Der Generalstreik in Frankreich und seine Lehren für Deutschland

Etwa zwei Millionen Menschen haben am so genannten „Schwarzen Donnerstag“ in Frankreich an einem Generalstreik gegen die Krisenpolitik der Regierung Sarkozy teilgenommen.


 

von Heino Berg, Bremen

Zu den 200 Massendemonstrationen hatten die acht größten französischen Gewerkschaften gemeinsam aufgerufen. Allein in Paris demonstrierten 300.000 ArbeiterInnen, andere große Aktionen fanden in Marseille, Toulouse und Bordeaux statt. Sie wurden laut Umfragen von 75 Prozent der Bevölkerung unterstützt.

Damit breitet sich nach den Generalstreiks in Griechenland und den Massendemonstrationen in Irland, Island und anderen Ländern eine Welle von politischen Massenprotesten aus, die sich gegen die Auswirkungen der beginnenden Weltwirtschaftskrise und gegen die Milliardenpakete richten, mit denen die bürgerlichen Regierungen die taumelnden Finanz- und andere Großkonzerne zu retten versuchen. 360 Mrd. € hat Sarkozy, ähnlich wie Merkel, den Banken in den Rachen geworfen, trotzdem haben seit Beginn der Krise bereits 100.000 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren. Auch wenn Sarkozy aus Angst um den Bestand seiner Regierung („Könige können in Frankreich ihren Kopf verlieren“) einen Teil seiner arbeitnehmerfeindlichen Pläne im Bildungswesen aufschieben musste, soll die Privatisierung der Post vorangetrieben und tausende von Krankenhäusern einer Reorganisation des Gesundheitswesens zum Opfer fallen.

Während in Deutschland die Gewerkschaftsführung noch stillhält und nicht einmal eine Diskussion über politische Massenstreiks gegen die Regierungspolitik zulassen will, zeigt die spektakuläre Unterstützung für den französischen Generalstreik, was möglich wäre, wenn die Führung der Gewerkschaften die Initiativen für die beiden bundesweiten Demonstrationen am 28.3. in Berlin und Frankfurt/Main auf allen Ebenen in den Gewerkschaften und in den Betrieben breit bekannt machen und die Mobilisierung dafür endlich beginnen würden. Der Aufruf des DGB zu einer Großdemonstration am 16. Mai ist zwar als Zugeständnis der Führung an den, durch den Aufruf zum 28. März entstandenen Druck, zu werten. Besser aber wäre es gewesen, wenn auch die Gewerkschaften sich dem Aufruf für den 28. März angeschlossen hätten.

Hier liegt auch eine besondere Verantwortung der Partei DIE LINKE in Deutschland, die als einzige Partei die Regierungpolitik in der Wirtschaftskrise kritisiert, mit Verspätung eine Verstaatlichung aller Banken gefordert und eine Unterstützung der zentralen Protestdemonstrationen beschlossen hat. Gerade Oskar Lafontaine hat noch im letzten Jahr das Recht auf politischen Generalstreik in Deutschland verlangt – schweigt jetzt aber, wo Millionen von französischen und griechischen ArbeiterInnen dieses Recht in die Tat umsetzen. Die ArbeiterInnen in Deutschland stehen in der schwersten Krise des Kapitalismus seit dem Weltkrieg vor ähnlichen Angriffen wie ihre KollegInnen in den europäischen Nachbarländern – und auch hier werden wir unsere Rechte nur verteidigen können, wenn wir durch politische Massenstreiks- und demonstrationen ihrem Beispiel folgen.

Anstatt „Französisch zu lernen“ und auch in den Gewerkschaften konsequent auf die Mobilisierung der Betroffenen GEGEN die Regierungen zu setzen, schielen aber die Verantwortlichen in der Führung der LINKEN allzu sehr auf die Beteiligung an Koalitionsregierungen mit der SPD und auf Kompromisse mit dem SPD- und Gewerkschaftsapparat.

Dies widerspricht dem Auftrag ihrer Mitglieder und Wähler. Deshalb stagniert hier die LINKE in den Umfragen und in der Mitgliederentwicklung, anstatt – ähnlich wie das Linksbündnis Syriza in Griechenland – im Einklang mit der Protestbereitschaft der Betroffenen zu wachsen. Die zentrale Demonstration „Wir zahlen nicht für eure Krise!“ könnte der erste Schritt für eine Gegenoffensive werden, die in Deutschland mindestens so notwendig ist wie in Frankreich. Der zweiten Schritt kann die DGB-Demo am 16. Mai sein. Spätestens danach muss die Frage des eintägigen Generalstreiks auf die Tagesordnung.