Piratenpartei – unter welcher Flagge?

Warum der Kampf gegen Überwachung und Sozialraub zusammengehören


 

Die Piratenpartei wird schon als neue Jugendbewegung gehandelt. Mitgliederzahl und Unterstützung wachsen. Die gerade erst gegründete politische Kraft stellt sich gegen Überwachung und Kriminalisierung Jugendlicher. Viel ist von innerparteilicher Demokratie und kreativen Aktionen die Rede. Sind das nicht eigentlich Aufgaben der LINKEN?

von Michael Koschitzki, Berlin

Spektakulär ist der Aufstieg der 2006 zunächst in Schweden gegründeten Partei. Ihre Wurzeln hat sie im Kampf gegen das Verbot der Tauschbörse „piratebay“ in Schweden. Nach Demonstrationen und Internetpetitionen hat sie mittler-weile zwei Europaparlamentarier.

Im Aufwind

Wie sieht es in Deutschland aus? Die Bundesregierung und die etablierten Parteien versuchen immer wieder, von der sozialen Misere der Jugendlichen durch Killerspiel-Debatten abzulenken und Internet-Tauschbörsen zu kriminalisieren. Der Überwachungsstaat wird wegen erwarteter Gegenwehr weiter ausgebaut.

Die „Piraten“ profitieren von der Empörung darüber. Mit öffentlichen Aktionen, wie dem „Killer-Schach“, wollen sie sich von dem Geschwafel der Politiker abheben.

Die „Piraten“ konnten in den letzten Monaten über 5.000 Mitglieder gewinnen und avancieren auf Internet-Plattformen wie StudiVZ zur stärksten Partei. Durch Internet-Abstimmungen erscheinen sie demokratischer als andere Parteien.

Allerdings kommt das Ergebnis bei den Europa-Wahlen hier mit 0,9 Prozent nicht an die Erfolge in Schweden heran. Die Chancen, in den Bundestag einzuziehen, sind extrem gering.

Interessen- und Klassengegensätze

Mit der Aufnahme des Bundestagsabgeordneten Jörg Tauss, der wegen Besitzes von kinderpornografischem Material angezeigt wurde und die asoziale Politik der SPD mitgetragen hat, holten sich die „Piraten“ eine äußerst zweifelhafte Figur ins Boot. Neun von zehn Mitgliedern sind männlich und im am zweithöchsten gevoteten Wahlkampfspot wird sich positiv auf Pornografie bezogen. Da sie zudem Kleinunternehmer in ihren Reihen haben, ist es noch fraglicher, wie sich die Partei in Zukunft entwickeln wird.

Die „Piraten“ kündigten an, grundsätzlich mit SPD, Union, Grünen und FDP koalieren zu können, wenn diese sich gegen Internetzensur stellen sollten. Genau das ist das Problem. Die „Piraten“ begehen den Fehler, nicht zu hinterfragen, warum gerade jetzt staatlich aufgerüstet wird. Hintergrund ist die Krise des Kapitalismus, die auf dem Rücken von ArbeiterInnen und Jugendlichen ausgetragen werden soll. Um sich gegen die zu erwartenden Proteste zu wappnen, setzen die Bürgerlichen auf Repression und Kriminalisierung von politisch Andersdenkenden. Darum kann man nicht einfach gegen den Überwachungsstaat sein und andere politische Fragen offenlassen. In dieser Gesellschaft gibt es nicht nur verschiedene Interessen, sondern Interessengegensätze – zwischen Unternehmerklasse und Arbeiterklasse. Hier muss man sich klar entscheiden, auf welcher Seite man steht.

„Piraten“ und LINKE

Dass die „Piraten“ punkten können, liegt auch daran, dass DIE LINKE zwar als linkere, aber nicht als völlig andere, kämpferische Partei wahrgenommen wird. Wenn die Linkspartei entschlossene Kampagnen führen würde und den Kampf gegen Überwachung, für kostenlose Bildung und für eine nicht-kommerzielle Internetkultur entschiedener angehen würde, könnte sie viele Jugendliche, die auf die „Piraten“ schauen, ansprechen. Erst Recht, wenn DIE LINKE Mitglieder und AnhängerInnen im ganz anderen Maße als bisher einbeziehen und alle Politiker-Privilegien ablehnen würde. Für diesen Kurs sollte bei Linksjugend [‘solid] und der Linkspartei gekämpft werden – um eine wirksame politische Kraft gegen Repression, Sozialabbau und Konzernherrschaft aufzubauen.