Nur wenig bis gar kein Vertrauen in die Regierungen, aber auch keine echte sozialistische Alternative
von Robert Bechert, CWI (Komitee für eine Arbeiterinternationale, dessen Sektion in Deutschland die SAV, in Österreich die SLP ist)
Die Europawahlen von vergangener Woche waren eine – wenn auch allzu oft von einer niedrigen Wahlbeteiligung verzerrte – Momentaufnahme der sorgenvollen Stimmung und des Argwohns auf dem Kontinent. Das Bild reichte bis hin zu offener Abneigung gegenüber den meisten Regierungen. In einer ganzen Reihe von Staaten, wie z.B. in Großbritannien, Griechenland, Irland und Ungarn, erlitten die dortigen Regierungsparteien herbe Rückschläge. Allerdings führte dies bis auf wenige Ausnahmen nicht dazu, dass die linken oder gar grünen Kräfte maßgeblich an Zustimmung gewannen. Statt dessen führte es zu einem weiteren Rückgang bei der Wahlbeteiligung und Zugewinnen für nationalistische oder rechtsextremistische Parteien.
Europa stürzt in eine tiefe Rezession, die schlimmste seit den 1930er Jahren. Nur kurz vor den Wahlen korrigierte die Europäische Zentralbank noch den von ihr vorhergesagten Abfall des Bruttoinlandsproduktes (BIP) der 16 Staaten der Eurozone weiter nach unten und sprach von einem Niedergang in diesem Jahr von 5,1 Prozent.
Das war der Hintergrund, vor dem es zur allgemeinen Abfuhr für die meisten Regierungsparteien und zur Suche derer kam, die alternativ abstimmen wollten. Gerade die nie dagewesen niedrige Beteiligung bei diesen Wahlen zeigte neben der Entfremdung von der EU und der richtigen Annahme, dass das sogenannte Europaparlament sowieso machtlos ist, dass etliche der etablierten Parteien abgelehnt wurden.
Wenn die Gewinne der Nationalisten und der extremen Rechten auch die Überschriften bestimmten, so spiegelt der Sieg von Joe Higgins, dem Kandidaten der Socialist Party (Sektion des CWI und Schwesterorganisation von SAV und SLP in Irland), der einen der Dubliner Sitze im Europaparlament gewann, wider, wie es möglich sein kann, auf der Basis einer tiefen Verwurzelung in der Arbeiterklasse, der Etablierung einer Kampf-Tradition und dem Eintreten für eine sozialistische Politik klassenbewusste Unterstützung zu erlangen. Leider war dies bei diesen Wahlen keine umfassende Erfahrung. Nur der Linke Block in Portugal und die „Volksbewegung gegen die EU“ in Dänemark, wenn auch auf Grundlage eines schwächeren politischen Programms, errangen signifikante linke Erfolge.
von Anbeginn der jetzigen Krise war vollkommen klar, dass sie vom kapitalistischen Marktsystem selbst hervorgerufen worden ist. Der kapitalistischen Klasse war es zu keinem Zeitpunkt möglich, die Arbeiterklasse, die Gewerkschaften oder den „Sozialismus“ für die wirtschaftliche Misere verantwortlich machen zu können. Historisch betrachtet hätte man vermuten können, dass diese Tatsache – nach einer etwaigen Ruhepause – zu zunehmender Unterstützung für Parteien führt, die gegen den Kapitalismus stehen oder wenigstens ein anderes Gesellschaftsmodell anzubieten haben.
Es ist bereits zu breiten Protesten gekommen, wozu sowohl Demonstrationen als auch eintägige Generalstreiks in einer Reihe von europäischen Staaten zu zählen sind. Vor allem in Frankreich nahmen diese Proteste den Charakter einer oppositionellen Welle gegenüber der Regierung an als auch gegenüber dem kapitalistischen Versuch, die Auswirkungen der Krise auf die Arbeiterklasse und die Mittelschichten abzuwälzen. Aber auch in anderen Ländern wie etwa in Belgien, Griechenland und Portugal kam es zu bedeutsamen Protestaktionen.
