Viele Ökonomien Europas sind im freien Fall. In Osteuropa drohen sogar Staatsbankrotte. Auf Island und in Lettland mussten Regierungen schon ihren Hut nehmen. Hardliner wie Italiens Berlusconi und Frankreichs Sarkozy sehen sich zu Zugeständnissen gezwungen. Gegenwehr beginnt. Die Herrschenden fürchten sogar Aufstände. In Irland erklärte der Generalstab, dass die Armee „notfalls ihre Pflicht tun“ müsse, falls die Regierung im Falle eines Generalstreiks um Hilfe bitte.
Frankreichs Präsident Sarkozy unter Druck – Generalstreik in Frankreich, Revolte auf Guadaloupe
Drei Wochen nach dem Generalstreik in Frankreich, an dem etwa 2,5 Millionen ArbeiterInnen teilgenommen haben, hat die Regierung von Nicolas Sarkozy mit Zugeständnissen reagiert: Das geplante Sozialprogramm in Höhe von 2,65 Milliarden Euro soll untere Einkommensgruppen entlasten. Die Gewerkschaften kritisieren es als unzureichend, weil die Anhebung des Mindestlohns abgelehnt wurde. Für den 19. März sind neue landesweite Protestaktionen geplant.
von Heino Berg, Bremen
Die anstehenden Proteste richten sich gegen Milliardengeschenke für die Privatbanken, während im Bildungswesen, vor allem an den Universitäten, weitere Stellenstreichungen bevorstehen.
Wochenlanger Streik auf Guadaloupe
Aufstandsähnliche Proteste auf den zu Frankreich gehörenden Karibikinseln Guadeloupe, Martinique, Guyana und Reunion verstärken den Druck auf die Regierung. Was als Tarifkonflikt begann, weitet sich zu einer historischen Abrechnung aus. „Guadeloupe gehört uns, nicht ihnen“, erklärte der Führer des seit Wochen anhaltenden Generalstreiks, Elie Domota, bei der Beerdigung eines erschossenen Gewerkschafters. Mit der Liyannaj Kont Pwofitasyon (LKP) wurde eine Organisation von ArbeiterInnen und Jugendlichen geschaffen, die kämpferische Forderungen aufstellt.
Solidaritätsbewegung
Die sogenannte Globalisierung durch das Kapital mündet in eine globale Systemkrise, der die Herrschenden auf ihren Gipfeltreffen weitgehend hilf- und ratlos gegenüber stehen.
Die französische Schwesterorganisation der SAV, Gauche Revolutionnaire (GR), tritt – nach ersten Solidaritätsaktivitäten – für Unterstützungsaktionen und Demonstrationen in allen Städten Frankreichs ein. GR fordert einen Generalstreik für die Rettung von Arbeitsplätzen statt Geschenken an die Bankbesitzer und argumentiert für ein sozialistisches Programm zur Umwälzung der Machtverhältnisse in der Karibik, in Frankreich und weltweit.
In Polen brodelt es
Demonstrationen gegen die Regierung
In Polen ging der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den letzten zwanzig Jahren von 80 auf 14 Prozent zurück. Trotzdem regt sich Widerstand.
von Marko Sender, Leipzig
Vor einem Jahr kam es bereits zu einem wichtigen sechswöchigen Streik in dem Kohlebergwerk „Budryk“ in Oberschlesien. Der Streik richtete sich gegen Privatisierung und Sozialabbau.
Polarisierung im Gewerkschaftslager
Die Gewerkschaftsspitze von Solidarnosc attackierte damals den Streik. Pressemitteilungen über die Streikenden wurden gefälscht, von der Gewerkschaft organisierte Streikbrecher eingesetzt.
Die polnische Organisation des CWI arbeitet mit der Gewerkschaft August 80 zusammen und engagierte sich seinerzeit dafür, den Ausstand zu stärken. Während des gesamten Streiks, auch zu Weihnachten und Neujahr, blieben die Bergleute unter Tage, manche von ihnen traten sogar in einen Hungerstreik. Die Streikführer ließen sich schließlich auf eine Einigung ein, die zwar eine Lohnerhöhung von zehn Prozent brachte. Aber das Ergebnis blieb weit hinter den Forderungen zurück.
