Bis zum 22. März ist die Ausstellung „Embedded Art – Kunst im Namen der Sicherheit“ in der Akademie der Künste am Pariser Platz zu sehen.
Genau der richtige Standort für eine Auseinandersetzung mit der staatlichen Aufrüstung. Ist das Gelände vor dem Brandenburger Tor doch „eingebettet“ inmitten von britischen, russischen, französischen und US-amerikanischen Botschaften, Bankhäusern, dem Luxushotel Adlon. Nur einen Katzensprung vom Reichstag entfernt, ist der Pariser Platz einer der am besten überwachten Orte der Bundesrepublik. Eine „verdächtige“ Bewegung reicht und patroullierende Polizisten eilen herbei.
von Aron Amm, Berlin
Die seit elf Jahren bestehende Künstlergruppe BBM (Beobachter der Bediener von Maschinen) hat 43 Künstler beauftragt, für diese Ausstellung ein Werk beizusteuern. Internationale Künstler zeigen Malerei, Fotografie, Medienkunst und Hörspiel, die sich „mit den Bedrohungen eines freien öffentlichen Lebens nach den Anschlägen von New York, Madrid, Moskau und London“ (wie es im Ankündigungstext zur Ausstellung heißt) beschäftigen. Geleitet wird die Akademie von dem Plakatkünstler Klaus Staeck.
Die Vokabel „embedded“ ist einem Begriff aus dem Irak-Krieg entlehnt: hier war vom „embedded journalist“ (eingebetteter Journalist) die Rede, einem zivilen Kriegsberichterstatter, der sich in eine der kämpfenden Verbände eingliedert.
Nacktscanner an Flughäfen? Biometrische Personalausweise? Überwachungskameras allerorten? Wie weit die staatliche Aufrüstung voran geschritten ist, das will die Ausstellung spürbar machen. Kaum hat man die Akademie betreten, wird man von zigarettenschachtelgroßen Kameras ins Visier genommen. Das Aufsichtspersonal bewegt sich in hierfür eigens kreierten schusssicheren Westen. Will man die eigentlichen Werke der Ausstellung betrachten, muss man sich in einer speziellen Führung in die Kellergeschosse begeben, dem „Hochsicherheitstrakt“ der Akademie. Das Personal bellt metallene Anweisungen, gibt Kommandos, kontrolliert die Besichtigungszeit. Die Bilder werden mit Hilfe von Überwachungskameras ausschnittsweise vom Keller nach oben übertragen.
Im Erdgeschoss ist zum Beispiel ein Fingerscanner zu sehen, der den persönlichen Fingerabdruck in ein grafisches Muster umwandelt, das man ausdrucken kann. Die Videokünstler Korpys & Löffler haben einen Workshop der rheinland-pfälzischen Bereitschaftspolizei mitgeschnitten. In diesem wurden die Polizisten im Umgang mit der Elektroschockwaffe Taser geschult. Zu Übungszwecken wurden die Beamten selber von den Elektrostößen getroffen, unter Schmerzensschreien gehen sie zu Boden: Folter per Dienstanweisung?
Im Keller begibt man sich unter anderen in einen riesigen, kalten Übwerwachungsraum. Mit der Collage „Inside the Room“ erschufen Peter Kennard und Cat Picton Phillipps einen War Room. Christina Zück stellt ihre pakistanische Fotoserie „Defense Phase II Karachi“ aus. Scheinbare Alltagsbilder aus der Gegend, wo der Drahtzieher der „Hamburger Zelle“ um Mohammed Atta festgenommen wurde. Heidi Specker präsentiert Aufnahmen von der „Future Security Conference“ des Fraunhofer Instituts und gibt sie in surealen Überblendungen verdichtet wieder. Der Künstler Moritz R. zeigt Gemälde aus seiner Reihe „Five Peace-Monsters“.
Die Kuratoren lassen keinen Zweifel: Überwachungskameras, biometrische Pässe oder modernste Techniken der Personenkontrolle dienen nicht dem Schutz der Bevölkerung, sondern stellen eine Bedrohung dar.
Mit der Karachi-Fotoserie oder einem Video über den Alltag des Krieges im Nahen Osten wird zudem vermittelt, dass der Horror ohne Ende in Asien und anderen Teilen der Welt einen Nährboden für Terrorismus bietet.
Allerdings bleibt die als „politische Ausstellung“ gepriesene Werkschau über weite Strecken apolitisch, da sie weder hinterfragt, was zum unerträglichen Elend in den unterentwickelten Ländern führt, noch thematisiert, wer hier zu welchem Zweck den Staat aufrüstet – und, aus Sicht der Herrschenden, aufrüsten muss, um sich gegen kommende betriebliche und soziale Proteste und Revolten zu wappnen.
Eine Funktion, die der Kunst zukommt, besteht darin, Seismograf für gesellschaftliche Umbrüche und Veränderungen zu sein. Viele der heutigen Künstler erweisen sich als äußerst sensibel, was Aufrüstung von Polizei und Militär sowie den Abbau demokratischer Rechte angeht. „Embedded Art“ widerspiegelt diese Empfindsamkeit. In anderen Fragen, gerade in Fragen der bevorstehenden und schon beginnenden ökonomischen und sozialen Erschütterungen, bleibt das Gros der heutigen Künstler weit zurück vergleichen mit denjenigen, die zum Beispiel die Kunst am Vorabend des Ersten Weltkriegs, der revolutionären Welle in Europa und der Großen Depression von 1929-33 prägten. Man denke nur an Otto Dix" Gemälde „Großstadt“ von 1927/28 (zu sehen aktuell in der Stuttgarter Triptychon-Ausstellung), in dem dekadente Bosse und Bonzen, eingerahmt – nicht von Heiligen wie in den Triptychen der Kirchen – sondern von Kriegsinvaldiden und Prostituierten, dem Börsenkrach und der Weltwirtschaftskrise entgegen taumeln. Auch heute wieder brandaktuell.