Dennoch versucht beinahe kein einziger Gewerkschaftsführer auf diesen ersten Schritten aufzubauen, um eine breite Bewegung zu etablieren. Statt dessen blieben die Proteste isolierte Aktionen, die vielfach nur als Ventil benutzt wurden, um der Wut Ausdruck zu verleihen oder – wie im Falle einiger Maiveranstaltungen des Europäischen Gewerkschaftsbundes – um den sozialdemokratischen Parteien Wahlkampfhilfe zu leisten.
Fehlende Alternative für die Beschäftigten ebnet der Rechten den Weg
Zum Nachlassen der Kämpfe kam es aufgrund der Tatsache, dass es in der Mehrzahl der EU-Staaten momentan keine großen oder gar Massenparteien gibt, die eine ernstzunehmende Opposition gegen die Auswirkungen der Krise aufzubauen versuchen. Dies ist kein Zufall. Das Committee for a Workers’ International (CWI, Komitee für eine Arbeiterinternationale) vertritt seit Anfang der 1990er Jahre die Auffassung, dass es in den meisten Ländern allgemein keine Massenpartei oder bedeutsame Partei mehr gibt, die eine Opposition zum Kapitalismus darstellt. Das ist das Ergebnis einer Reihe von kapitalistisch-ideologischen Offensiven nach dem Zusammenbruch der ehemaligen Sowjetunion und der Transformation der meisten der ehemaligen bürgerlichen Arbeiterparteien (Parteien mit einer Arbeiterklasse als Basis und einer prokapitalistischen Führung) in vollständig kapitalistische Parteien.
Das ist in der Krise der einzige Silberstreif am Horizont der Kapitalisten. Es bedeutet, dass die ökonomische Krise – bisher – nicht dazu geführt hat, dass es zu einer breiten und aktiven Opposition gegen den Kapitalismus als solchen gekommen ist. In vielen europäischen Ländern haben ArbeiterInnen, Jugendliche und Teile der Mittelschicht proklamiert: „Wir zahlen nicht für eure Krise!“. Diese Ansage ist ein guter Anfang für den Aufbau von Widerstand gegen Arbeitsplatzverlust, sinkenden Lebensstandard und soziale Einschnitte – allerdings ist sie zunächst nur das: ein Anfang.
Die kapitalistische Krise bringt die Aufgabe mit sich, sich dem kapitalistischen System zu widersetzen und für eine sozialistische Alternative einzutreten. Zur Zeit gibt es in Europa – neben dem CWI – jedoch nur sehr wenige Kräfte in der Arbeiterbewegung, die aktiv für eine Verbindung untereinander sorgen, um mit dem Aufbau von Unterstützung für den Sozialismus gegen den Angriff durch die kapitalistische Krise zu sorgen. Dieser Umstand ebnete den Weg für den Wahlerfolg der Rechten.
Abgesehen von Belgien gewannen in einer Reihe von Ländern Mitte-Rechts-Parteien hinzu oder verloren verhältnismäßig weniger als andere. Oft war dies, wie z.B. im Falle Sarkozys in Frankreich, das Ergebnis einer geänderten Taktik und der Tatsache, dass plötzlich die Auswüchse des Kapitalismus kritisiert wurden. In Deutschland weitete eine Bundskanzlerin Merkel zudem das Regierungsprogramm für Kurzarbeit massiv aus, um Arbeitsplatzabbau aufzuhalten.