Vor neuen Arbeitskämpfen
Ende 2008 wurde das Büro des Premiers Donald Tusk besetzt, um eine Begrenzung der Frühpensionierung einiger Berufszweige zu verhindern. Tage-lang gab es Demonstrationen, wichtige Zugstrecken wurden mehrere Stunden blockiert. Nach der dennoch beschlossenen Rentenreform sollen nur noch 250.000 statt zuvor eine Million ArbeitnehmerInnen Anspruch auf Frühpensionierung haben. Betroffen sind unter anderem LehrerInnen, Bahnarbeiter und Bergleute.
Auch im öffentlichen Sektor werden derzeit Streiks angedroht, unter anderem bei Richtern, Polizisten, LehrerInnen, Krankenschwestern und Ärzten.
Außerdem steht der Konflikt bei den polnischen Werken von GM und Opel an, wo ein massiver Stellenabbau befürchtet wird.
Massenproteste in Irland
Betriebsbesetzung und Großdemos
Die Weltwirtschaftskrise trifft Irland mit voller Wucht. Bis 2010 soll schätzungsweise ein Viertel der Erwerbsfähigen arbeitslos sein – das wären so viele wie in den USA auf dem Höhepunkt der Großen Depression.
Die Folge ist eine enorme Radikalisierung von ArbeiterInnen und Jugendlichen. Die Socialist Party (Schwesterpartei der SAV) tritt für einen eintägigen Streik aller Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes ein.
von Sönke Schröder, Essen
Ende Januar gab der Insolvenzverwalter der Glasfabrik Waterford Crystal die Schließung bekannt. Sofort entschlossen sich die 700 ArbeiterInnen, ihren Betrieb zu besetzen. 2.000 Menschen nahmen an einer spontanen Solidaritätskundgebung teil. Die Socialist Party (SP) startete in der Innenstadt von Dublin eine Unterschriftenaktion für die Verstaatlichung des Betriebes.
Verstaatlichung
Das Thema Verstaatlichung ist in Irland in aller Munde. Nicht zuletzt, seit sich die Regierung gezwungen sah, die Anglo Irish Bank zu verstaatlichen. Joe Higgins, Sprecher und ehemaliger Parlamentsabgeordneter der Socialist Party, erklärte: „Die Regierung soll die wirkliche Lage der Anglo Irish Bank öffentlich bekannt machen, diejenigen benennen, welche die Kredite verspekuliert haben und klar sagen, welche Kosten diese Misswirtschaft erzeugt hat. Diese Leute sollen nicht entschädigt werden, vielmehr muss ihr Vermögen herangezogen werden, um den großen Schaden zu begleichen, den sie der Gesellschaft zugefügt haben.“ Verbunden ist dies mit der Forderung nach Verstaatlichung aller Banken, um Renten und kleine Vermögen zu retten.
Streikbewegung
Am 7. Dezember demonstrierten in Irland zehntausende LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern gegen Kürzungen im Bildungssystem. Am 22. Februar brachten die Gewerkschaften 120.000 der vier Millionen Iren auf die Straßen Dublins. Erzürnt sind viele vor allem darüber, dass die Regierung die Gehälter im Öffentlichen Dienst um 7,5 Prozent kürzen will – als „Pensionsbeitrag“. Die Menge skandierte: „Wir werden nicht für die Gier der Superreichen bezahlen – Schmeißt diese Regierung raus!“
Doch selbst die konservative FAZ bemerkt die Zaghaftigkeit der Gewerkschaftsführung: „Der Generalsekretär des irischen Gewerkschaftsverbands [legte] die größte Schärfe seiner Ansprache nicht in Streikdrohungen, er drohte der Regierung alleine mit politischen Konsequenzen: Verweigert ihnen jede einzelne Stimme, jagt sie alle davon.“ Dem hält die Socialist Party die Forderung nach einem landesweiten Streiktag aller Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes entgegen. Zudem tritt die SP dafür ein, dass auch ArbeiterInnen der Privatindustrie in den Kampf einbezogen werden – um die angeschlagene Regierung zu Fall zu bringen.