Bombardierung Dresdens: Wie es dazu kam

Über Faschismus, Imperialismus und den II.Weltkrieg


 

Auch in diesem Jahr versuchen Faschisten aller Couleur, den Jahrestag der Bombardierung Dresdens durch die Alliierten für ihre Zwecke zu missbrauchen. Am 13. Februar soll der größte Nazi-Aufmarsch seit langem stattfinden. Zu diesem Datum mobilisieren rechte Organisationen und Parteien aus ganz Europa. Sie wollen die deutsche Geschichte ins Gegenteil verkehren, um sie für ihre faschistische Propaganda nutzbar zu machen. Sie verschweigen, dass deutsche Bomber unter Hitler Städte wie Coventry oder Guernica dem Erdboden gleich machten. Viele Familien in Deutschland, gerade auch in Dresden, waren selber von den grausamen Folgen des Luftkrieges betroffen und fragen sich, wie es dazu kommen konnte.

von René Kiesel, Berlin

Am 19. Januar führte die Polizei in Dresden und Berlin Hausdurchsuchungen durch und beschlagnahmte Plakate und Flugblätter des Bündnisses „Dresden Nazifrei“.

SAV-Mitglieder werden sich – wie viele andere AntifaschistInnen – von dieser Kriminalisierung der antifaschististischen Arbeit nicht einschüchtern lassen, zum Protest gegen die Nazis am 13. Februar mobilisieren und sich an diesem Tag daran beteiligen, den Nazis entgegen zu treten und einen großen Gegenprotest auf die Beine zu stellen – um zu zeigen, dass für rassistische und faschistische Propaganda der Rechten kein Raum ist. Wir wollen verhindern, dass sie an diesem Tag ihre Argumentation, die eine Revision der Geschichte bedeutet, ungehindert zur Schau stellen können.

Sie wollen die Luftangriffe der Alliierten nutzen, um die Rolle der Nazis im Zweiten Weltkrieg zu leugnen. Doch der deutsche Faschismus war verantwortlich für die Vernichtung von Millionen von Menschenleben und für den Holocaust, der die Ermordung von sechs Millionen Jüdinnen und Juden bedeutete. Die Faschisten der neueren Generationen besitzen nicht das Recht, einen Krieg ihrer „geistigen Väter“ zu benutzen, um gegen die Bombardierung Dresdens – der Teil dieses Krieges war – zu demonstrieren und darüber rechtsextremes Gedankengut zu verbreiten.

Kein „von außen aufgezwungener“ Krieg

Die Bombardierung Dresdens vor 65 Jahren soll der Beweisführung dienen, dass andere imperialistische Mächte ihre Aggression gegen Deutschland gerichtet hätten und ihm dadurch den Krieg „aufnötigten“. Das Großmachtstreben des deutschen Kapitals, die Kriegsvorbereitungen des Dritten Reichs und die Aggression gegen andere Staaten (bis hin zum Einmarsch der Wehrmacht in Österreich oder die Annexion des Sudentenlandes 1938) fallen in dieser Darstellung unter den Tisch. An deren Stelle tritt die Position Deutschlands als „Opfer“, das sich selbst verteidigt – doch die Geschichte spricht eine andere Sprache.

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg standen die deutschen Kapitalbesitzer weiterhin vor dem Problem, dass die Welt bereits weitgehend unter den Großmächten aufgeteilt war. Die Kolonien in Afrika und Asien (damit wichtige Rohstoffquellen und Märkte) gehörten größtenteils Großbritannien und Frankreich. Gleichzeitig unterlag Deutschland – in Folge der Niederlage im Ersten Weltkrieg – den strengen Auflagen, die im Vertrag von Versailles festgeschrieben waren. Die deutsche Industrie war so weit entwickelt, dass sie auf dem Weltmarkt der internationalen Konkurrenz stand halten konnte. Mehr und mehr stieß die weitere Entwicklung der Produktivkräfte (Produktionsmittel und menschliche Arbeitstätigkeit) auf privatwirtschaftlicher Basis an seine – nationalstaatlichen – Grenzen. In wachsendem Maße empfanden die deutschen Kapitalisten im Verlauf der zwanziger Jahre den Vertrag von Versailles als Hindernis und begannen, sich immer aggressiver dagegen zu wehren. Gleichzeitig strebten sie nach neuen Möglichkeiten, ihre Märkte auszudehnen. Hinzu kamen die katastrophalen sozialen Folgen durch Wirtschaftskrise und Versailler Vertrag.

Wer versprach, die Interessen des deutschen Kapitals zu vertreten und seine Forderungen auch mit Gewalt durchzusetzen, waren die Faschisten. Vor dem Hintergrund der revolutionären Massenbewegungen zwischen 1918 und 1923 und der erneuten sozialen Zuspitzung Ende der zwanziger Jahre liebäugelten mehr und mehr Industrielle mit dem Nationalsozialismus und fingen an, die NSDAP großzügig zu finanzieren. Nach Hitlers Machtergreifung 1933 sollte ein Krieg gegen andere Staaten und deren gewaltsame Eroberung den Boden für die Ausbreitung des deutschen Kapitals bereiten.

Die Bombardierung Dresdens

Am Tag und in der Nacht des 13./14. Februars 1945 flogen Verbände der Royal Air Force und der United States Army Air Force in zwei Wellen massive Angriffe auf Dresden und zerstörten dabei die komplette Innenstadt. Die durch Brandbomben ausgelösten Feuer und Explosionen kosteten viele tausend EinwohnerInnen das Leben, aber auch viele Einrichtungen, wie Krankenhäuser und Schulen wurden zerstört. Ebenso kulturelle Gebäude wie der Zwinger, die Semperoper oder die Frauenkirche wurden in Schutt und Asche gelegt.