Gewinne der Rechtsextremen
In der ganzen EU aber legten rechte Parteien zu – wenn auch nicht in absoluten Zahlen, dann zumindest anteilig und prozentual. Migration wurde zu einem Schlüsselthema, mit dem rechte Parteien die Ängste der Beschäftigten gegenüber EinwandererInnen von inner- wie außerhalb der EU ausnutzten, wonach diese Arbeitsplätze „übernehmen“ und den öffentlichen Dienst „ausnutzen“ würden. Rassismus, Feindseligkeiten gegenüber MoslemInnen, Sinti und Roma oder wie in Österreich ein latenter Antisemitismus wurden teilweise bedeutsame Faktoren, teilweise „nur“ eines von mehreren eingesetzten Mitteln bei diesen Wahlen. Hinzu kam, dass es häufig nur die rechtsextremen Parteien waren, die die vorhandene Wut gegenüber der EU, ihrem undemokratischen Charakter und hinsichtlich der Dominanz der wenigen „Großen“ unter den EU-Staaten zum Ausdruck brachten.
Folge davon ist, dass diese Wahlen oberflächlich betrachtet einen Rechtsruck in Europa widerzuspiegeln scheinen. Und in manchen Ländern kam es tatsächlich zu offensichtlichen Erfolgen für rechtsextreme Parteien. Das bedeutsamste Beispiel dafür geben die Niederlande mit 769.000 Stimmen bzw. 17 Prozent für die rechtsextreme PVV, die damit bei ihren ersten Europawahlen zur zweitstärksten Kraft wurden. Aber auch in Großbritannien, Finnland, Griechenland, Ungarn, Italien, Rumänien und weiteren Ländern verzeichneten rechtsextreme und nationalistische Parteien signifikante Erfolge.
In Deutschland allerdings, wo die Partei DieLinke. trotz ihrer Schwächen immer noch als die erste Oppositionspartei gegenüber den Angriffen auf den Lebensstandard gesehen wird, änderte sich kaum etwas am Stimmenanteil der extremen Rechten; obgleich sie auch bei einigen Kommunalwahlen Erfolge erzielen konnten, die gleichzeitig mancherorts stattfanden.
Die kapitalistischen Kommentatoren sind nur zum Teil in der Lage, die Wahlergebnisse als Rechtsruck zu beschreiben, weil es sich bei den offiziell so bezeichneten „Sozialisten“, die allzu oft Verluste erlitten, um ehemalige Arbeiterparteien handelt. Diese haben eine neoliberale Politik betrieben und werden zunehmend weniger von Mitte-Rechts unterschieden. Dort, wo diese Parteien, wie in Österreich, Großbritannien, Deutschland und Spanien, die Amtsgeschäfte (mit) führen, mussten sie Verluste hinnehmen. In den ersten drei der genannten Länder erreichten sie nie dagewesen niedrige Ergebnisse. In Deutschland geschah dies, obwohl die SPD versuchte, sich wieder mehr „arbeitnehmerfreundlich“ zu präsentieren. In einigen Ländern, wo diese Parteien sich in der Opposition befinden, waren sie erfolgreicher, da sie dort als das „kleinere Übel“ angesehen werden. So wurden sie in Schweden mit 24,6 Prozent und in Griechenland mit 36,6 Prozent jeweils erster. In Frankreich wurde die sozialdemokratische Parti Socialiste (PS), die momentan nicht an der Regierung beteiligt ist, jedoch von den Erinnerungen an die Dinge in Mitleidenschaft gezogen, die sie durchsetzte, als sie noch Regierungspartei war. Hier lagen sie mit 16,48 Prozent nur 0,2 Prozent vor den Grünen.
In drei Ländern erreichten die größten rechts-konservativen Parteien den höchsten Stimmenanteil. Allerdings war dies häufig schon mit relativ geringem Stimmenanteil möglich. In Frankreich beanspruchte Sarkozy mit 28 Prozent der Stimmen den Sieg für sich und ignorierte damit die Tatsache, dass 72 Prozent der abgegebenen Stimmen auf andere Parteien entfielen. In Deutschland konnte die CDU von Kanzlerin Merkel unterdessen mit einem Verlust von 1.343.000 weniger Stimmen gegenüber 2004 den ersten Platz verteidigen. Die polnische Regierung erhielt mit 44 Prozent den höchsten Stimmanteil überhaupt. Wobei sich lediglich 24 Prozent der Wahlberechtigten die Mühe machten, überhaupt ihre Stimme abzugeben, was wiederum bedeutet, dass sie nur 12 Prozent an aktiver Unterstützung durch die potenzielle Wählerschaft verzeichnen kann.
