Iran: Drei Wochen seit Ausbruch der revolutionären Krise

Spaltungen innerhalb der herrschenden islamistisch-kapitalistischen Klasse


 

von Per-Åke Westerlund, Rättvisepartiet Socialisterna

Die am 12. Juni abgehaltenen Präsidentschaftswahlen im Iran haben eine revolutionäre Krise ausgelöst. Die herrschende islamistisch-kapitalistische Klasse ist in sich tief gespalten über die Frage, ob brutale Repression oder doch eher einige Zugeständnisse die historische Massenbewegung stoppen können, die losgebrochen ist. Die Herrschenden wie auch in zunehmendem Maße das System selbst haben ihre Legitimation verloren. Nationalistische und religiöse Propaganda zeigen nur wenig Wirkung. Schüsse, Schläge und Verhaftungen sind das letzte Mittel des aus Chamenei und Ahmadinedschad bestehenden Apparates. Das Fehlen von Massenorganisationen der ArbeiterInnen und einer revolutionären Massenpartei ist des Weiteren ein wesentlicher Faktor bei den momentanen Ereignissen.

Die Massendemonstration von über einer Million Menschen in den Straßen Teherans am 16. Juni verschaffte dieser neuen Revolution weltweite Aufmerksamkeit. Die Menschen haben die Angst abgelegt. Der enorme Hass auf das politische System und die Wut aufgrund der wirtschaftlichen Härten, mit denen die arbeitenden Menschen konfrontiert sind, sind übergekocht und haben zu Massenprotesten geführt.

Der Oberste Führer, Ayatollah Ali Chamenei, drohte in seiner Rede am Freitag, 19. Juni, mit Gewalt, Repression und „Blutvergießen“. In dieser Woche wurden Demonstrationen bereits an deren Auftaktorten angegriffen, was die Möglichkeit neuerlicher Massendemonstrationen einschränkt. Die Basidsch-Milizen, Männer auf Motrorrädern, attackierten Protestierende mit Schlagstöcken und Schusswaffen. Polizei und Armee setzen Tränengas und scharfe Munition ein. Berichte sprechen von 50 bis 184 Toten. Offiziell bestätigt die Staatsmacht 475 Verhaftungen, während Beobachter von 800 bis 1.000 ausgehen. Die Organisation Reporter Ohne Grenzen sagt, dass 26 JournalistInnen festgenommen wurden, während andere Nachrichtenagenturen von über 100 Studentenführern sprechen, die in Haft genommen wurden. Um die Festgenommenen zu verhören und sie anzuklagen, ist ein Sondergericht installiert worden.

Die Spannungen an der Spitze des Regimes nehmen indes zu. Der Präsidentschaftskandidat Mir Hossein Mussawi, der im Mittelpunkt der Spaltungen innerhalb des Regimes steht und Chamenei wie Ahmadinedschad herausfordert, ist unter eine Art von Hausarrest gestellt worden. In der Redaktion seiner Zeitung wurde eine Razzia durchgeführt, bei der 25 Leute verhaftet wurden. Der Druck auf seinen „Paten“, Ayatollah Akbar Haschemi Rafsandschani, seines Zeichens Ex-Präsident und reichster Mann im Iran, ist dadurch erhöht worden, dass Verwandte von ihm – darunter auch seine Tochter Faezeh Hashemi – festgenommen wurden. Presseberichten zufolge ist Rafsandschani daraufhin in die heilige Stadt von Qom gezogen, um zu versuchen, von dort Unterstützung zu bekommen.

Chamenei, gezwungen von seiner religiösen Gebieter-Rolle herabzusteigen und Ahmadinedschad bisweilen in die ihm genehme Richtung zu drängen, um seine Drohungen aussprechen zu können, ist offenkundig in Sorge darüber, dass Zugeständnisse an die Protestierenden nur den Appetit der Massen weiter anregen würden. Der Wächterrat hat eingestanden, dass es bei den Wahlen zu Störungen gekommen ist, verweigert aber die Möglichkeit einer umfassenden Neuauszählung, geschweige denn Neuwahlen. Aus diesem Grund antwortet Chamenei mit massenhafter Repression. Bislang aber hat Mussawi darauf nicht mit der Absage der Proteste reagiert, womit die Gefahr eines Blutbads weiterhin besteht. Westliche Politiker „verleihen ihrer Sorge Ausdruck“ und sind über die Gewalt „besorgt“, da sie hoffen, dass es an der Spitze des Regimes zu einem Kompromiss kommt.

