Kritische KollegInnen sollen aufgespürt werden
Überwachungskameras an allen öffentlichen Plätzen, im öffentlichen Personennahverkehr? Check! Bankverbindung und Kaufgewohnheiten? Check! Fingerabdrücke, Biometrische Fotos? Check! Telefonate, SMS und E-Mails der letzten zwei Jahre? Check! Unentschuldigtes Fehlen am Arbeitsplatz, Abmahnung durch den Arbeitgeber, Streikbeteiligungen? Neu! Dank ELENA!
Die Regierenden haben sich etwas einfallen lassen – zur Entbürokratisierung, wie es heißt.
von Patrick Kahle, Bielefeld
Künftig soll die Kommunikation zwischen Arbeitgebern und Ämtern nicht mehr auf dem Papierweg erfolgen, sondern in Datenpaketen mit Hilfe des „Elektronischen Entgeltnachweises“, kurz ELENA. Der Entgeltnachweis ist das Meldeverfahren über Beschäftigtenzahlen, Lohn- oder Gehaltshöhe, Elterngeld, Arbeitslosengeld, Kindergeld, Krankengeld oder andere Einkünfte und Entgelte. Es geht um Bescheinigungen, die allmonatlich an die Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit geschickt werden müssen – bisher Pflicht und Kosten des Arbeitgebers.
Umfassende Datensammlung
Offizielles Ziel des ELENA-Verfahrens ist eine jährliche Entlastung um circa 85,6 Millionen Euro für die Unternehmen. Die „Kommunikationslücke“ zwischen Kapitaleigner und Staat soll maßgeblich überwunden werden. Die Arbeitskräfte will man zudem durch vermeintlich schnellere und angeblich diskretere Datenübermittlung und Bearbeitung von Sozialleistungen profitieren lassen. Des weiteren werden so, wie es heißt, Jobs in der IT-Branche gesichert, da diese die benötigte Chipkarte sowie Hard- und Software produzieren. Mit all diesen Argumenten wird für ELENA geworben – dessen Verfahren übrigens schon unter Rot-Grün auf den Weg gebracht worden war.
Seit Beginn diesen Jahres ist es den Arbeitgebern möglich, die Meldungen für die Beschäftigten elektronisch an eine zentrale Speicherstelle zu übermitteln. Aufgrund der Empörung von Gewerkschaften und anderen Kräften über die Ausforschung von Belegschaften kündigte das Bundesarbeitsministerium nun an, den Datensatz des Projektes zu überprüfen. Spätestens in zwei Jahren, 2012, soll ELENA trotzdem den Briefverkehr vollständig ersetzen. ELENA wird zum Zwang für die Teile der Bevölkerung, die Anrecht haben auf Sozialleistungen: Ohne Daten kein ELENA, ohne ELENA kein Geld.
Wer wird also in Zukunft profitieren?
Datensammler von Staat und Wirtschaft! Der persönliche ELENA-Code könnte für Online-Banking, Personenidentifikation und so weiter verwendet werden. Daten wie Einkommen, Sozialleistungen, Krankheitstage werden ins Netz eingespeist und der „gläserne Bürger“ wird immer weiter Realität. Und die Kosten von 85,6 Millionen Euro verschwinden auch nicht einfach: Kostenpunkt 40 Euro für die Erstbeschaffung für jeden Beschäftigten! Die Kosten für unseren zweiten ELENA-Code sollen dann zehn Euro betragen. Für jeden Lohnabhängigen kommt ein weiterer besonders heikler Aspekt hinzu: In Zukunft soll jeder Streikende in dieser Datenbank erfasst werden – auch sonstige Fehlzeiten, Abmahnungen und mögliches „Fehlverhalten“. Es werden sogar Einschätzungen vorgenommen, wie bei-spielsweise, ob die Streikbeteiligung „rechtmäßig“ oder „unrechtmäßig“ sei.
Auch wenn Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) jetzt Änderungen bei ELENA ankündigt und beteuert, dass Streikzeiten nicht mehr gesondert als solche erfasst werden sollen – die Herrschenden rüsten dennoch weiter auf, sei es mit Datensammlungen oder neuen Hochdruckwasserwerfern. Und wollen sich so gegen kommende Proteste wappnen. Wir sind gewarnt.