Schülerstreiks und Arbeiterdemonstrationen
Streikende SchülerInnen, Streikdrohungen von LehrerInnen, DruckerInnen, den Beschäftigten der Post, mehrere Demonstrationen innerhalb der Woche vom 11. bis 16. Mai – so rund ging es in Österreich schon lange nicht mehr. Die Wirtschaftskrise provoziert wie in anderen Ländern nicht nur Angriffe von Unternehmen und Regierung sondern auch Widerstand dagegen.
von Laura Rafetseder, Sozialistische LinksPartei Wien
Auch in Österreich greift die Krise um sich: allein im April stieg die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahr in ganz Österreich um durchschnittlich 25,9 Prozent. Die Kurzarbeit steigt sprunghaft an und die Gewerkschaft stimmt zu, LeiharbeiterInnen verlieren ihre Arbeit und bei Magna (übrigens einer der Favoriten bei der Opel-Übernahme) werden die Löhne gekürzt. Die österreichische Bundesregierung hatte ein Kriseninterventionsbudget angekündigt – das verabschiedete Budget ist allerdings keines im Interesse der ArbeitnehmerInnen: der größte Budgetposten von 10,3 Milliarden Euro entfällt auf Finanzspritzen für die österreichischen Banken. Die haben sich in Osteuropa in die Krise verstrickt und dort eine ähnliche Rolle gespielt wie hochspekulative Finanzinstituationen in den USA: ca. 270 Mrd. Euro Kredite haben die Austro-Banken in Osteuropa vergeben und damit einen künstlichen Aufschwung finanziert – das sind fast 70 Prozent des BIP. Wenn auch nur ein Bruchteil dieser Kredite ausfällt, haben die österreichischen Banken ein Finanzierungsproblem. Und wenn der Staat einspringt – dann zahlt die Bevölkerung drauf.
Angriffe von oben
Die Unternehmen fordern immer dreister Lohnverzicht, Ausstieg aus Tarifverträgen und Verschlechterungen für ArbeitnehmerInnen. Ein Zitat des Ringes Freiheitlicher Wirtschaftstreibenden (Unternehmerorganisation der rechtsextremen FPÖ): "Statt persönlichen Befindnissen oder gar klassenkämpferischen Tönen, ist ein Miteinander gefragt. Zusammenstehen, die Situation analysieren und dann die richtigen und zukunftsweisenden Entscheidungen treffen. Das funktioniert nur auf Basis von Betriebsvereinbarungen in Sachen Arbeitszeit und Lohngestaltung. Wenn dies gelingt – und dazu sind flächendeckende Kollektivverträge nun mal hinderlich – dann werden wir die Krise schneller als alle unsere Mitbewerber meistern." Und die Industriellenvereinigung, eine der zwei österreichischen Unternehmerorganisationen, fordert "arbeitsmarktpolitische Maßnahmen (weitere Arbeitszeitflexibilisierung, Verlängerung der Durchrechnungszeiträume, wenn notwendig Notkollektivverträge nach schwedischem Vorbild, Verlagerung der Entscheidungen über Arbeitszeitgestaltung auf die Betriebsebene nach dänischem Vorbild), die der Tiefe der Krise gerecht werden".
Auch Angriffe auf das Streikrecht (wie z.B. durch SPÖ-Ministerin Schmied bei den LehrerInnen) und Polizeirepression (wie z.B. bei der antifaschistischen Demonstration in Linz am 1. Mai, bei der es zu Prügelattacken von Seiten der Polizei auf DemonstrantInnen kam) werden in Zukunft vermehrt auf der Tagesordnung stehen. Der Wind schlägt all jenen, die gegen die Krise und ihre Auswirkungen härter ins Gesicht. Die Prügelorgie der Polizei in Linz war wohl auch ein Trainingsfeld für die Polizei für künftige ArbeiterInnenproteste. Es ist nicht auszuschließen dass gerade in der Industriestadt Linz sich ArbeiterInnen ein Beispiel an Boss-Napping und anderen Kampfformen nehmen…
Widerstand von unten
Am 24. April fand mit 60.000 SchülerInnen der größte Schulstreik in Österreich seit den 1980er Jahren statt – mit Erfolg, die SchülerInnen konnten sich gegen die Pläne der SPÖ-Unterrichtsministerin Claudia Schmied, fünf schulfreie Tage zu streichen durchsetzen. Die LehrerInnen, die sich ursprünglich mit Streiks gegen die eigentliche Intention der Ministerin – nämlich die Arbeitszeit für LehrerInnen zu verlängern – wehren wollten, schauen dagegen in die Röhre. Die Führung der zuständigen Gewerkschaft der Beschäftigten im öffentlichen Dienst (GÖD) war ihnen in den Rücken gefallen, indem sie einen für die LehrerInnen verheerenden Kompromissdeal aushandelte (der sowohl eine Verlängerung der Arbeitszeit als auch Zulagenkürzungen beinhaltete) und damit den Streik absagte. Mit drei knapp aufeinanderfolgenden Schulstreiks war