Doch die Stimmung unter den Massen ist nicht so leicht zu kontrollieren. Die Massendemonstrationen am vergangenen Dienstag, bei denen nach Aussage einiger Beobachter zwei Millionen zusammen kamen, fanden statt, obwohl die staatlichen Sicherheitskräfte mit dem Schießbefehl ausgestattet sind und Mussawi aufgerufen wurde, zu Hause zu bleiben. Bis zum jetzigen Zeitpunkt sind Staat und herrschende Elite wiederholt von den Ereignissen überrascht worden. Polizisten schützten Protestierende sogar vor Angriffen der verhassten Basidsch-Milizen. In dieser Woche sind die Dächer-Proteste, bei denen Jugendliche nachts auf die Häuserdächer steigen, um Slogans zu rufen, von Tag zu Tag stärker geworden.

Seine Rede vom letzten Freitag war Chameneis Versuch, die staatlichen Kräfte zusammen zu schweißen und – wie vor zehn Jahren, als er die Studierendenproteste unterdrücken ließ – Attacken abzufeuern. In der Phase von Massenbewegungen und Revolutionen kommt es zu vielen entscheidenden Momenten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Proteste noch nicht am Ende sind. Gleichzeitig ist noch nicht entschieden, wie weit die neue Bewegung bereit ist zu gehen. Mir Hossein Mussawi rief am Samstag, dem 20. Juni, für den von ihm selbst vorhergesagten Fall, dass er verhaftet würde, sogar zu einem Generalstreik auf. Auch einige der im Untergrund agierenden Gewerkschaften haben Aufrufe für einen Generalstreik herausgebracht.

Langwieriger Vorlauf

Der jetzt zur Explosion gekommene Aufruhr hatte eine lange Vorlaufphase. Die ureigene Arbeiterrevolution von 1979, die von den städtischen und ländlichen Armen unterstützt wurde, wurde von der islamistischen Reaktion im Blut ertränkt. Eine brutale Konterrevolution, die danach über Jahre anhielt, zerschlug sämtliche Arbeiterorganisationen und demokratischen Strukturen. Möglich wurde dies z. T. wegen der Rolle, die die moskautreue Kommunistische Partei, Tudeh, dabei spielte. Sie unterstützte den islamistischen Führer Chomeini als „Anti-Imperialisten“, bis die Tudeh-Partei selbst vom Regime zerschlagen wurde.

Die Studierendenbewegung von 1999 war das erste wirkliche Rütteln an den Säulen des Regimes und ließ unter den Massen Hoffnung aufkommen. Aber es wurden auch die Illusionen deutlich, die man in den „reformistischen” Präsidenten Chatami hatte, der nicht einen Finger krumm machte, um die Studierenden vor der Repression zu schützen. Chatami steht für einen Flügel innerhalb des Regimes, der sowohl im Innern wie auch außenpolitisch nach Wandel strebt aber keine wirkliche Veränderung will. In diesem Jahr nun ist Chatami einer der wichtigsten Unterstützer von Mussawi. In den letzten Jahren haben Studierende wiederholt Proteste an den Universitäten organisiert. Studentenführer und Herausgeber von Studierenden-Magazinen wurden verhaftet.

Seit 2004 ist es zu einem starken Anstieg bei Streiks und Arbeitskämpfen gekommen. Teheraner Busfahrer, Beschäftigte in den Zuckermühlen im (südiranischen; Erg. d. Übers.) Haft Tapeh, LehrerInnen, TextilarbeiterInnen und die AutobauerInnen bei Iran Khodro haben Streiks und Kämpfe um Arbeitsplätze und Löhne organisiert – und für das Recht, freie Gewerkschaften zu gründen. Auch haben sie sich eigene Strukturen geschaffen und VertreterInnen gewählt. 2005 führte ein landesweiter Streik- und Protesttag im Juli sogar zu Streiks in der heiligen Stadt Qom. In diesem Jahr wurden bei den Mai-Demonstrationen im Laleh-Park in Teheran mehr als 80 AktivistInnen festgenommen. Die Entschlossenheit der Massen und vor allem der Arbeiterklasse wurde immer wieder sichtbar. Die Repression gegen die Busfahrergewerkschaft und die Verhaftung ihres Vorsitzenden Mansour Osanloo hat ihre Organisation nicht auseinanderbrechen können. Nach den Verhaftungen am 1. Mai organisierten ArbeiterInnen und ihre Familien tägliche Proteste, um die Freilassung aller AktivistInnen zu fordern.

