Symptome der kapitalistischen Krise

Jugendliche trifft es besonders hart


 

Massenarbeitslosigkeit wird zu einem wesentlichen Charakterzug der aktuellen kapitalistischen Krise. Jugendliche sind in besonderer Weise von Entlassungen und düsteren Jobaussichten betroffen. Höchste Zeit für Widerstand!

von Nico W.

Seit mehr als einem Jahrzehnt erreichen die Arbeitslosenzahlen in Großbritannien die zwei Millionenmarke; in den USA sind sie so hoch wie seit 25 Jahren nicht mehr und in Spanien ist die Arbeitslosenquote noch nie so schlagartig auf einen Rekordwert von 14 Prozent nach oben geschnellt wie gerade. Das sind einige Schlaglichter auf die sozialen Folgen der aktuellen kapitalistischen Krise. Vor diesem weltweiten Hintergrund kommentiert die Wochenzeitung „Die Zeit“: „Wie eine Epidemie breitet sich die Arbeitslosigkeit auf dem Globus aus. In Deutschland sind bisher nur die ersten Symptome der Ansteckung zu erkennen“ (19.2.).

Kurzarbeit = Arbeitslosigkeit auf Raten

 

Hierzulande kränkt vor allem das so genannte „verarbeitende Gewerbe“ – allen voran die Autoindustrie und ihre Zulieferer. In den letzten Jahren haben sich hier weltweit gigantische Überkapazitäten aufgebaut. Die Autokonzerne könnten bedeutend mehr Produkte fertigen, als derzeit gebraucht oder gekauft werden, woraufhin die Produktion heruntergefahren wurde. Was sind vor diesem Hintergrund die Konsequenzen für die Beschäftigten?

Beispiel Volkswagen: Der weltweit größte Autobauer begann im Oktober 2008 alle bisher im Konzern noch vorhandenen Leiharbeiter zu entlassen. Betroffen sind weltweit 16.500 VW-Mitarbeiter. Zusätzlich wurde ein beträchtlicher Teil der Kernbelegschaft auf Kurzarbeit gesetzt. In Deutschland sind das von den 92.000 VWlern aktuell 60.000 ArbeiterInnen.

VertreterInnen der Regierung, Gewerkschaftsspitzen und Konzernchefs feiern diesen Schritt als Jobsicherung. Ein zweiter Blick auf diese Maßnahmen zeigt jedoch, dass es sich hierbei lediglich um einen Zeitpuffer handelt. Laut Volkswagen-Chef Martin Winterkorn, verhinderte die Kurzarbeit nur in diesem Jahr die Entlassung von Teilen der Kernbelegschaft. Falls darüber hinaus die Krise anhalten sollte, müsse man „über andere Dinge nachdenken” – sprich: Entlassungen oder sogar Betriebsschließungen. Hoffnungen, dass sich die Wirtschaft und vor allem die strapazierte Autoindustrie noch in diesem Jahr erholen würden, sind völlig haltlos. Kurzarbeit ist keine Jobsicherung, sondern Arbeitslosigkeit auf Raten.

Die Arschkarte für Jugendliche

Schon vor dem Einsetzen der Krise standen junge Menschen in besonderer Weise auf der Verliererseite des Kapitalismus. In der kürzlich vom DGB veröffentlichten Studie „DGB-Index Gute Arbeit 2008“ wurde abermals dokumentiert, dass die Arbeitsbedingungen von Jugendlichen überdurchschnittlich „prekär“ sind. Zwei Drittel der Befragten arbeiten für einen Lohn unter 1.500 Euro und/oder in Minijobs, Leiharbeit oder anderer befristeter Beschäftigung. Vor diesem Hintergrund haben 67 Prozent der jungen Menschen angegeben, Angst um ihre berufliche Zukunft zu haben. Eine Minderheit gibt an, dass sie von ihrem Arbeitseinkommen ausreichend oder gut leben kann.

Hinter den nackten Zahlen stehen konkrete Schicksale: Tausende von Auszubildenden, die jenseits ihrer eigentlichen Arbeit demütigende, ausbildungsfremde Tätigkeiten ausüben müssen und unbezahlte Überstunden aufgebrummt bekommen; Akademiker, die nach ihrem Abschluss in zahlreiche unterbezahlte Praktika gesteckt werden oder Jugendliche die nach ihrer Ausbildung nur befristet eingestellt werden. Am härtesten trifft es zweifelsohne diejenigen, die nicht mal eine Lehrstelle erhalten. Laut der Jahresstatistik der Bundesagentur für Arbeit, erhielt im vergangenen Jahr nur die Hälfte der 620.000 BewerberInnen einen betrieblichen Ausbildungsplatz. Oftmals landen sie in perspektivlosen „berufsvorbereitenden Maßnahmen“ und werden zwischengeparkt um aus der Statistik zu fallen.

Kurzum: Jugendliche ziehen immer wieder die Arschkarte, auch ohne kapitalistische Krise.

Jugendliche und die Krise

Leiharbeit ist vor allem „jung“. Jugendliche waren deshalb von der ersten Welle von Entlassungen in dieser Krise in besonderer Weise betroffen. So verwundert es nicht, dass in den letzten Monaten bei den unter 25-Jährigen die Arbeitslosenquote um zwei Prozentpunkte von 6,1 Prozent im November auf 8,1 Prozent im Februar anstieg (unter allen Arbeitslosen betrug der Anstieg dagegen „nur“ 1,4 Prozentpunkte). Gleichzeitig verhängt ein Unternehmen nach dem anderen Einstellungsstopps. In Zukunft werden also die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze und die Übernahme der ausgelernten drastisch sinken. Das alles zeigt: Der beschriebene Trend der DGB Studie wird durch die kapitalistische Krise massiv verstärkt werden.