In Dresden war ein Teil der regionalen Industrie konzentriert, doch diese war nicht das Hauptziel der Angriffe. So auch in anderen Städten: Die Wirtschaftsleistung des Dritten Reiches verringerte sich in Folge der Bombardierung (die seitens Großbritanniens 1940 und den USA 1943 begonnen wurde) nicht einschneidend. Die Rüstungsproduktion verdreifachte sich in den Jahren von 1941 bis 1944 sogar. An den modernen Produktionsanlagen profitierten auch nichtdeutsche Unternehmer, diese Anlagen sollten nach dem Krieg weiterhin für die Kapitalisten Großbritanniens und der USA nutzbar bleiben.

Die Luftangriffe gegen Deutschland trafen besonders die Arbeiterklasse. Die betroffenen Regionen waren zum größten Teil Wohngebiete, die Häuser der wohlhabenderen Schichten an den Stadträndern wurden ausgelassen.

Die Bombardierung Dresdens und anderer deutscher Städte mit ihren Wohngebieten und Stadtkernen war nicht notwendig, um die Nazis zu besiegen. Der Schock, den die Angriffe verursachten, trieb die Bevölkerung zudem eher noch in die Arme der Nazis, die ihrerseits natürlich brutal jedes Anzeichen von Protest oder Unruhe unterdrückten.

Großbritannien und die USA – Krieg gegen den Faschismus?

Großbritannien und die USA zogen unter dem Banner „Freiheit und Demokratie“ in den Krieg, um die Welt vom Faschismus zu befreien. So steht es zumindest in den Büchern der bürgerlichen Geschichtsschreibung.

Doch am 18. Juni 1935 wurde beispielweise ein deutsch-englischer Marinevertrag unterzeichnet. Der Vertrag erlaubte es Hitlerdeutschland, in diesem Rahmen alle Schiffsklassen zu bauen, die der Vertrag von Versailles verboten hatte, also auch U-Boote, Flugzeugträger und Schlachtschiffe über 10.000 Tonnen. Und noch 1939 schrieb der britische Premierminister Winston Churchill: „Ich habe immer gesagt, dass wenn Großbritannien in einem Krieg besiegt würde, ich hoffen würde, dass wir einen Hitler finden, der uns zu unserer uns zustehenden Stellung unter den Nationen zurückführt.“ Politik von Antifaschisten sieht jedenfalls anders aus.

Nicht nur in Deutschland, sondern in allen imperialistischen Staaten, drängte das Kapital in den Zwischenkriegsjahren nach neuen Anlagemöglichkeiten, um möglichst schnell zulegen zu können. Da die Welt bereits aufgeteilt war, wuchsen die Spannungen zwischen den jeweiligen Kapitalistenklassen der einzelnen Länder. Mit ihnen wuchsen auch die militärischen Auseinandersetzungen. Folglich war den Herrschenden das Mittel eines Krieges recht, um ihren Einfluss in der Welt mit Gewalt auszuweiten.

Gleichzeitig waren die Kapitaleigner und ihre Politiker in dieser Zeit darauf aus, die Sowjetunion zu zerschlagen. Schließlich waren dort die Kapitalisten und Großgrundbesitzer entmachtet worden. Während die kapitalistischen Staaten aufgrund der Widersprüche ihres Wirtschaftssystems 1929 von der Großen Depression erfasst wurden, konnte die Sowjetunion (trotz der stalinistischen Bürokratie an der Spitze) dank der Planwirtschaft zum selben Zeitpunkt große Fortschritte erzielen. So sahen die Bürgerlichen in Deutschland unter der Herrschaft der Nazis auch ein „Bollwerk gegen den Bolschewismus“. Nach dem Krieg unterhielten westliche Demokratien auch rege Beziehungen mit autoritären Regimes, so zum Beispiel zu Spanien, in dem der Faschisten-General Franco noch bis in die siebziger Jahre hinein am Ruder blieb.

Übrigens schrieb David Shlatter, stellvertretender Befehlshaber der Luftwaffe im Hauptquartier der alliierten Streitkräfte, zu den Hintergründen der Bombenangriffe: „Ich bin der Meinung, dass unsere Luftwaffe der Trumpf ist, mit dem wir nach dem Krieg zur Friedenskonferenz ziehen werden, und dass dieses Unternehmen unsere Position grenzenlos stärken, das heißt die russische Kenntnis unserer Stärke vergrößern wird.“ Offensichtlich dienten die Angriffe auf Dresden und auf andere Städte auch dazu, gegenüber Russland Stärke zu demonstrieren.

Den Unternehmern anderer Staaten war – auch während der Nazi-Diktatur – viel an ihren Profiten gelegen. General Motors und Ford produzierten 1939 70 Prozent der Automobile für den deutschen Markt. Noch während des Krieges importierte Deutschland im September 1941 94 Prozent der Spezialöle für die Kriegsmaschinerie über das faschistische Spanien aus den USA. IBM lieferte über seine deutsche Tochter DEHOMAG die Logistik für den Holocaust.

Nicht nur der Faschismus, die blutigste Herrschaftsform des Kapitalismus, sondern der Kapitalismus generell – aufgrund von Privateigentum, Profitinteressen und konkurrierenden Interessen der Herrschenden – sorgt immer wieder für Kriege zwischen den Nationalstaaten. Deshalb reicht es nicht, allein gegen den Faschismus zu kämpfen. Nötig ist der Kampf zur Abschaffung des Kapitalismus, nur die Überwindung dieses Systems und die Schaffung einer sozialistischen Gesellschaft kann uns vor zukünftigen Kriegen schützen.