Keim der Hoffnung

Die diesjährigen Präsidentschaftswahlen sind für die Massen zum Keim der Hoffnung geworden, obwohl die meisten westlichen Experten sagen, dass die Konservativen die Zügel enger gezogen haben und die „Reformisten“ gebrochen wurden. Einige sagten voraus, dass der amtierende Präsident Mahmud Ahmadinedschad von einem gemäßigteren Konservativen hätte herausgefordert werden können. 2005 gewann Ahmadinedschad unerwarteter Weise gegen Rafsandschani, weil er die faire Verteilung der Öleinnahmen und die Verbesserung des Lebensstandards der Armen versprach. Obwohl er diese Versprechen brach, hat Ahmadinedschad sich geschickt selbst in Szene setzen können und ist von den kapitalistischen Mullahs nicht einfach zu kontrollieren. Statt dessen hat Ahmadinedschad jene Kapitalisten unter den Basidsch-Milizen und den Revolutionsgarden unterstützt – vor allem im Bereich des Öl- und Bausektors.

Trotz Ahmadinedschads unorthodoxen Führungsstils entschied Ayatollah Khamenei, dass dieser der beste Trumph bei den Präsidentschaftswahlen sei. Die anderen drei zugelassenen Kandidaten, die vom 12-köpfigen Wächterrat aus ursprünglich 475 Bewerbern ausgesucht wurden, waren eher den Klerikern genehm und mehr akademisch. Außerdem hat Ahmadinedschad gezeigt, dass er nicht zögert, von Repressalien Gebrauch zu machen oder die USA mit der Nuklear-Frage zu konfrontieren.

Rafsandschani, der selbst Großkapitalist ist und dem Expertenrat mit 86 Mitgliedern vorsitzt, welcher wiederum den Obersten Führer auswählt, nahm eine andere Haltung ein. Er sieht Ahmadinedschad als Belastung, da dieser sowohl innenpolitische Opposition hervorruft als auch im Hinblick auf das Verhältnis zu den Weltmächten. Statt dessen wollte er, dass Mir Hossein Mussawi die Wahlen für sich entscheidet. Dennoch ist niemand davon ausgegangen, dass der alte ehemalige Premierminister aus einer berüchtigt repressiven Phase des Landes (von 1980 bis -88 tobte der Krieg mit dem Irak) die Massen für sich hätte gewinnen können.

„Das Fernsehduell zwischen Mussawi und Ahmadinejad, das von 40 Millionen Zuschauern verfolgt wurde, hat den Geist aus der Flasche gelassen und zu breiten Reaktionen geführt, die sehr wahrscheinlich weder Mussawi noch irgendwer sonst aus dem iranischen Machtapparat erwartet hätte“, schrieb die schwedische Kommentatorin Bitte Hammargren. Obwohl viele WählerInnen in Mussawi keine wirkliche Alternative sahen, betrachteten sie ihn dennoch weiterhin als den Kandidaten, der Ahmadinedschad hätte schlagen können.

Tausende junger Leute und vor allem Frauen wurden zu WahlkämpferInnen für Mussawi. Die Frauenunterdrückung ist ein Kernpunkt der islamistischen Diktatur. Neben Studierenden und unabhängigen Gewerkschaften haben die Frauen den Kampf um Selbstbestimmung organisiert und viele AktivistInnen sind inhaftiert oder getötet worden. Als die Ehefrau von Mir Hossein Mussawi, die bekannte Künstlerin Zahra Rahnavard, bei den Wahlkampfveranstaltungen ihres Mannes auftrat und das Wort ergriff, gab dies seiner Wahlkampagne enormen Auftrieb. In der letzten Woche vor den Wahlen konnten Studierende mehr oder weniger ungehindert Flugblätter verteilen und Versammlungen in Parks sowie an der Universität abhalten. In Teheran brachte Mussawi Massenveranstaltungen zusammen, während Ahmadinedschad, der die staatlichen Medien vollkommen dominiert und kontrolliert, kleinere Versammlungen hatte.

Die Stimmung unter den Massen war euphorisch und mit einer Wahlbeteiligung von 75 Prozent erwartete die Jugend einen Sieg Mussawis. Doch nach nicht einmal zwei Stunden nach Schließung der Wahllokale wurde Ahmadinedschad zum Sieger erklärt. Und am folgenden Tag gratulierte ihm Chamenei, der sagte, dass dies ein „glorreiches Ereignis“ gewesen sei. Westliche Politiker und Kommentatoren schienen das Ergebnis zu akzeptieren, da sie auf die Unterstützung der Landbevölkerung für Ahmadinedschad hinwiesen. Dennoch verschwand Mussawi nicht von der Bildfläche und noch viel weniger taten es seine AnhängerInnen – oder vielmehr die, die gegen Ahmadinedschad eingestellt und mit dem System unzufrieden sind. Medienberichte bestätigten, dass in einigen Wahlbezirken mehr Stimmen abgegeben worden waren als es WählerInnen gab, dass Wahllokale zu früh geschlossen hatten usw. Statt der offiziellen 24 Million Stimmen sprach man von sieben Millionen für Ahmadinedschad, verglichen mit 13 Millionen für Mussawi. Man geht davon aus, dass bei Neuwahlen die WählerInnen der abgeschlagenen beiden Kandidaten sehr wahrscheinlich für Mussawi stimmen würden.

