landesastenkonferenz Proteste und Kundgebungen, zu denen auch Gewerkschaftsjugenden ihre Mitglieder unter dem Titel „Wähl dir deine Bildungsperspektive“ mobilisieren. Hier eröffnet sich dem Bildungsstreik zum ersten Mal die oft gewünschte Möglichkeit, gemeinsam mit Azubis zu protestieren. Durch ihre Brisanz sollte die Landtagswahl nicht nur in NRW selber Beachtung finden sondern auch bundesweit Anlass zu breiten Protesten bieten. Deshalb wurde für den 5. Mai eine zentrale Demonstration vorgeschlagen.

Einige wenige AktivistInnen führten allerdings an, dass Aktionen im Kontext der Wahlen zur Instrumentalisierung durch die bürgerlichen Parteien führen würde. Hintergrund war jedoch auch die fehlende Bereitschaft gemeinsam mit Gewerkschaften auf die Straße zu gehen. Oskar Stolz vom Bundesvorstand von LINKE.SDS hielt dagegen: „Wir sollten den Wahlkampf instrumentalisieren.“ Mitglieder der SAV machten deutlich, dass es Bewegungen und Proteste in Betrieben und auf der Straße sind, die Verbesserungen für die lernende und arbeitende Bevölkerung erkämpfen, dafür aber auch die Aufmerksamkeit der Wahlen genutzt werden müsse.

Aufgrund des Konsensprinzips konnte sich das Treffen aber trotz klarer Mehrheiten nicht für Aktionen am 22. April und am 5. Mai aussprechen, überließ es jedoch regionalen Initiativen dazu aufzurufen. Und es blieb dementsprechend offen, ob es auf eine anderweitige Initiative hin am 5. Mai eine bundesweite Mobilisierung zu einer zentralen Demo in NRW geben wird.

Bildungsgipfel

Eine weitere kontroverse Diskussion entstand um die Frage des Bildungsgipfels, zu dem die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) neben den Hochschulverbänden auch BildungsstreikaktivistInnen eingeladen hat.

Auf dem letzten bundesweiten Bildungsstreiktreffen Ende Dezember in Potsdam hatte sich zu diesem Thema eine Arbeitsgruppe gegründet, die die Vorbereitungen der Gipfels seitdem in die Hand genommen hat. Dort waren auch Bedingungen für die Teilnahme an einem solchen Gipfel formuliert worden, wie zum Beispiel die Verhandlungen öffentlich per Livestream oder Fernsehen zu übertragen. Diesen Vorbedingungen, wie auch einem für den Bildungsstreik günstigerem Termin im Juni, wurden von der HRK in Vorgesprächen zugesagt, einzig die Miteinbeziehung der SchülerInnen scheiterte.

Obwohl dieses Entgegenkommen günstig für den Bildungsstreik ist, gibt es AktivistInnen, die die Beteiligung an einem solchen Gipfel ablehnen, da sie das Aushandeln unserer Forderungen mit den verantwortlichen Politikern für unmöglich oder gar schädlich halten. Es ist zwar richtig, dass alle bisherigen Erfolge des Bildungsstreiks und auch anderer Bewegungen nicht durch Verhandlungen sondern den „Druck von der Straße“, das heißt Proteste, Demonstrationen, Besetzungen und Streiks erkämpft wurden und nicht durch Verhandlungen. Allerdings gibt es nach wie vor gewisse Illusionen in die herrschenden PolitikerInnen und ihre Gremien. Um sie zu entlarven kann eine öffentliche Diskussion und sogar ein Scheitern der Verhandlungen auf einem großen, öffentlichen Gipfel nur von Vorteil sein. Einer weiteren Kritik, der Angst, dass die verhandelnden BildungsstreikaktivistInnen durch ihre Rolle eine Machtposition bekämen und „böse“ Hierarchien aufgebaut würden, begegnen SAV-Mitglieder mit der Forderung nach Strukturen mit demokratisch gewählten Delegierten und Mehrheitsentscheidungen. Bis zum Ende des Treffens kam es zu keiner Entscheidung über den Bildungsgipfel.

Lernende und arbeitende Bevölkerung

Im Verlauf des Treffens wurde betont mehr Betroffene zu gemeinsamen Protesten zusammen bringen zu wollen. Die anwesenden Schülerinnen und Schüler setzten sich mehrmals in Schülerplena zusammen und diskutierten darüber eigene bundesweite Strukturen und Treffen ins Leben zu rufen. Ein bundesweiter SchülerInnenkongress vor dem nächsten Bildungsstreik ist nun in Planung.

Die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen wurde insbesondere in Bezug auf die Demonstrationen des „Wir zahlen nicht für eure Krise“ Bündnisses hervorgehoben. Die lernende und arbeitende Bevölkerung müsse gemeinsam kämpfen. Für die Demonstration am 20. März in Essen wurde konkret mit der Planung einen Bildungsstreikblocks begonnen.

In zahlreichen Beiträgen wurde das Thema Jugendarbeitslosigkeit mit aufgegriffen. In der Krise führen weniger Ausbildungsplätze und Niedriglohn auch zu mehr Zukunftsängsten unter SchülerInnen und Studierenden. Deshalb sei der gemeinsame Kampf mit Gewerkschaftsjugenden und Azubis besonders wichtig. Der Aufruf „Jugend für Arbeit, Bildung, Ausbildung und Übernahme – die Generation Krise schlägt zurück“ (www.generationkrise.de) wurde vorgestellt und erhielt weitere UnterstützerInnen.

Wie weiter?

Geprägt von langwierigen Verfahrensdebatten blieben wichtige Fragen für die Proteste diesen Jahres offen. Wird es demokratische Strukturen von SchülerInnen und Studierenden geben, welche die Bewegung tragen können? Wird der Bildungsstreik in der Lage sein, mehr Betroffene zu erreichen und die Bewegung zu steigern? Welche Forderungen stellt die Bewegung? Sind Besetzungsstreiks im Juni realistisch und umsetzbar?

Die Diskussionen müssen nun vor Ort fortgesetzt werden. Mit einer guten Vorbereitung der nächsten Schritte, Proteste und Diskussionen kann der Bildungsstreik 2010 ein großer Erfolg werden und Verbesserungen erkämpfen. Die bundesweite Koordinierung aller Aktionen fehlt weiterhin, was ein Hindernis darstellt. Es bleiben viele Aufgaben bis zum Streik zu erledigen. Das nächste Treffen wird sich ihnen stellen müssen: es soll noch vor Ostern diesen Jahres stattfinden.