So wenig hat sich geändert.
In der Erzählung „Unterm Rad“ beschreibt Hermann Hesse das Schicksal eines begabten Jungen,
dem Vater und Schule eine Rolle aufzwingen, die ihm nicht entspricht und der daran zugrunde
geht. Sein Leben endet tragisch.
von Ursel Beck, Stuttgart
In der Erzählung sagt Hesse über die Lehrer, es sei nicht ihre Aufgabe „extravagante Geister heranzubilden, sondern gute Lateiner, Rechner und Biedermänner. Wer aber mehr und Schwereres vom anderen leidet, der Lehrer vom Knaben oder umgekehrt, wer von beiden Tyrann, mehr Quälgeist ist, und wer von beiden es ist, der dem anderen Teil seiner Seele und seines Lebens verdirbt und schändet, das kann man nicht untersuchen, ohne bitter zu werden.“
Mehr als 80 Jahre später wird das Thema in „Der Club der toten Dichter“ aufgegriffen. Der Junglehrer John Keating geht auf seine Schüler ein und begeistert sie mit seinen neuen Lehrmethoden. Ein schüchterner Schüler wird immer wieder ermutigt. Das hat Erfolg. Der Schüler lernt sich einzuschätzen und bekommt Selbstachtung. Ein Schüler entdeckt sein Schauspieltalent. Der Vater des Jungen verbietet ihm das Schauspielen und holt ihn von der Schule. Das bricht dem jungen Schauspieler das Herz. „Er spürte keinerlei Leidenschaft mehr in seiner Seele. Jedes Gefühl war ihm aus Herz und Körper gewichen. Er kam sich vor wie eine spröde, leere Muschelschale, die bald vom Gewicht des fallenden Schnees zermalmt würde.“ Er erschießt sich mit der Pistole seines Vaters.
Noch immer herrscht in den Schulen die demütigende Atmosphäre aus Hesses Klosterschule und dem Internat des „Clubs der toten Dichter“. Nur die Methoden sind subtiler geworden. Die Politiker wollen keine Lehrer wie Keating. Sie wollen Pauker. Je mehr Stoff, desto besser funktioniert die Selektion.