Filmkritik: Kapitalismus – eine Liebesgeschichte

Michael Moores neuer Film läuft heute in den deutschen Kinos an. Er ist eine Abrechnung mit dem Kapitalismus.


 

Michael Moores neuer Film „Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte“ beginnt mit einer einfachen Botschaft: „Kapitalismus ist böse” und muss durch ein System ersetzt werden, in dem die Interessen der einfachen Leute Vorrang vor Profit haben.

von Dan DiMaggio, Socialist Alternative (USA)

Moore nennt seinen Film „die Kulmination aller Filme, die ich je gemacht habe.” In seinen früheren Filmen konzentrierte er sich auf bestimmte Branchen wie das Gesundheitswesen (Sicko) oder Konzerne wie General Motors (Roger & Me). Aber in „Kapitalismus“ zeigt Moore, wie unsere Probleme, Systemcharakter haben und nicht das Produkt von ein paar faulen Äpfeln oder einer Handvoll böser Konzerne sind.

„Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte“ wird für Millionen die Wirklichkeit eines Systems entlarven, das nur ein Ziel hat: die kurzfristige Profitmaximierung. Die Bedeutung davon – ein bedeutender Filmemacher prangert den Kapitalismus vor einem Millionenpublikum in der mächtigsten kapitalistischen Nation der Welt an – sollte man sich klarmachen. Moore bietet zwar keine klare Alternative, aber er erzwingt den Beginn einer Debatte in der Bevölkerung über die Notwendigkeit, das gesamte Gesellschafssystem umzugestalten.

Opfer des Systems

Moore interviewt Familien, die von Räumungen und Entlassungen betroffen sind. Er zeichnet die Verheerung nach, die Randy und Donna Hacker erleiden, als die Polizei sie aus dem Heim vertreibt, das sie sich auf ihrer Familienfarm gebaut haben. Wie Randy Hacker sagt, „Es muss eine Form von Rebellion geben der Leute, die nichts haben gegen die Leute, die alles haben … Da kann es kein Zwischending mehr geben.”

Moore entlarvt auch die „Toter Bauer“-Versicherungspolice, durch die riesige Konzerne Lebensversicherungen auf ihre Angestellten aufnehmen, gewöhnlich ohne Wissen der Beschäftigten oder ihrer Familien. Wenn ein Arbeiter stirbt, streichen diese Firmen zigtausende – oder sogar Millionen! – Dollar ein, während die Familie die Rechnung für die Arzt- und Begräbniskosten bezahlen muss.

Dies ist die kranke Logik des kapitalistischen Systems, in dem das menschliche Leben selbst zu einer bloßen Ware reduziert ist. Moore entlarvt die Wall Street als das, was sie ist – ein „krankes Casino” – und versieht sie passender Weise mit Absperrband.

Kapitalismus gegen Demokratie

Am Ende des Films folgert Moore: „Kapitalismus ist ein Übel und man kann ein Übel nicht regulieren. Man muss es beseitigen und durch etwas ersetzen, was für alle Menschen gut ist.” Aber er stellt ihm keine zusammenhängende Alternative entgegen.

Moore stellt seinen Ruf nach wirklicher „Demokratie” dem antidemokratischen Charakter des Kapitalismus entgegen.

Wie er „Democracy Now“ sagte, hat „das reichste eine Prozent [der Amerikaner] mehr Reichtum als die unteren 95 Prozent zusammen. Wenn … ein Prozent nicht nur den ganzen Reichtum besitzt, sondern ihm der Kongress gehört, wenn sie sagen, was getan wird – sagen wir dann die Wahrheit, wenn wir dies eine Demokratie nennen? Sie und ich haben in ihr nichts zu sagen … haben nichts dabei zu sagen, wie diese Wirtschaft geleitet wird.” (Democracy Now, 24. September 2009)

Moore betont zwar die Notwendigkeit eines Kampfs von unten und fordert eine Alternative zum Kapitalismus, vermeidet aber, sich einen Sozialisten zu nennen. Aber der Film stellt das wachsende Interesse unter AmerikanerInnen am Sozialismus heraus und verweist auf die kürzliche Meinungsumfrage, wonach bei den Menschen unter 30 Jahren nur 37 Prozent sagen, sie „ziehen“ den Kapitalismus dem Sozialismus „vor“, während 33 Prozent den Sozialismus vorziehen und 30 Prozent unsicher sind. Was diese 30 Prozent unter „Sozialismus” verstehen, ist wahrscheinlich weniger sicher.

