Westerwelle in Regierung: Jetzt klar machen zum Widerstand!

Stillhalteabkommen zwischen Unternehmern und Regierung bringt Schwarz-Gelb an die Regierung – und ist hiermit beendet!


 

Es wird eine Mehrheit im Bundestag für eine Regierungskoalition aus CDU, CSU und FDP geben. Es gibt aber keine Mehrheit in der Bevölkerung für eine solche Regierung – und auch für eine Fortsetzung der Großen Koalition gibt es unter den WählerInnen keine Mehrheit.

von Sascha Stanicic

Die Wahlbeteiligung ist um fünf Prozentpunkte auf 72 Prozent gefallen und damit die historisch niedrigste Wahlbeteiligung bei einer Bundestagswahl. Damit ist die Gruppe der NichtwählerInnen größer als jede Wählergruppe einer der Parteien. Das interessiert die aber wenig, weil ihnen egal ist, wie viele Menschen aus dem Stimmvolk sie wählen, Hauptsache, sie ergattern die gewünschten Posten, Pöstchen und Diäten.

Die Regierung wurde abgewählt. Das ist die Hauptbotschaft der Wahl. Sie wurde abgewählt, weil sie zentrale Projekte verfolgte und fortgesetzt hat, die in der Bevölkerung keine Mehrheit haben: Rente ab 67, Fortsetzung der Agenda 2010-Politik und von Hartz IV, Privatisierung der Bahn, Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Doch die neue Regierung wird diese Politik nicht nur fortsetzen, sondern – wegen der Folgen der kapitalistischen Weltkrise und der Beteiligung der ‘kleinen Partei des großen Kapitals’ FDP – verschärfen. So funktioniert Demokratie im Kapitalismus.

Die SPD erlebt das schlechteste Ergebnis ihrer Nachkriegsgeschichte, weil sie in der Kontinuität der Schröder-Jahre für die Entwicklung von neuer Armut, Lohndrückerei, Bildungsnotstand etc verantwortlich gemacht wird, sich von ihr aber mehr Menschen abwenden, als von der CDU/CSU, weil es eigentlich andere Erwartungen an eine Partei, die sich sozialdemokratisch nennt, gab.

Dass die FDP, deren neoliberaler Marktradikalismus eigentlich am ehesten als eine krisenverursachende Politik betrachtet wird (sogar die Financial Times Deutschland wollte nicht zur Wahl der FDP aufrufen, weil diese zu wenig Regulierung in der Wirtschaft zulassen will), so deutlich zulegt, hat sicher damit zu tun, dass die Partei seit 1998 in keiner Bundesregierung vertreten war, sich sozialpolitisch etwas geläutert und wirtschaftspolitisch kompetent präsentiert. Vor allem aber damit, dass es in den letzten Monaten ein Stillhalteabkommen zwischen Arbeitgebern und Regierung gab, das darauf hinaus lief, dass die Bosse gegen die Ausweitung der Kurzarbeiterregelungen auf Entlassungen weitgehend verzichtet – bis zum Wahltag, länger nicht. So sind die Folgen der Weltwirtschaftskrise bisher abgefedert worden und hat sich in einem langweiligen und inhaltsleeren Wahlkampf nicht die soziale Polarisierung in eine politische Polarisierung nieder geschlagen, wie es in den nächsten Monaten und Jahren der Fall sein wird.

DIE LINKE hat mit über zwölf Prozent eine deutliche Steigerung im Vergleich zum Abschneiden der gemeinsamen Kandidatur von Linkspartei.PDS und WASG im Jahr 2005 geschafft. Das ist ein Erfolg, der sie zur viertstärksten Partei macht. Dieser Erfolg wurde möglich, weil sie diesmal deutlicher die soziale Frage in den Mittelpunkt gerückt hat, als oftmals in vergangenen Wahlkämpfen. Doch hat DIE LINKE ihr Potenzial bei weitem nicht ausgeschöpft und konnte die in Umfragen erzielten Werte von 14 Prozent nicht erreichen. Es sollte der Parteiführung auch zu denken geben, dass sie in einer im ZDF am Wahlabend veröffentlichten Umfrage bei der Glaubwürdigkeit auf Platz Drei hinter Grünen und FDP liegt.

Es wird sich nun zeigen, ob der Anpassungskurs der Parteiführung an SPD und Grüne, der in Thüringen, Brandenburg und im Saarland wahrscheinlich zu Regierungseintritten der LINKE führen wird, in der gemeinsamen Bundestagsopposition nun beschleunigt wird. Leider ist damit zu rechnen, wenn man die neue Tonlage in der Afghanistan-Politik betrachtet oder hört, wie Gregor Gysi DIE LINKE am Wahlabend einen Korrekturfaktor nennt, der weniger gebraucht wird, wenn die SPD sich endlich re-sozialdemokratisiert. Das sollte für alle Parteimitglieder, die in der LINKE keine Neuauflage der SPD aus den 70er Jahren wollen, sondern eine kämpferischePartei, die eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft anstrebt und sich den außerparlamentarischen Bewegungen und Kämpfen verpflichtet fühlt, eine Warnung sein. Die kritischen Stimmen zum Kurs von Lafontaine und Gysi waren in den letzten Wochen sehr leise, als es um die Regierungsbeteiligungen auf Länderebene ging. Offensichtlich trauten sich so manche Linke in der LINKE wegen der anstehenden Bundestagswahlen nicht, dem Vorwurf der Schmälerung der Wahlchancen ausgesetzt zu werden. Aber jetzt kommt es darauf an, die Partei darauf zu orientieren gegen die anstehenden Angriffe von Regierung und Unternehmern durch kämpferische Kampagnen auf den Straßen, in den Nachbarschaften, Betrieben und Bildungseinrichtungen zu reagieren – und nicht durch gemeinsame parlamentarische Initiativen mit SPD und Grüne, die dann in der Regel zu einer Weichspülung der originären LINKE-Positionen führen werden. Dafür muss in der Partei gestritten werden.

Positiv am Wahlergebnis ist das schlechte Abschneiden der faschistischen Kandidaturen, sowohl im Bund als auch bei der Brandenburger Landtagswahl. Das wird NPD und DVU schwächen, aber die Bedrohung durch gewalttätige Übergriffe von Nazis nicht sinken lassen, da es möglich ist, dass gerade die gewaltbereiten Teile der rechtsextremen Szene sich darin bestätigt fühlen, dass die Schwerpunktsetzung auf Wahlen und Parlamentsarbeit falsch ist und sie sich wieder auf den ‘Kampf um die Straße’ konzentrieren werden.

Es ist geradezu ein Skandal, wenn der DGB-Vorsitzende Michael Sommer im Fernsehinterview am Wahlabend betont, dass die Gewerkschaften mit der neuen Regierung zusammen arbeiten werden, anstatt die Millionen Gewerkschaftsmitglieder darauf vorzubereiten, dass große Mobilisierungen und Kämpfe nötig sein werden, um die zu erwartenden Angriffe auf Arbeitnehmerrechte und die sozialen Sicherungssysteme zurück zu schlagen. Aber genau darauf kommt es an: nach dem Wahlkampf ist vor dem Klassenkampf! Regierung und Unternehmer werden den Klassenkampf von oben forcieren, es kommt darauf an, dass dem Klassenkampf von unten entgegen gesetzt wird und eine politische Alternative zum Krisenkapitalismus aufgezeigt wird.

Ausführliche Analysen und Artikel zu den Bundes- und Landtagswahlen erscheinen in den nächsten Tagen und in der Oktober-Ausgabe der ‘Solidarität’