Jugendliche werden auch jenseits der Arbeit einen beträchtlichen Teil der Krisenlast zu tragen haben. In den letzten Jahren wurden in etlichen Kommunen Jugendbeteiligungsprojekte auf dem Altar der Haushaltskonsolidierung geopfert. Jugendzentren, Skaterhallen, Mädchenprogramme und andere kostenlose Freizeitangebote stehen seit Jahren auf der roten Liste der jugendfeindlichen Kämmerer. Die aktuelle Krise wird auch die Kommunen besonders hart treffen. Kredite werden teurer, Gewerbesteuereinnahmen brechen ein und auch die hohe Arbeitslosenzahl wird die Städte und Kreise schröpfen. Wir müssen mit einer Kürzungswelle bei Jugendprojekten rechnen.

Widerstand auf griechisch

Ende des vergangenen Jahres flammte spontan in Griechenland eine Jugendbewegung auf. Sie entlud sich durch den Polizeimord an einem jungen Aktivisten. Hinter den Protesten steckte eine tief verwurzelte Wut über die massenhafte Perspektivlosigkeit. Die Jugendlichen besetzten Schulen und Fernsehsender, demonstrierten täglich und bestreikten wochenlang den Schulunterricht. Auf dem Höhepunkt der Protestbewegung fand ein Generalstreik statt. Die Bewegung verlief sich Anfang des Jahres vorerst im Sand, weil es keine Einigung in politischen Forderungen gab und auf die Gründung von demokratischen Strukturen zur Organisation weiterer Proteste verzichtet wurde. Dennoch zeigten die griechischen Jugendlichen, dass Widerstand eine Alternative ist, anstelle des tatenlosen Zusehens, wie ihnen die Zukunft verbaut wird. In Deutschland findet im Juni ein Bildungsstreik in Schulen und Unis statt. Das ist ein erster Schritt, um auch hierzulande mit den Herrschenden griechisch zu sprechen.Wichtig ist, dass an dem Tag nicht nur Studierende und SchülerInnen, sondern auch die Beschäftigten des Bidungswesens (LehrerInnen, Profs, Verwaltungspersonal, Reinigungskräfte etc) von ver.di und GEW zum Streik aufgerufen werden. Ein solcher Bildungsstreik würde den Druck auf die Gewerkschaftsspitze erhöhen, endlich auch in Deutschland zu einem Generalstreik aller Beschäftigten aufzurufen.

Jugendvertretung? Fehlanzeige!

In einem Interview unter dem Titel „Was die Finanzkrise für junge Leute bedeuten könnte“ antwortet Johannes Jakob von der DGB-Abteilung Arbeitsmarktpolitik auf die Frage, ob griechischer Protest auch in Deutschland möglich ist schlicht mit „Abwarten“. Das beschreibt die Haltung zahlreicher Gewerkschaftsspitzen. In aufwendigen Studien wird immer wieder bewiesen, dass es um die Zukunft der Jugend schlecht steht. Über symbolische Kampagnen gegen prekäre Beschäftigung gehen die DGB Jugend Aktionen oftmals nicht hinaus. Im Gegenteil! Wenn es in der Vergangenheit zum Beispiel bei Tarifverhandlungen um die Wurst ging, waren Jugendliche in besonderer Weise von Verschlechterungen betroffen. Leiharbeit und schlechtere Tarifbedingungen für junge Menschen wurden oftmals mit der Zustimmung der Gewerkschaftsspitzen eingeführt. Das seien die üblichen „Kröten die man schlucken muss“, wie es zuletzt ver.di Chef Frank Bsirske in der Tarifrunde im Öffentlichen Dienst ausdrückte.

In derselben Manier präsentieren sich derzeit die IG-Metall-Spitzen als Unternehmensberatung für Konzernchefs, die ihren Profit schwinden sehen. In dem laufenden Metall-Tarifvertrag ist die Option eingebaut, die 2,1-Prozent-Erhöhung im Mai bis spätestens Dezember 2009 zu verschieben. Die IG Metall rät krisengebeutelten Unternehmen und ihren Betriebsräten hiervon Gebrauch zu machen. Damit macht sich die Gewerkschaft zum Erfüllungsgehilfen bei Angriffen auf den Lebensstandard der Beschäftigten.

Widerstand und kämpferische Gewerkschaften

Eine Gewerkschaft deren Lieblingsmalzeit „Kröten“ sind und die am liebsten „abwartet“ und sich als „Unternehmensberatung“ versteht, kann kein Mensch gebrauchen. Zahlreich beweisen junge GewerkschafterInnen, dass eine andere Gewerkschaft möglich ist. Mit Hingabe beteiligen sie sich immer wieder an Gewerkschaftsprotesten. DGB-Jugend- Strukturen haben sich an den Schülerstreiks im vergangenen Jahr aktiv beteiligt und unterstützen auch den kommenden Bildungsstreik im Juni. Das zeigt die eigentliche Aufgabe von Gewerkschaften: Die eigene Mobilisierungskraft ausschöpfen, Kampfangebote machen und nicht mit verschränkten Armen warten, bis es zu einer Bewegung kommt. Die nächste Möglichkeit hierfür ist die Mobilisierung zu den Demonstrationen am 28. März in Berlin und Frankfurt. Während die Gewerkschaftsspitzen wieder mal mit lächerlichen Argumenten den Protest blockieren, beteiligen sich zahlreiche Gewerkschaftler der Basis an der Mobilisierung.