Den Widerstand aufbauen

Eintägiger Generalstreik nötig


 

„Es ist die Zeit des Stellenabbaus. Und sie hat gerade erst begonnen“, schrieb die „Welt“ am 14. April. Aus der Schrumpfungsprognose der Bundesregierung von minus 2,5 Prozent für die Wirtschaft 2009 machten die Wirtschaftsinstitute bereits minus sechs Prozent. Die Regierung versucht, wenigstens bis zu den Bundestagswahlen, den Unmut in der Bevölkerung möglichst gering zu halten – zum Beispiel durch die Verlängerung der Kurzarbeit. Trotzdem häufen sich längst die Meldungen von Schließungen und Insolvenzen, wie bei Karmann, Mahle, -Visteon, Conti und Woolworth.

von Angelika Teweleit, Berlin

Die Auswirkungen der Krise wird die Arbeiterklasse, spätestens nach den Wahlen im September, auch durch verschärfte Angriffe der Bundesregierung zu spüren bekommen. Sei es über Abgabenerhöhungen, Kürzungen im Öffentlichen Dienst oder bei sozialen Leistungen. Über die betrieblichen Auseinandersetzungen hinaus muss dringend eine Kampfstrategie entwickelt werden, um sich gegen die Pläne von Bossen und Regierung zu wehren, die Folgen der Krise auf dem Rücken der Arbeiterklasse abzuwälzen.

Gewerkschaftsführung -„opferbereit“

Die derzeitige Gewerkschaftsführung bietet keine solche Strategie. Die KollegInnen sollen verzichten: „Es ist jedem klar, dass es nicht ohne Opfer gehen wird“, erklärte IG-Metall-Chef Berthold Huber in der Stuttgarter Zeitung. Wie umfangreich diese Opfer ausfallen, hängt für Huber „vom Verlauf der Krise ab“.

Bei soviel Opferbereitschaft (natürlich nicht für Huber selber) kann sich auch Daimler-Chef Dieter Zetsche freuen: „Ich gehe davon aus, dass die IG Metall um ihre Verantwortung weiß.“ Jetzt, wo es ans Eingemachte geht, brauchen die Konzernbosse die Gewerkschaftsoberen. Im „Darwin-Jahr“, wie Zetsche es nennt, wollen die Autobosse den Gewerkschaften massive Zugeständnisse im verschärften Konkurrenzkampf abringen. Bisher mit Erfolg: Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz bietet in vorauseilendem Gehorsam weitere Lohnkürzungen für die Opel-Beschäftigten an. Der Betriebsrat bei Daimler will dem Sparpaket von Zetsche zustimmen. Anstatt Widerstand zu organisieren, führen die Gewerkschaftsbosse die KollegInnen zur Schlachtbank. Eine solche Führung kann sich die Arbeiterklasse nicht mehr leisten!

Initiativen von unten

Die Initiative von Gewerkschaftslinken, AktivistInnen der sozialen Bewegungen und SozialistInnen für die Demonstrationen in Berlin und Frankfurt am Main am 28. März unter dem Motto „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ war ein wichtiger Auftakt für den Widerstand. Damit wurden auch die Führungen der DGB-Gewerkschaften unter Druck gesetzt, zur bundesweiten DGB-Demonstration in Berlin am 16. Mai ebenfalls zu mobilisieren.

Momentan will aber die DGB-Führung die Demonstration nutzen, um mehr oder weniger direkt Wahlkampf für die SPD zu machen. DGB-Chef Michael Sommer will die Illusion lebendig halten, der Kapitalismus ließe sich mit kleinen Reformen menschlicher gestalten. Im Vorfeld der Demonstration findet ein sogenannter „Kapitalismus-Kongress“ des DGB statt. Sommer:„Es wird der Auftakt für eine breite öffentliche Diskussion, an deren Ende eine wirklich soziale Marktwirtschaft steht, die in eine bessere Zukunft führt und solche auch aus Gier geborenen Krisen künftig vermeidet“ (www.dgb.de). Das zeigt einmal mehr, dass der dringend nötige Aufbau einer kämpferischen Opposition zur jetzigen Gewerkschaftsführung voran gebracht werden muss.