Nur sehr wenige Regierungen konnten ihren Kreis an UnterstützerInnen beibehalten. Die italienische Regierung war eine von ihnen, da sie 45 Prozent erzielte. Ein Stimmenanteil, der zeigt, dass die neue PdL Berlusconis im Vergleich zu den Parlamentswahlen vom April 2008 verlor, wohingegen sie gegenüber den letzten EU-Wahlen von 2004 ein wenig hinzu gewann. Unterdessen verdoppelte die rechtsextreme Lega Nord ihr Ergebnis nahezu und kam diesmal auf über 10 Prozent. Italien ist eines der Länder, in denen das ganze Problem dieser Wahlen klar wurde: die Schwäche einer echten sozialistischen Alternative trotz der grassierenden kapitalistischen Wirtschaftskrise.
Berlusconis Erfolg ist einzig und allein das Ergebnis der vollkommenen Enttäuschung über die Mitte-Links-Regierungen (vor allem der unlängst zu Ende gegangenen Olivenbaum-Koalition) und dem Versagen der Partei der Kommunistischen Neugründung (PRC). Die 1991 gegründete PRC konnte bis dato auf eine bedeutende Unterstützung zählen, nicht nur bei Wahlen sondern auch in den Betrieben und in der Gesellschaft. Das änderte sich allerdings, als die Parteiführung sich an kapitalistischen Regierungen beteiligte statt dafür zu kämpfen, Unterstützung für sozialistische Politik zu gewinnen. Infolge dessen befindet sich die PRC nun am Rande der Selbstauflösung. Verglichen mit 2004 sank der Stimmenanteil der „Kommunisten“ von 2.757.000 auf 1.032.000 (und damit von 8,47 Prozent auf 3,37 Prozent), während der der „gemäßigten Linken“ und der Grünen von 1.467.000 auf 955.000 sank (von 4,51 Prozent auf 3,12 Prozent). Es existiert allerdings immer noch ein bedeutsamer linker Block in Italien. Im Bündnis mit den italienischen Kommunisten und der Europäischen Linken gewann selbst die PRC 1.032.000 Stimmen, während die Kommunistischen Arbeiter 166.000 erreichten. Diese Zahlen sorgen innerhalb Italiens weiterhin für eine kraftvolle Basis für eine Partei auf Grundlage der wahrhaften Ideen des Marxismus.
Zugewinne für die Linke in einzelnen Ländern
Vor diesem allgemeinen Hintergrund steht der Sieg von Joe Higgins von der Socialist Party (SP) in Irland im Kontrast zu dem, was im Rest Europas stattgefunden hat. Die SP gewann in Dublin 50.510 Erststimmen (12,4 Prozent) und damit mehr als doppelt so viele wie noch vor fünf Jahren, als man 23.218 Stimmen erhielt. Hierbei handelte es sich um eine bewusste Stimmabgabe für die SP auf Grundlage ihres Programms und ihrer Erfolge, da sie gegen die in der Opposition befindliche Irish Labour Party antrat, deren Stimmenzahl in Dublin ebenfalls stieg und zwar von 54.344 auf 83.741 sowie Sinn Fein, deren scheidender EU-Abgeordneter von 60.395 auf 47.928 Stimmen zurückfiel.
Joes Ergebnis ist nur mit dem des Linken Blocks (BE) in Portugal vergleichbar, der seinen Anteil mit 381.000 Stimmen und somit 10,7 Prozent mehr als verdoppelte und dabei gleichzeitig auch das von der Kommunistischen Partei geführte Bündnis CDU, das 379.500 Stimmen bekam, hinter sich ließ. Ein zweiter Vergleich ist möglich mit der „Volksbewegung gegen die EU“ in Dänemark, die von 97.986 auf 168.035 Stimmen und somit auf 7,18 Prozent kam.
