Am letzten Mittwoch, den 4. März, machten sich über 40 Kinder und Eltern der Klecks-Grundschule in der Brixener Straße auf, um mit Schildern, Transparenten, Luftballons und Trillerpfeifen vor die Bezirksverordnetenversammlung von Pankow zu ziehen. „Wir sind hier, wie sind laut, weil man uns die Bildung klaut“, riefen Richard, Dschingis und Johannes, Schüler der 3a, ins Megafon. „Bildung nicht nur für Reiche“ oder „Eine Bank müsste man sein“ war auf den Plakaten zu lesen.
von Aron Amm, Elternvertreter der Klecks-Grundschule in Berlin-Pankow
„Berlin macht ganztags Schule.“ Damit wirbt der SPD/LINKE-Senat. Die Wirklichkeit sieht allerdings anders aus. Die Klecks-Grundschule in Pankow ist eine Ganztagsschule. Im Flugblatt, das die DemonstrantInnen während der Protestaktion an Bezirksverordnete und Passanten verteilten, heißt es: „und Rahmenbedingungen sind für das anspruchvolle Ziel nicht gegeben. Damit das Konzept überhaupt aufgeht, müssen die Eltern der Klecks-Grundschule für die Abdeckung des gebundenen Freizeitbereichs fast 11.000 Euro beitragen. Das hehre Ziel, auch sozial schwächeren Familien gleichen Zugang zur Bildung zu ermöglichen, ist damit nur eine Redeblase.“
Die Klecks-Grundschule ist zwar eine Ganztagsschule, hat jedoch nicht genug ErzieherInnen dafür, im Freizeitbereich Arbeitsgemeinschaften wie Sport, Musik oder Theater anzubieten. Darum wird mit Vereinen kooperiert. Fällige Teilnahmegebühren müssen von den Eltern geschultert werden.
Nachdem der Senat auch noch eine Haushaltssperre verhängte, wurden den Eltern der Klecks-Grundschule zusätzlich zu den 11.000 Euro weitere 2.000 Euro für Materialkosten beim Freizeitangebot aufgehalst. Auf der Gesamtelternvertreter-Sitzung im Januar kam zunächst der Vorschlag, die Mehrkosten einfach auf alle Eltern aufzuteilen. Rasch wurden aber Einwände erhoben: „Wo soll das noch hinführen?“ Und: „Wenn wir ständig alles schlucken, dann werden in den Folgejahren weitere Belastungen auf uns zu kommen.“ „Es wird immer mehr Eltern geben, die immer weniger AGen bezahlen können. Die Teilnahme an AGen wird bald nur noch vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Andere Kinder werden irgendwann nicht mehr betreut und gefördert, sondern nur noch verwaltet.“ Dann wurde vorgeschlagen, das Wahljahr auszunutzen und allen Politikern Briefe zu schreiben. „Werden die nicht einfach nur im Reißwolf verschwinden?“, zweifelten einige. Entschieden wurde schließlich, zum einen an SPD-Bezirksbürgermeister Matthias Köhne und andere Protestschreiben zu schicken und zum anderen bei der nächsten Bezirksverordnetenversammlung (BVV) zu demonstrieren.
Alle Eltern wurden auf Elternabenden und per Brief informiert, in der Schule wurde ein Plakat für den Aktionstag ausgehängt, im Kunstraum wandelten Eltern und Kinder zwei Tage vor dem öffentlichen Protest Bettlaken in Transparente um und bemalten Plakate, die Presse wurde zur Aktion eingeladen. Zudem besorgte man über 50 Luftballons mit dem Aufdruck: „Mehr Geld für Bildung, mehr Geld für die Klecks-Grundschule.“
Bevor die demonstrierenden Eltern und Kinder vor das BVV-Gebäude zogen, machten sie an der Prenzlauer Allee auf ihr Anliegen aufmerksam. Positive Resonanz kam von Passanten und Autofahrern. Immer wieder wurde zustimmend gewinkt und gehupt. Per Megafon wurde in Kurzreden darauf hingewiesen, dass in Krisenzeiten für die Banken ein Rettungspaket nach dem anderen geschnürt wird. Gefragt wurde: „Wo bleibt das Rettungspaket für uns?“ Es wurde darauf hingewiesen, dass Senatoren und Bezirksstadträte bei Kindern den Rotsift ansetzen, gleichzeitig aber Gelder in ein Stadtschloss sowie in andere Prestigeprojekte stecken und Eigentum der Stadt per Privatisierung verscherbeln.