Die Diskussion in Betrieben und Gewerkschaften, wie der Widerstand gegen die Folgen der Krise aufgebaut werden kann, hat begonnen. Die Forderung nach der Vorbereitung eines eintägigen Generalstreiks, wie sie der Stuttgarter ver.di-Geschäftsführer Bernd Riexinger aufwirft, ist ausdrücklich zu begrüßen. Ein entsprechender Aufruf von linken GewerkschafterInnen könnte dazu dienen, für diese Forderung – zum Beispiel am 16. Mai – Unterstützung zu sammeln und die Debatte über notwendige Kampfschritte zu konkretisieren.

Sinnvoll wäre die Einberufung einer Konferenz von Vertrauensleuten und Betriebsräten, um darüber zu sprechen, wie der Widerstand in Betrieben aufgebaut und koordiniert werden kann. Dafür könnten Kräfte wie die Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken (IVG), die ver.di-Linke, das Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di, oppositionelle betriebliche Gruppen und Zusammenschlüsse, aber auch der Arbeitskreis Betrieb & Gewerkschaft der Partei DIE LINKE einen Anstoß geben. Entscheidend ist, mit konkreten Vorschlägen eine Ausstrahlungskraft auf KollegInnen zu entwickeln, die sich in den nächsten Wochen und Monaten aktivieren werden.

Ein eintägiger Generalstreik ist ein wichtiger Schritt beim Aufbau einer Streik- und Protestbewegung, die die Herrschenden und ihr Profitsystem herausfordert.

Durch einen eintägigen Generalstreik würde nicht nur der Druck auf Regierung und Unternehmer verstärkt. Es würde auch die gemeinsame Stärke spürbar, wenn Beschäftigte aller Branchen die Arbeit niederlegen und gemeinsam mit Studierenden, SchülerInnen, RentnerInnen auf die Straße gehen. Das Gefühl von Ohnmacht und Isolation würde durchbrochen. Zudem würde es die politische Selbstaktivität von Tausenden in Betrieben, Schulen und Universitäten fördern.

Welche Forderungen?

Der Erfolg eines eintägigen Generalstreiks hängt unmittelbar von der Zielsetzung und den Forderungen ab, für die ein solcher Kampfschritt eingeleitet würde. Notwendig ist ein Katalog von Forderungen, der sich nicht an den „Sorgen“ eines Zetsche orientiert, sondern an denen der Arbeiterklasse. Die SAV, die für ein umfassendes sozialistisches Programm kämpft, schlägt beim heutigen Stand der Auseinandersetzung als Kernforderungen für einen eintägigen Generalstreik vor: Stopp der Umverteilung von unten nach oben, 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich, Verstaatlichung des gesamten Bankenwesens und die Enteignung von Konzernen, die Entlassungen durchführen, unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung, eine deutlich höhere Besteuerung der Reichen, ein Investitionsprogramm für Bildung, Gesundheit, Soziales, die Abschaffung von Hartz IV, die Einführung eines Mindesteinkommens von 750 Euro plus Warmmiete sowie die Einführung eines Mindestlohns von zehn Euro als ersten Schritt zu zwölf Euro. Das sind zentrale Forderungen, für die eine Mehrheit der Beschäftigten wie auch SchülerInnen, Studierende, Erwerbslose und RentnerInnen begeistert und mobilisiert werden könnten.

Beispiele setzen!

Der Druck von unten wächst. Das widerspiegelte auch die Demonstration von 14.000 Beschäftigten bei ThyssenKrupp in Duisburg. Die Gewerkschaftsbürokratie wird versuchen, solche Aktionen zum Dampf ablassen zu organisieren. Doch das wird immer schwieriger werden. Vor allem, wenn es gelingt, eine Vorstellung über Alternativen zum Co-Management in die Betriebe und die Gewerkschaften zu tragen: anstatt Verzicht für die KollegInnen konsequenter Kampf für die Verteidigung aller Arbeitsplätze!