Wut der Massen bricht sich Bahn

Unmittelbar danach begannen die Proteste, die Ahmadinedschad höhnisch mit Ausschreitungen nach einem Fußballspiel verglich. Aber diese Protest drehten sich nicht nur um die Wahlergebnisse. In ihnen brach sich die Wut über die Arbeitslosigkeit, Niedriglöhne, das Wohnungsproblem und das Fehlen demokratischer Rechte Bahn. Hinzu kam die Hoffnung unter AktivistInnen, es dem Regime heimzahlen zu können. Die Demonstrationen wurden größer. Gewaltsame Angriffe der Basidsch-Milizen auf Motorrädern und nachts gegen Studierende auf dem Universitätsgelände, wobei es zu Toten kam, verstärkten nur die Wut der Massen, was zu riesigen Demonstrationen führte.

Auch die vom Staat ausgehende Gewalt als Reaktion darauf und die Propaganda, wonach die USA hinter den Protesten stehen würden, beendeten diese nicht. Ayatollah Chamenei musste einen Teil-Rückzug antreten und eine Neuauszählung anordnen – wenn auch nur in ein paar Wahlkreisen und durchgeführt vom Wächterrat. Trotzdem handelte es sich hierbei um einen nie dagewesenen Akt. Dabei sollte allerdings niemand Illusionen hegen. Schließlich begannen Chamenei und das Regime gleichzeitig damit, kritische Stimmen verhaften zu lassen und sich auf den Fall vorzubereiten, das aus ihrer Sicht ein hartes Durchgreifen vonnöten wird.

Es handelt sich um eine massive und kraftvolle Massenbewegung. Wenn sie ihre Stärke und ihr Potenzial zu erkennen beginnt, dann könnte dies das Ende des Regimes bedeuten. Es gibt allerdings wesentliche Aspekte, die eine solche Entwicklung aufhalten: das verwirrte Bewusstsein der Massen und das Fehlen von unabhängigen Arbeiterorganisationen. Die Massen werden aus diesen historischen Geschehnissen lernen, aber wird die Bewegung auch weit genug gehen? Wie weit werden die Massen gehen, sollten Mussawi und Rafsandschani beispielsweise die Entscheidung treffen, alle sollten statt weiter auf die Straße wieder nach Hause gehen?

Robert Fisk berichtete am 19. Juni in (der brit. Tageszeitung; Erg. d. Übers.) The Independent (London): „Zehntausende AnhängerInnen Mussawis zogen gestern Abend schwarz gekleidet durch die Straßen der Teheraner Innenstadt“. Er zitierte einen Teilnehmer der Demonstration: „Wir dürfen jetzt nicht aufhören. Wenn wir jetzt aufhören, dann werden sie uns auffressen.“ Wahrscheinlich ist diese kämpferische Stimmung typisch und kann die Repression in eine Richtung zwingen. Derselbe Demoteilnehmer setzte aber auch fort: „Das Beste wird sein, wenn die UNO oder eine andere internationale Organisation die Neuwahlen beobachtet.“ Eine korrekte Schlussfolgerung wäre gewesen zu sagen: „Aus solchen Illusionen wird sich Unheilvolles entwickeln.“

Niemand im Iran sollte irgendeine Art von Vertrauen in die UNO oder eine westliche herrschende Klasse entwickeln. Wenn Präsident Obama sagt, er sei besorgt, dann ist es der revolutionäre Charakter der Massen, der ihm am meisten Sorgen bereitet. Obama hat klar gemacht, dass es ihm egal ist, wer Präsident im Iran ist, so lange dieser dazu bereit ist, auf die USA zu hören. Die „Reformer“ haben bisher nicht mehr Offenheit gegenüber dem Weißen Haus gezeigt als Ahmadinedschad. Diese gemischte Stimmung ist auch in den „grünen“ Anti- Ahmadinedschad-Demonstrationen zu erkennen, wo religiöse Slogans gerufen werden.