Beim Protest vor der BVV informierte sich zunächst Stefan Strauß von der Berliner Zeitung. Dann trat die für Schule zuständige Bezirksstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz an DemonstrantInnen heran, um lapidar zu vermelden, dass kein Geld da sei. Zudem bemerkte sie, dass sich die Bezirksverordneten in dieser Angelegenheit nicht zuständig sehen. Daraufhin wurde gekontert, dass man – angesichts von Mangelverwaltung an Schulen – keine Politiker braucht, die damit nichts zu tun haben wollen. Frau Zürn-Kasztantowicz verwies noch darauf, dass es neben der Klecks mit der Humboldt noch eine weitere Ganztagsschule im Bezirk geben würde. Als ihr entgegnet wurde, man wolle sich mit dieser gern zusammentun, um nicht auf Kosten anderer zusätzliche Gelder zu erhalten, sagte die Bezirksstadträtin: „Doch. Darum geht es. Für alle ist auf keinen Fall genug da. Entweder die einen oder die anderen, aber nicht alle dürfen auf einen Zuschuss hoffen.“
Mit dem Beginn der BVV-Sitzung zogen alle Eltern und Kinder mitsamt den Schildern und Transparenten in den Sitzungssaal, um an der Einwohnerfragestunde teilzunehmen. Iris Drews, Elternvertreterin der 2. Klasse, begründete die Forderungen nach 11.000 Euro für den gebundenen Freizeitbereich und nach Aufhebung der Haushaltssperre, um die Mittelkürzungen bei den Materialien rückgängig zu machen. Die Bezirksstadträtin Zürn-Kasztantowicz erklärte darauf hin: „Mit diesem Anliegen müssen Sie sich an den Senat wenden. Die Schule kann gern einen Antrag auf Erstattung der Materialkosten einreichen. Den werden wir dann prüfen. Im Übrigen wurde die Schule gerade vollständig saniert; obgleich uns bekannt ist, dass das Geld für die Turnhalle nicht gereicht hat. Diese ist, wir sind uns dessen bewusst, in keinem guten Zustand.“ Darauf meldete sich Aron Amm, Elternvertreter in der 3. Klasse, zu Wort: „Die Turnhalle ist in der Tat in keinem guten Zustand. Die Heizung stammt aus dem Jahr 1967. Obwohl die Heizung seit Wochen rund um die Uhr aufgedreht wird – energiepolitisch ein Wahnsinn – , musste der Sportunterricht in diesem Winter mehr als einmal ausfallen, weil die Halle nicht warm genug war. Es wurden sogar Stoffe vor die Fenster gelegt, das brachte sogar drei Grad zusätzlich!“ Und weiter: „Es geht uns nicht nur um die Materialkosten. Die Streichung der Gelder für diese Mittel hat bei uns nur das Fass zum Überlaufen gebracht. Wir sind auch hier, weil wir einfordern, dass das Freizeitangebot in einer Ganztagsschule für alle gebührenfrei sein muss. – Alle Politiker geben regelmäßig die Verantwortung weiter. Das ist nicht neu. Die Bezirkspolitiker verweisen auf den Senat, die Senatoren auf den Bundestag und die Bundestagsabgeordneten zeigen mit dem Finger auf die Europäische Kommission…“
Genau aus diesem Grund war auch der Protest nötig. Es besteht die Möglichkeit, dass die Materialkosten im Freizeitbereich dank der Aktion vom Bezirk nochmal übernommen werden könnten. Das wäre ein erster kleiner Erfolg. Nötig ist aber, dass die gebundene Freizeit vollständig von der Schulverwaltung gedeckt wird und jegliche Kürzungspläne gestoppt werden. Deshalb werden seitens der Klecks-Eltern weitere Aktivitäten angedacht. So ist eine Unterschriftenliste, die auch in Geschäften und Cafes im Kiez ausgelegt werden könnte, im Gespräch. Zudem ist angedacht, den Schulterschluss mit Elternvertretern anderer Schulen (die auch schon einmal kontaktiert wurden) zu suchen. Im Vorfeld der nächsten Haushaltsberatungen könnten dann gemeinsame Protestaktivitäten auf den Weg gebracht werden – mit dem Ziel, Bildung für alle zu erreichen.