Massive Polizeigewalt gegen AntifaschistInnen
Die Polizeiprovokationen gegen AntifaschistInnen begannen schon Stunden vor dem Eintreffen der Rechtsextremisten. DemonstrantInnen, die mit dem Zug anreisten, wurden in der Bahnhofsunterführung festgehalten und stundenlang gründlich gefilzt. Erst als der Polizei nach bald zwei Stunden auffiel, dass die Anreise der Rechtsextremisten kurz bevorstand, beeilte sie sich mit der „Abfertigung“ der antifaschistischen DemonstrantInnen etwas mehr.
von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart
Dadurch wurde vielen AntifaschistInnen die Teilnahme an der DGB-Demonstration in Ulm unmöglich gemacht. Mit ihrem Vorgehen sorgte die Polizei, die behauptet, ihr Ziel sei es gewesen, die verschiedenen Seiten zu trennen, dafür, dass viele AntifaschistInnen notgedrungen noch am Bahnhof waren, als die Neonazis ankamen. Denen wollte die Polizei offensichtlich eine stundenlange Durchsuchung am Bahnhof nicht zumuten. Sie konnten den Bahnhof schon sehr schnell verlassen.
Ein Bus der IG-Metall-Jugend aus Aalen wurde von der Polizei auf der Autobahn gestoppt. Die Mitfahrenden wurden erkennungsdienstlich erfasst und mussten dann umkehren. Erfreulicherweise machte Roland Hamm, erster Bevollmächtigter der IG Metall in Aalen und Linken-Kandidat, diesen Skandal auf der Aalener Maikundgebung bekannt, so dass er auch in der Presse berichtet wurde. Wie viele derartige Vorfälle gab es, die nicht so effektiv bekannt gemacht wurden?
Die AntifaschistInnen, die zur DGB-Kundgebung gelangten, konnten teilweise trotzdem nicht ihr Recht auf Demonstrationsfreiheit wahrnehmen. Hunderte TeilnehmerInnen, die so aussahen, wie sich manche Polizeigehirne wohl den „schwarzen Block“ vorstellen, wurden eingekesselt und stundenlang festgehalten, ihre Personalien aufgenommen und Platzverweise ausgesprochen. Beschämenderweise reagierte die örtliche DGB-Führung darauf, indem sie den Demozug umleitete, um den Polizeikessel herum, statt sich mit den eingekesselten AntifaschistInnen zu solidarisieren, unter denen auch Gewerkschaftsjugendliche waren. All das passierte, bevor irgend etwas geschah, was man als „linke Gewalt“ ausgeben könnte. Die Medien, die jetzt über „linke Gewalt“ und „friedliche Rechtsextremisten“ schreiben, erwähnen all das natürlich nicht.
Die Kampagne „Ulm gegen rechts“ hatte im Vorfeld durch ihre breite Mobilisierung den drohenden, von der NPD-Jugendorganisation JN angemeldeten, Aufmarsch bekannt gemacht. Deshalb waren in Ulm am 1. Mai zahllose Unorganisierte, vor allem viele Schülerinnen und Schüler auf der Straße. Das war die positive Seite. Die Kehrseite war, dass „Ulm gegen rechts“ rund 20 Veranstaltungen in der Stadt organisierte, die Menschen davon abhielten, sich den Nazis direkt in den Weg zu stellen. Aber viele Menschen aus Ulm machten trotzdem genau das. Auch deshalb ist es völlig absurd, die Konflikte, die es am Rand des Nazi-Aufmarsches gab, „Linksradikalen“ oder einem „schwarzen Block“ zuzuschieben. In erster Linie war es die Ulmer Bevölkerung, die sich den Nazis entgegen stellen wollte und dabei von der Polizei angegriffen wurden.
Berittene Polizisten attackierten z.B. antifaschistische DemonstrantInnen, die keinerlei Anstalten gemacht hatten, die Polizeiabsperrungen zu der vorgesehenen Aufmarschroute der Neonazis zu überqueren (obendrein waren die Neonazis noch längst nicht in der Nähe). In anderen Fällen sprühten Polizisten auf der Jagd nach DemonstrantInnen Menschen, die friedlich am Rand standen, aus kürzester Entfernung Pfefferspray ins Gesicht. Eine gewisse Qualmentwicklung in Abfallbehältern war für sie Grund genug, ihre eigenen Absperrungen zu öffnen und DemonstrantInnen zu attackieren. Dass manche DemonstrantInnen darauf reagierten, indem sie mit dem Inhalt eines Altglasbehälters Wurfübungen machten, ist nicht erstaunlich. Obendrein sprach die Polizei willkürlich Platzverweise aus, auch gegen GewerkschafterInnen oder Mitglieder der Linken.
Nach stundenlangen derartigen Polizeiprovokationen war die Stimmung natürlich sehr aufgeheizt, als der Neonazi-Aufmarsch am Ulmer Hauptbahnhof ankam. Hunderte AntifaschistInnen standen hinter den Polizeiabsperrungen und brachten friedlich mit Sprechchören ihre Meinung über Nazis zum Ausdruck. Einzelne Leute warfen Gegenstände, die sie zur Hand hatten. Daraufhin setzte die Polizei ohne jede Vorwarnung ihre zwei bereit stehenden Wasserwerfer gegen die große Masse der friedlichen DemonstrantInnen ein. Sie bestrichen mit ihren Wasserwerfern großflächig den Bahnhofsvorplatz (s. dpa-Foto unten). Wenn die Polizei damit wirklich Leute treffen wollte, die irgendwelche Gegenstände auf sie geworfen haben, dann muss sie der Ansicht gewesen sein, es mit lauter Spitzensportlern im Diskus- oder Hammerwurf zu tun zu haben. Einige Menschen waren auf das Dach einer Bushaltestelle geklettert. Es ist anzunehmen, dass sie dort eine bessere Sicht haben wollten, was die Nazis hinter dem Schutz der Polizei trieben. Von dort aus – gut sichtbar für die Polizeikameras – Wurfübungen veranstalten zu wollen, wäre ziemlich absurd gewesen. Der eine Wasserwerfer versuchte gezielt, diese Menschen „herunterzuspritzen“. Wie soll man das nennen? Versuchte Körperverletzung?
Bei den Protesten gegen den Nato-Geburtstag hatte die Baden-Württembergische Polizeiführung behauptet, es sei ihrer repressiven Linie zu verdanken gewesen, dass es in Kehl nicht wie in Straßburg zu Ausschreitungen kam – in Wirklichkeit waren die DemonstrantInnen trotz der massiven Provokationen der Polizei besonnen geblieben. Welche Märchen werden sie jetzt erzählen, nachdem die glorreiche Taktik der Baden-Württembergischen Polizei in Auseinandersetzungen endete?