Die Massenbewegung zeigt bereits Wirkung auf andere Schichten der Gesellschaft. Einige Polizisten haben DemonstrantInnen geschützt und wurden daraufhin als Helden gefeiert. Zeitungen wurden dazu gezwungen, über die Demonstrationen zu berichten. Universitätsprofessoren sind aufgrund von verheerenden Schießereien auf dem Universitätsgelände von ihren Ämtern zurück getreten.

Chamenei droht nun mit verstärkter Repression. Wenn die Massenbewegung aber auch in den nächsten Tagen anhält, kann er gezwungen sein, Ahmadinedschad fallen zu lassen und zu versuchen, mit dem Rafsandschani-Lager einen Kompromiss auszuhandeln. Die Spaltung innerhalb der herrschenden Klasse ist ein Zeichen der revolutionären Krise und die Herrschenden werden zu kämpfen haben, diese zu überstehen. Mussawi ist keine echte Alternative, aber er hat etwas ausgelöst. Er hat seinen Teil getan, um Chamenei und der islamischen Republik gegenüber seine Loyalität zu erklären, gleichzeitig hat er sich als Oppositionsführer nach vorne gebracht.

Arbeiterklasse

Die dringendste Aufgabe besteht darin, unabhängige Strukturen der Arbeiterklasse im großen Stil aufzubauen. Diese müssen unabhängig vom Staat, von Religion, den Kapitalisten, Liberalen etc. sein, sie müssen den Weg bereiten für Komitees am Arbeitsplatz und in den Wohnvierteln. Wie die Shuras während der Revolution von 1979 sollten sich Arbeiterräte sowohl der Aufgabe der Selbstverteidigung als auch der Ausübung der Kontrolle über Produktion und die Wirtschaft durch die Arbeiterschaft selbst widmen. Im Gegensatz zu 1979 müssen sie aber stadt- und landesweit koordiniert werden.

Einige Arbeiterorganisationen bestehen bereits, wie etwa die Gewerkschaft der Busfahrer, die richtiger Weise keinen der Kandidaten bei den Wahlen unterstützt hat. Sämtliche Kandidaten waren auf die ein oder andere Art nur religiös-kapitalistische Kandidaten. Niemand von ihnen treibt irgendeine Art von Politik voran, die die Arbeitslosigkeit von 20 Prozent (offizielle Zahlen sprechen von 12,5 Prozent) und eine Inflation von 30 Prozent (offiziell 25 Prozent) beheben kann.

Arbeiterorganisationen müssen jetzt an die Spitze des Massenwiderstands treten, indem sie Gewerkschaften sowie breit angelegte Selbstverteidigungskomitees schaffen und unter den Studierenden und anderen AktivistInnen aus den städtischen armen Schichten Unterstützung erlangen. Allem voran braucht der Iran eine unmissverständlich sozialistische Partei. Sogenannte bunte Revolutionen in anderen Ländern haben in den letzten Jahren gezeigt, dass es durchaus möglich ist, Regierungen zu Fall zu bringen. Nachdem dies geschah, haben die neuen prokapitalistischen Regime die Lebensbedingungen von ArbeiterInnen aber nicht grundlegend verändert. Das ist auch die Lehre aus den großen Revolutionen in Europa im Jahre 1848, die von Marx und Engels eingehend verfolgt wurden. Daraus resultierte ihr beharrliches Insistieren darauf, dass die Arbeiterklasse sich unabhängig organisieren muss.

Massenbewegungen sind nicht unermüdlich. Sie kämpfen so lange, wie sie glauben, dass der Kampf auch zu Ergebnissen führen kann und wird. Der Kampf für demokratische Rechte muss verknüpft werden mit dem Kampf um politische und wirtschaftliche Befreiung. Die kapitalistischen Mullahs müssen gestürzt und ihr Vermögen muss konfisziert werden. Nur eine demokratisch kontrollierte Wirtschaft, ein demokratischer und sozialistischer Plan kann für Bildung, Arbeitsplätze und einen Mindestlohn sorgen. Irans Arbeiterklasse hat eine starke Tradition, die bis auf die Revolution von 1906 und 1911 zurück reicht, aber vor allem auf die Revolution von 1979. Es war die Streikbewegung der ArbeiterInnen – viel mehr noch als nur die Demonstrationen in den Städten – die den festen Staatsapparat des Shah zu Fall brachte. Die wichtigste Lehre aus dieser Revolution, die förmlich im eigenen Blut stehend gemacht wurde, ist die, dass man eine revolutionär-sozialistische Arbeiterpartei der Massen braucht, um die Islamisten politisch wie auch militärisch entwaffnen zu können.