Neue linke Formationen
Seit Anfang der 1990er Jahre vertritt das CWI die Auffassung, dass die Transformation der ehemaligen sozialdemokratischen und „kommunistischen“ Parteien bedeutet, dass es notwendig ist, neben dem Aufbau der sozialistischen Kräfte auch dafür einzutreten, dass ebenso Schritte für den Wiederaufbau unabhängiger politischer Arbeiterparteien erforderlich sind. Solche Parteien würden gleichzeitig als Kristallisationspunkt zur Abwehr der kapitalistischen Offensive als auch als Arena dienen, in der sozialistische Ansichten diskutiert werden können.
In den letzten Jahren ist es zu einer Reihe von Versuchen gekommen, neue linke Parteien zu gründen. Bei den jetzigen Europawahlen ist in Großbritannien ein bedeutsamer Schritt in dieser Richtung gemacht worden, als die Transportarbeitergewerkschaft RMT für ein Wahlbündnis namens „No2EU, Yes to Democracy“ („Nein zur EU, Ja zur Demokratie“; Erg. d. Übers.) die Patenschaft übernahm, an dem sich auch die Socialist Party (Sektion des CWI und Schwesterorganisation von SAV und SLP in England und Wales), die Communist Party of Britain und weitere beteiligten und das 1 Prozent der Stimmen erlangte.
Doch viele dieser neuen Parteien konnten nicht die Verbindung von ernsthafter Aktivität mit klaren politischen Positionen herstellen, was nötig ist, will man wirkliche und dauerhafte Kräfte aufbauen. Neue Parteien aufzubauen ist ein Kampf, vor allem, wenn immer noch viele ihre Stimme für die ehemaligen Arbeiterparteien abgeben und wenn diese als das kleinere Übel erscheinen oder in der Lage zu sein, wenigstens Zugeständnisse zu erreichen. Dennoch kann die Verbindung aus politischen Entwicklungen, Erfahrung und dem Handeln einer neuen Partei die Grundlage für eine bedeutsame neue Kraft schaffen; das Dubliner Beispiel gibt einen Vorgeschmack davon.
Insgesamt kann gesagt werden, dass die neuen linken Parteien keinen dramatischen Eindruck hinterlassen konnten. Das lag unter anderem daran, dass viele von ihnen sich nach rechts entwickelt haben und es ablehnten, Wahlkampf als SozialistInnen zu führen und ihr Programm sowie ihre Forderungen nicht auf eindeutige und entschiedene Art und Weise präsentierten.
In Deutschland gewann die Partei DieLinke. im Vergleich zur ehemaligen PDS im Jahr 2004 390.000 Stimmen und ein paar Prozentpunkte auf 7,5 Prozent hinzu. Jedoch macht das nur die Hälfte von dem aus, was man in Wahlumfragen von vor einem Jahr noch bekommen hat und liegt unter dem selbst gesteckten Ziel von „10 Prozent plus X“. Ähnliches gilt für Griechenland. Hier erreichte das Linksbündnis Syriza 4,7 Prozent, was etwas mehr als die 4,16 Prozent von 2004 sind aber ungleich weniger als die 18 Prozent, die man in den Wahlumfragen 2008 verzeichnen konnte.
Leider kam es hinsichtlich der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) in Frankreich zu einer vergleichbaren Entwicklung. Die NPA erzielte 4,8 Prozent der Stimmen, was im Gegensatz zu den 9 Prozent steht, die man bei der Parteigründung im Januar 2009 noch in den Umfragen verbuchen konnte. Eine Schlüsselposition bei der Gründung der NPA hatte die ehemalige LCR. Der prozentuale Stimmenanteil der NPA stellte eine Zunahme gegenüber den 2,56 Prozent dar, die die LCR 2004 im Bündnis mit der LO (letztere kam bei diesen Wahlen auf 1,2 Prozent) gewann. Allerdings sind die jetzt erreichten 4,8 Prozent eine Enttäuschung gegenüber den 4,25 Prozent, die der jetzige Vorsitzende der NPA, Olivier Besancenot, für die LCR als Kandidat bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2002 erlangte, bei der auch die LO auf 5,72 Prozent kam.