Bei jedem Protest ist es nötig, Vorschläge zur Ausweitung und Steigerung zu machen. Ein Ansatzpunkt dafür wäre zum Beispiel der in Baden-Württemberg von der IG Metall angesetzte Aktionstag am 13. Mai. Wenn ver.di und andere Gewerkschaften mit dazu aufrufen sollten, könnte ein Beispiel auf regionaler Ebene gesetzt werden. Eine weitere Möglichkeit bietet sich mit dem Bildungsstreik am 17. Juni. Wenn an diesem Tag SchülerInnen und Studierende auf die Straße gehen, sollten auch die Beschäftigten an Schulen, Universitäten und Kitas dabei sein. Dafür muss der Kampf in ver.di und GEW geführt werden. Ein Beispiel für lokalen Protest ist Kassel 2003: 7.000 Beschäftigte aus öffentlichen und privaten Betrieben kamen zu einer vom DGB organisierten Kundgebung gegen die Agenda 2010 während der Arbeitszeit.

Länger zurück liegt ein Beispiel für eine Massenbewegung auf regionaler Ebene. Der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Nordrhein-Westfalen redete damals sogar von einer „vorrevolutionären Situation, wie wir sie nach dem Zweiten Weltkrieg noch nicht erlebt haben“. 1987 kämpften die Stahlarbeiter von Krupp-Rheinhausen 173 Tage lang gegen die Schließung ihres Werkes. Höhepunkt war ein regionaler Generalstreik am 10. Dezember 1987, an dem sich insgesamt 200.000 Beschäftigte beteiligten.

Bedeutung des Generalstreiks

Ein eintägiger Generalstreik ist nicht ein Ziel an sich und wird auch nicht ausreichen, die kommenden Angriffe abzuwehren. Für den Erhalt von Werken sind Streiks und Betriebsbesetzungen notwendig.

Der eintägige Generalstreik ist keineswegs eine Allzweckwaffe, die immer und überall richtig ist. Die Frage, welcher Kampfschritt als nächstes ansteht, hängt von den Angriffen, vom Stand der Bewegung, vom Zustand der Arbeiterorganisationen und vom Bewusstsein in der Arbeiterklasse ab. Ein eintägiger Generalstreik braucht intensive und genaue Vorbereitung. Das heißt umfassende Diskussionen unter AktivistInnen in den Betrieben, Schulen und Universitäten, unermüdliches Werben für diese Losung, Gewerkschaftsversammlungen und Veranstaltungen, die Gründung von Komitees zur Vorbereitung eines Generalstreiks auf betrieblicher und lokaler Ebene. Doch ist die Stimmung in der Arbeiterklasse so stark von Wut geprägt, dass zweifelsohne nach einer ernsthaften Mobilisierungsphase ein eintägiger Generalstreik massenhaft befolgt werden würde.

Einen Durchbruch schaffen

Die derzeitige Gewerkschaftsführung fürchtet Streiks und erst Recht einen Generalstreik wie der Teufel das Weihwasser. In Deutschland gab es die letzten Generalstreiks 1948 und 1953. Genau wie Regierung und Konzernchefs sind sich die DGB-Oberen bewusst, dass ein solcher Schritt in Deutschland einen politischen Dammbruch und eine neue Qualität von Klassenkämpfen bedeuten würde. Damit einhergehen würde eine breite Politisierung und Radikalisierung in der arbeitenden Bevölkerung und Jugend.

Ein Generalstreik kann weder von einer Gruppe sozialer Bewegungen noch einer kleinen Minderheit in den Gewerkschaften ausgerufen werden. Es geht kein Weg daran vorbei, den Kampf in den Gewerkschaften für diesen Vorschlag aufzunehmen. Es bestehen aber gerade jetzt große Möglichkeiten, den Druck auf die Führung zu verstärken und gleichzeitig den Aufbau von innergewerkschaftlicher Opposition verstärkt anzugehen.