dies die größte SchülerInnenbewegung in Österreich seit langem. Bei den Schulstreiks in Salzburg spielte die Sozialistische LinksPartei eine zentrale Rolle in der Organisierung der Streiks. Bei dem Streik am 20. April gab es in Salzburg mit 3000 streikenden SchülerInnen sogar eine größere Mobilisierung als in Wien. Mit der von der SLP initiierten Plattform www.schulstreik.at hatten SchülerInnen die Möglichkeit sich aktiv in den Streik einzubringen, durch Artikel für die Homepage, wie auch die gleichnamige SchülerInnenzeitung. Die SLP betonte dabei, dass eine Einheit von SchülerInnen und LehrerInnen gegen die Angriffe, sowie eine Verbindung mit Kämpfen anderer Teile der Bevölkerung nötig seien. Die ersten beiden SchülerInnenstreiks waren de facto Solidaritätsstreik mit den LehrerInnen – da zunächst die SchülerInnen nur indirekt von den Angriffen betroffen waren. Dies war eine neue Qualität von SchülerInnenstreiks da den SchülerInnen die Konsequenzen der geplanten Maßnahmen absolut klar waren (Mehrarbeit für LehrerInnen = schlechtere Ausbildung) – trotz intensiver Bemühungen von Ministerium und Medien die SchülerInnen als „verhetzt“ oder „unwissend“ darzustellen, gipfelte die Bewegung am 24.April in einem österreichweiten Schulstreik mit 60.000 TeilnehmerInnen – und war erfolgreich.
Gewerkschaftsführung bremst – kämpferische und demokratische Gewerkschaften nötig
Wie auch die LehrerInnengewerkschaft verhielten sich auch die Spitzen der Gewerkschaft der DruckerInnen bzw. Postbediensteten desaströs – Angriffe wurden hingenommen und die Belegschaften vor den Kopf gestoßen. Der Arbeitgeberverband der Druckindustrie hatte mit Ausstieg aus dem Tarifvertrag gedroht und so Lohnkürzungen durchgesetzt. Die Gewerkschaftsführung war dabei bereits mit "Kompromissbereitschaft" in die Verhandlungen gegangen. Bei der Post stand eine Privatisierung der Briefzustellung an, in Verbindung mit massivem Personalabbau – auch hier gab es eine Streikdrohung, sowie einen Rückzieher der Gewerkschaftsführung. Auch hier: Zwar ein Lippenbekenntnis von Personalabbau abzusehen, die Privatisierung ist allerdings durch, verbunden mit einem Einstellungsstopp und schlechteren Verträgen für künftige KollegInnen. Auch die Demonstration anlässlich der Tarifvertragsverhandlungen am 13.5. zu der der ÖGB gezwungen war aufzurufen – unter dem Motto "wir verzichten nicht" – war Dank der zögerlichen und defensiven Haltung der ÖGB-Führung ziemlich zahnlos. Mit offensiven Forderungen und einer konsequenten Haltung gegen die Angriffe der Unternehmen wären wesentlich kämpferischere Mobilisierungen möglich und nötig. Dahinter steht nicht zuletzt dass die Gewerkschaftsführung kein gesellschaftliches Gegenmodell zum Kapitalismus hat – damit muss sie letztlich klein beigeben, da sie der Sparlogik nichts entgegenzusetzen hat.
Gefahr von rechts – sozialistische Gesellschaft als Alternative
Widersprüchliche Auswirkungen hat die Krise und alles was sie mit sich bringt auf das Bewusstsein: Einerseits ist das kapitalistische System und die Idee des "freien Markts" diskreditiert. Andererseits gibt es eine Polarisierung nicht nur nach links, sondern auch nach rechts. In Österreich gibt es kaum Ansätze in Richtung neue linke Formationen wie etwa in Deutschland mit der LINKEN. Das Vakuum füllen in der Zwischenzeit FPÖ und Konsorten, die mit immer dreisteren Provokationen einerseits Rechtsextremismus, aber auch NS-Gedankengut und sogar Antisemitismus salonfähig machen und andererseits mit dem gezielten Aufgreifen sozialer Probleme und der Krise rassistische Scheinantworten auf Arbeitslosigkeit und soziale Misere geben. Bei den EU-Wahlen drohen massive Zugewinne für die FPÖ, vor allem unter jungen WählerInnen. Gleichzeitig werden Neonazi-Gruppen immer dreister und treten immer offener und aggressiver auf. Andererseits erkennt eine kleine, aber wachsende Schicht, dass es nötig ist sich zu organisieren um den Kapitalismus zu überwinden. Die SLP trifft immer häufiger auf Menschen die sich für sozialistische Ideen und für eine CWI-Mitgliedschaft interessieren. Ihnen ist klar, dass eine sozialistische Gesellschaftsveränderung nötig ist, um Arbeitslosigkeit, Lohndruck, Sozialabbau und Rechtsruck dauerhaft zu verhindern.
Website der Sozialistischen Linkspartei: www.slp.at