Rolle der Demokratischen Partei

Moores Film entlarvt die Rolle sowohl der Demokratischen als auch der Republikanischen Parteien bei der Umsetzung von Politik, die dem obersten einem Prozent auf Kosten gewöhnlicher ArbeiterInnen dient. Dieser Film hätte ein Weckruf sein können, der für eine politische Alternative zum Zwei-Parteien-System eintritt. Dazu würde gehören, bei den Kongresswahlen 2010 unabhängige AntikriegskandidatInnen, die Arbeiterpositionen unterstützen, aufzustellen und sich auf eine bundesweite Herausforderung 2012 vorzubereiten. Leider macht Moore selber kurz vor dem Aufruf zu diesem entscheidenden Schritt halt, und der Film maskiert stellenweise die wahre Rolle der Demokratischen Partei.

Obamas Rolle

Moore fasst auch Obama mit Samthandschuhen an, trotz Kritik an seinem Wirtschaftsteam und Teilen seiner Politik. In seinem Film stellt er Obama so dar, als wenn er anfänglich eine Bedrohung für Wall Street und das Amerika der Konzerne dargestellt hätte, den sie unter Kontrolle zu bringen versuchten, indem sie ihn mit Tonnen von Geld bewarfen – mit Goldman Sachs als seinem Hauptspender. Aber Obama wäre nie in der Lage zu seinem meteorhaften Aufstieg zur Macht gewesen, wäre er nicht von Anfang an von führenden Strippenziehern in der US-Konzernelite auf Herz und Nieren geprüft worden, die er mit seiner Fähigkeit beeindruckte, zugleich eine hochfliegende Botschaft von „Hoffnung“ und „Wandel“ zu verwenden und treu den selben Interessen zu dienen, die seit vielen Jahren die Show bestimmt haben.

Moore unterstützte Obamas Wahlkampf 2008 und half sogar, falsche Illusionen in seine Politik zu schüren. Dies machte er trotz Obamas Unterstützung für Bankenrettungsprogramme, seine Ablehnung des Prinzips einer allgemeinen staatlichen Krankenversicheurng (single payer-Modell) und seiner Forderung nach der Entsendung von zigtausenden weiteren Truppen nach Afghanistan.

Heute sind Millionen zunehmend frustriert über Obama und die Politik der Demokraten im Kongress, aber Moore schürt weiter Illusionen in sie. Ende September sagte er dem Kongress des [Gewerkschaftsdachverbandes] AFL-CIO, „anstatt dass wir [Obama] mit Forderungen überschütten, braucht er unsere Unterstützung … Wer unterstützt ihn?" (Washington Post, 16. September 2009)

Statt „Obama zu unterstützen”, ist die Schlüsselaufgabe, unabhängig von den Demokraten und Republikanern zu Fragen zu mobilisieren, die den Bedürfnisse von arbeitenden Menschen entsprechen, statt von dem Standpunkt aus, was für die Konzerne und ihr Zweiparteiensystem akzeptabel ist, zu mobilisieren.

Moore selbst war einst ein stolzer Vorkämpfer für die Notwendigkeit, mit den Demokraten zu brechen und eine politische Alternative aufzubauen, die die arbeitenden Menschen vertritt. Er war in den 90er Jahren ein Unterstützer der Labor Party, die von einer Reihe der fortschrittlichsten Gewerkschaften des Landes gegründet wurde, und auch ein führender Unterstützer von Ralph Naders Präsidentschaftswahlkampf 2000. Für die, die wirkliche Veränderung sehen wollen, ist es notwendig, zu diesem Geist zurückzukehren.

Eine Bewegung gegen den Kapitalismus ist notwendig

Moore endet den Film mit einem Appell an die Menschen, aktiv zu werde gegen die Herrschaft der Konzerne über unsere Gesellschaft. So ein Appell könnte sicher Anklang finden angesichts der Wut, die sich unter der Oberfläche in der US-Gesellschaft aufbaut.

Die Notwendigkeit, für eine grundlegende Umgestaltung dieses System zu kämpfen, ist jetzt dringender als je zuvor. Machen wir „Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte“ zu einem Weckruf für eine neue Generation von AktivistInnen, Kämpfe aufzubauen und diese zum Kampf für eine grundlegende Umgestaltung des Systems zu verbinden. Jeden und jede, die am Aufbau von Gegenwehr gegen den Kapitalismus interessiert sind, fordern wir auf, dem CWI beizutreten. Tretet uns bei zum Kampf für eine Welt ohne Armut, Ausbeutung, Krieg und die Tyrannei der Superreichen. Tretet uns bei im Kampf für eine demokratisch-sozialistische Zukunft.