Einige der alten linken Formationen stagnierten. So etwa die Socialistische Partij in den Niederlanden, bei der es zu Teilen auch am Rechtsruck der Parteiführung, vor allem an der nationalistischen Haltung gegenüber der EU und der Beteiligung an regionalen Regierungskoalitionen mit kapitalistischen Parteien gelegen hat. Derartige Entwicklungen können auf ein verhängnisvolles Schicksal für solche neuen Parteien hindeuten – sei es im Sinne eines praktisch erfolgten Kollaps wie im Falle der PRC in Italien, sei es, dass diese Parteien einfach zu kleinen Kräften mit wenig Aussicht auf Entwicklung hin zu Massenformationen werden.
In einigen Ländern führte die Schwäche dieser neuen Parteien dazu, dass grüne Parteien die Unterstützung potenziell linker WählerInnen erhielten. Vor allem in Frankreich war dies der Fall, wo die Europe Ecologie auf 16,2 Prozent kam. Auch in Großbritannien, den Niederlanden und dem wallonischen Teil Belgiens kam es zu solchen Entwicklungen. Die 7,1 Prozent, die die Piratenpartei, eine Partei, die gegen staatliche Kontrolle und für den freien Austausch von Internetdaten steht, in Schweden errang, weisen auf die gegen das Establishment gerichtete Stimmung vor allem unter jungen Leuten hin.
Möglichkeiten für SozialistInnen in der Zukunft
Alles in allem sind die jetzigen Wahlen ein Hinweis für die sich entwickelnde Instabilität in Europa. Der Sieg der Socialist Party in Dublin und die Verdopplung der Stimmen des Linken Blocks in Portugal, weisen – wenn auch bei eher moderaten Stimmengewinnen auf der Linken andernorts – auf die Möglichkeiten hin, die bestehen. Das Ergebnis der SP in Dublin zeigt, dass es möglich ist, Unterstützung für sozialistische Ideen zu gewinnen, selbst wenn viele ArbeiterInnen und Jugendliche für das „kleinere Übel“ stimmen. Das Ergebnis des Linken Blocks hingegen zeigt, was möglich ist, wenn sich das vermeintlich „kleinere Übel“ (in diesem Fall die portugiesische „Sozialistische Partei“) in der Regierung befindet und kapitalistische Politik betreibt.
Viele europäische ArbeiterInnen, Jugendliche und Mitglieder der Mittelschicht haben Angst vor der Zukunft und hoffen gleichzeitig, dass diese ökonomische Krise schnell vorbei gehen wird. Leider wird dies nicht der Fall sein. Wenn verstanden wird, dass ein dermaßen starkes Wirtschaftswachstum nicht wieder eintreten wird, dass Massenarbeitslosigkeit weiterhin die Lage bestimmen wird und dass die Kapitalisten weitere Einschnitte bei den Lebensstandards fordern werden, dann wird auch die Notwendigkeit ins Bewusstsein der Menschen treten kämpfen zu müssen. Das wird echte Möglichkeiten schaffen, um bedeutungsvolle Kräfte aufzubauen, die in der Lage sein werden, für Sozialismus zu kämpfen. Es wird aber nicht von selbst eintreten. Dazu ist ein klares Programm erforderlich und eine bewusste Aufbau-Strategie. Die signifikanten Stimmengewinne für die extreme Rechte bei diesen Wahlen sind eine Warnung für den Fall, dass nicht wie beschrieben gehandelt wird. Dann werden reaktionäre Kräfte versuchen, aus dem vor uns liegenden sozialen Aufruhr Kapital zu schlagen.