Eintägiger Generalstreik als erster Schritt

Viele Leute fragen, warum eigentlich nur einen Tag streiken? Das bringt doch gar nichts. Es wäre falsch, die Illusion zu verbreiten, dass mit einem eintägigen Generalstreik alle Angriffe zurückgeschlagen werden könnten. Die beiden Generalstreiks in Frankreich haben Nicolas Sarkozy zwar gezwungen, vorsichtiger zu agieren, aber das bedeutet natürlich nicht die Lösung der Probleme. In Guadeloupe waren 44 Tage Massenstreik nötig, um Zugeständnisse wie eine Lohnerhöhung von 200 Euro und Preissenkungen für bestimmte Lebensmittel zu erreichen.

Die Mehrheit der arbeitenden Bevökerung muss aber für den ersten Schritt gewonnen werden, bevor der nächste gemacht werden kann. Ein eintägiger Generalstreik könnte ein Beginn sein, um die derzeitige Krise der Führung der Arbeiterbewegung zu überwinden. Dieser Kampfschritt würde die Arbeiterklasse in Bewegung setzen, Erfahrungen könnten gesammelt werden und die Frage einer notwendigen Steigerung des Kampfes würde aufgeworfen. Die Rückwirkung auf betriebliche Kämpfe wäre enorm. KollegInnen würden Mut fassen, weiterzukämpfen. Es ist auch denkbar, dass auf einen eintägigen Generalstreik bald ein zwei- oder mehrtägiger folgen könnte. Der genaue Verlauf und die Notwendigkeit der folgenden Kampfschritte lässt sich aber nicht vorher schematisch festlegen.

Politische Interessenvertretung der Arbeiterklasse

Jeder Generalstreik trägt implizit die Frage in sich, wer in der Gesellschaft die Macht hat. Das wurde in der zugespitzten Situation im Mai 1968 in Frankreich deutlich, als zehn Millionen ArbeiterInnen sich an einem unbefristeten Generalstreik beteiligten, was eine revolutionäre Situation verursachte. Die kapitalistische Regierung war faktisch entmachtet. Präsident Charles de Gaulle war schon aus Frankreich geflohen, die Beschäftigten übten in vielen Fabriken die Kontrolle aus. Es entwickelten sich lokale und betriebliche Entscheidungsstrukturen der Streikenden. Ihnen fehlte aber eine landesweite Koordinierung und eine Führung, die bewusst auf die Übernahme der Macht durch die Organe der streikenden Arbeiterinnen hingearbeitet hätte.

Daher steht im engen Zusammenhang mit dem Aufbau einer Bewegung gegen die Folgen der Krise auch der Aufbau einer politischen Interessenvertretung, einer Partei der Arbeiterklasse. Die jetzige Politik der Führung der Partei DIE LINKE gibt leider keine befriedigende Antwort. Anstatt eine grundlegende Alternative im Interesse der Arbeiterklasse aufzuzeigen, orientiert sie darauf, sich an SPD-geführten Regierungen zu beteiligen. Die Wirklichkeit zeigt, dass die Ministerposten sie dazu verdammen, Sozialabbau mitzutragen. In vorauseilendem Gehorsam arbeitet die Führung der LINKEN momentan daran, das Programm weiter zu verwässern. Im Gegensatz dazu hat DIE LINKE die Chance, sich am Aufbau des Widerstands gegen die kapitalistische Krise konsequent zu beteiligen und die Losung nach einem eintägigen Generalstreik mit politischen Forderungen wie oben zu unterstützen.

Der Kampf in der LINKEN muss weiter fortgesetzt werden. Denn mit einer Ausrichtung auf die Bewegung und mit einem sozialistischen Programm könnte DIE LINKE zu einer Arbeiterpartei werden, die in der Lage ist, mit den zunehmenden Kämpfen zu einer Massenkraft zu werden. Als solche muss sie die Perspektive einer grundlegenden Veränderung der Produktions- und Machtverhältnisse aufzeigen, die Ersetzung der kapitalistischen Gesellschaft durch eine sozialistische Demokratie.

Angelika Teweleit ist Mitglied der SAV-Bundesleitung